Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Mag. Seidenschwann, LL.B.(WU) als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und einen anderen Beschuldigten wegen § 88 Abs 1 StGB über die Beschwerde der B* GmbH gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 21. Juli 2025, GZ **-9, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg führte – soweit hier von Bedeutung - zu AZ ** ein Ermittlungsverfahren gegen A* und C* wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB. Danach standen A* und C* im Verdacht, am 23. April 2025 in ** einander im Zuge eines Verkehrsunfalls fahrlässig am Körper verletzt zu haben (ON 2.2). Mit Verfügung vom 12. Mai 2025 stellte die Staatsanwaltschaft Korneuburg das Verfahren gegen beide Beschuldigten gemäß § 190 StPO aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 88 Abs 2 Z 2 StGB ein (ON 1.1, ON 3).
Mit Eingabe vom 31. Mai 2025, bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg eingelangt am 6. Juni 2025 (ON 6), erhob die B* GmbH (im Folgenden: Einspruchswerberin) Einspruch wegen Rechtsverletzung und brachte vor, der Beschuldigte A* sei ihr Mitarbeiter und am Unfallort unter Schock und ohne Dolmetscher vernommen worden, weshalb sowohl seine Vernehmung an sich nicht rechtens gewesen und das von der Polizei aufgenommene Protokoll im Hinblick auf die Schilderung des Unfallhergangs falsch gewesen sei. Ihren Mitarbeiter treffe am Unfall keine Schuld.
Die Staatsanwaltschaft beantragte die Zurückweisung des Einspruchs, weil die in Kritik gezogenen Vernehmung nicht auf einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung beruhe (ON 1.5).
In ihrer dazu eingebrachten Äußerung (ON 8.1) ergänzte die Einspruchswerberin lediglich, dass der Beschuldigte nur Russisch und Aserbaidschanisch spreche und er die Polizisten daher kaum verstanden habe. Auch der andere Mitarbeiter, der vor Ort übersetzt habe, spreche nicht dieselben Sprachen wie der Beschuldigte.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 9) wies der Einzelrichter des Landesgerichts Korneuburgs den Einspruch zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Kriminalpolizei den Beschuldigten von sich aus vernommen habe und gegen einen solchen, ohne Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft erfolgten Zwangsakt der Polizei ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nicht zulässig sei.
Der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde (ON 10, ergänzt durch ON 13) kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch (die) Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert (Z 1 leg cit) oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2 leg cit). Der Einspruch ist binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Rechtsverletzung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen (Abs 3 leg cit), wobei dieser Zeitpunkt – wie hier - auch nach dem Ende des Ermittlungsverfahrens liegen kann ( Kirchbacher, StPO 15 § 106 Rz 77, § 107 Rz 1). Er richtet sich in diesem Fall auf die Feststellung der Verletzung subjektiver Rechte (vgl Pilnacek/Stricker, WK StPO § 107 Rz 9). Unzulässige, verspätete und solche Einsprüche, denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, sind gemäß § 107 Abs 1 erster Satz StPO zurückzuweisen.
Die Berechtigung zur Erhebung eines Einspruchs kommt - mit Ausnahme im Fall des Todes eines Opfers (§ 65 Z 1 lit b StPO) - nur der konkreten, in einem subjektiven Recht verletzten, Person selbst zu ( Pilnacek/Stricker , WK-StPO § 106 Rz 10). Als subjektive Rechte sind solche zu verstehen, die die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei Ermittlungen bzw der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der StPO konkret einzuhalten sind oder die dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen ( Kirchbacher, StPO15 § 106 Rz 2). Der Einspruch hat die Behauptung, im Ermittlungsverfahren in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, zu begründen und ein bestimmtes Begehren zu enthalten, auf welche Weise dieser Rechtsverletzung abgeholfen werden soll. Das Begehren kann auch bloß auf die Feststellung gerichtet sein, dass durch den bekämpften Vorgang oder Unterlassung das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet und dadurch ein subjektives Recht des Einspruchswerbers verletzt wurde ( Pilnacek/Stricker aaO Rz 24).
Der gerichtlichen Kontrolle im Einspruchsverfahren nach § 106 Abs 1 StPO unterliegen nur Eingriffe der Staatsanwaltschaft in subjektive Rechte. Nur im Fall kriminalpolizeilichen Handelns aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft liegt ein Akt der Gerichtsbarkeit iSd Art 90a B-VG vor, sodass der Einspruch wegen Rechtsverletzung zulässig ist ( Kirchbacher, StPO 15 § 106 Rz 1/1). Wenn sich die Polizei nicht auf eine Anordnung der Staatsanwaltschaft berufen kann, führt sie die Ermittlungsmaßnahme nicht aufgrund einer Anordnung, sondern aus eigener Macht durch. Akte der Kriminalpolizei, die sie aus eigener Macht durchführt, können vom Betroffenen nicht durch Einspruch, sondern (soweit zulässig) durch eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht bekämpft werden (
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mangelt es bereits an der Einspruchslegitimation der Einspruchswerberin. Die von dieser behaupteten Rechtsverletzungen betreffen ausschließlich die Rechte des Beschuldigten A* im Strafverfahren gemäß § 49 Abs 1 StPO (der im Übrigen nicht als Beschuldigter vernommen worden ist [siehe den Abschlussbericht der PI D* vom 11. Mai 2025 ON 2]), wie beispielsweise das Recht auf Übersetzungshilfe nach §§ 49 Abs 1 Z 12 iVm 56 StPO. Die Einspruchswerberin ist nicht Beschuldigte in diesem Strafverfahren, weshalb ihr – gestützt auf die Verletzung von Beschuldigtenrechten – keine Berechtigung zur Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung zukommt. Inwiefern sie darüber hinaus selbst in einem ihr von der StPO gewährten subjektiven Recht verletzt worden sein soll, ergibt sich weder aus ihren Ausführungen noch aus dem sonstigen Akteninhalt.
Darüber hinaus lag – wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt – der Amtshandlung durch die Kriminalpolizei keine staatsanwaltschaftliche Anordnung zugrunde. Erst nah Übermittlung des kriminalpolizeilichen Abschlussberichts über den Verkehrsunfall vom 23. April 2025, zu dem A* und C* zudem lediglich unmittelbar nach dem Unfall noch am Unfallort zum Hergang befragt, jedoch nicht als Beschuldigte förmlich vernommen wurden (ON 2.2,6), wurde die Staatsanwaltschaft Korneuburg mit der Sache befasst, die das Verfahren gegen beide Beschuldigte unmittelbar danach gemäß § 100 Abs 2 Z 4 StPO einstellte (ON 1.1). Insofern handelte es sich bei der Befragung des Beschuldigten A* um einen aus eigener Macht durchgeführten Akt der Kriminalpolizei, gegen den ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO nicht zulässig ist.
Da der angefochtene Beschluss somit im Ergebnis der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.
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