Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Frigo in der Strafsache gegen A* und weitere Beschuldigte wegen §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weitere strafbare Handlungen über die Beschwerde des B* C* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. September 2025, GZ ** 530, den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebungder Beschwerde wird der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des B* C* nach § 196a Abs 1 StPO mit 5.000 Euro bestimmt wird.
Begründung
Das (neben weiteren Beschuldigten) gegen B* C* seit 24. Juli 2023 vorerst bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu **, nach Abtretung an die zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (ON 1.18), bei dieser zu AZ ** nunmehr zu AZ ** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB anhängige Ermittlungsverfahren wurde am 2. Juni 2025 gemäß § 190 StPO eingestellt (ON 1.341).
Nach dem Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war B* C* verdächtigt, als ehemaliger Gesellschafter der D* GmbH und im Vertrieb tätiger Angestellter im Zeitraum von September 2020 bis 1. August 2023 in ** und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den weiteren Beschuldigten A*, E* und F* C* mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder die D* GmbH unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die von den Kunden gekauften Hanfpflanzen würden nach deren Pflanzung regelmäßig geerntet und die D* GmbH erwirtschafte aus der Ernte, insbesondere aus dem Verkauf der Ernte an Großabnehmer, einen Ertrag, der an die Kunden ausgeschüttet werde, wobei in Wahrheit keine Erträge erwirtschaftet wurden, zahlreiche Personen zu Handlungen verleitet zu haben, nämlich zur Überweisung von Beträgen auf die Konten der D* GmbH und Übertragung von Bitcoins auf die Einzahlungswallets der D* GmbH in Höhe von insgesamt rund 16 Millionen Euro, wodurch er einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt haben und den schweren Betrug gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) begangen haben soll.
Mit Eingabe vom 4. September 2025 (ON 527.2) beantragte B* C* unter Anschluss seines Kostenverzeichnisses (ON 527.3), wonach sich die tarifmäßigen Kosten (inklusive USt und 50% Erfolgszuschlag) auf 28.975,55 beliefen, die Leistung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren gemäß § 196a StPO in Höhe von 12.000 Euro zuzüglich Barauslagen für Aktenkopien.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte die Erstrichterin den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des Genannten mit 4.000 Euro und wies das Mehrbegehren und die Barauslagen ab.
Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des B* C* (ON 534), der im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zukommt.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt, hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen, vom Beschuldigten bestrittenen Barauslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient hat. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des nötigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf grundsätzlich den Betrag von 6.000 Euro (Stufe 1) nicht übersteigen (§ 196 Abs 1 StPO). Das Höchstmaß des Beitrags kann nur bei Verfahren, die durch außergewöhnlichen Umfang oder besondere Komplexität ausgezeichnet sind, sowie im Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens um die Hälfte (Stufe 2) überschritten und im Falle extremen Umfangs des Verfahrens auf das Doppelte (Stufe 3) erhöht werden (Abs 2 leg cit). Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (EBRV 2557 BlgNR 27. GP S 4) sind die zur Erreichung der Stufe 2 genannten Kriterien (außergewöhnlicher Umfang, besondere Komplexität) an einige der in § 20b Abs 2 StPO genannten Kriterien angelehnt. Der außergewöhnliche Umfang eines Verfahrens ist aber jedenfalls geringer als der in § 285 Abs 2 StPO angesprochene extreme Umfang, überschreitet aber den gewöhnlichen Umfang eines Verfahrens doch deutlich und ist in einer Gesamtschau aller relevanten Faktoren festzustellen.
Bei der Bemessung des Beitrags ist davon auszugehen, dass die Bandbreite der in die Kategorie der Stufe 1 fallenden Verfahren von ganz einfachen Verteidigungsfällen wie gefährlichen Drohungen bis hin zu nicht ausufernden komplexen Wirtschaftsstrafsachen reicht, der Beitrag sich somit je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag von 6.000 Euro anzunähern bzw sich von diesem zu entfernen hat. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind an Hand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) von rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (2557 BlgNR 27. GP 5).
Das Erstgericht ging zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen für die Überschreitung des mit 6.000 Euro festgelegten Grundbetrages um die Hälfte im Sinne des § 196a Abs 2 StPO nicht vorliegen, weil keine besondere Komplexität des aufzuklärenden Sachverhalts noch ein als außergewöhnlich zu qualifizierender Aktenumfang (sieben Beschuldigte und etwa Aktenumfang von 520 Ordnungsnummern, wobei sich der Schwerpunkt der Ermittlungen gegen den Erstbeschuldigten A* richten) vorliegt. Es handelt sich jedoch um einen im Vergleich zu Standardfällen der Stufe 1 arbeits- und zeitintensiveren, über knapp zwei Jahre anhängigen Ermittlungsakt, der Tatvorwürfe zum Inhalt hatte, die im Hauptverfahren in die Zuständigkeit des Schöffengerichts des Landesgerichts fallen.
Ausgehend von den oben dargestellten Bemessungskriterien und Abzug der im Kostenverzeichnis enthaltenen und vom Bund nicht zu ersetzenden Kosten für den Kostenbestimmungsantrag, des Erfolgszuschlages und der – wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt - Barauslagen, erweist sich angesichts der langen Verfahrensdauer von beinahe zwei Jahren und der erbrachten zweckmäßigen Verteidigungshandlungen (ua Vollmachtsbekanntgabe, Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung in der Dauer von einer halben Stunde ON 88.3, mehrere Anträge auf elektronischen Akteneinsicht, eine Mitteilung zur beabsichtigten Sachverständigenbestellung und eine Stellungnahme), der vom Erstgericht festgesetzte Pauschalbeitrag zu den Verteidigerkosten als ein wenig zu gering bemessen, weshalb dieser in Stattgebung der Beschwerde im spruchgemäßen Umfang zu bestimmen war.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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