Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B*wegen § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung der Privatbeteiligten C* B* wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. April 2025, GZ **-61.1, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Körber und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Ropper, LL.M und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Petra Smutny, in Anwesenheit des Verteidigers Dr. Gregor Holzknecht, LL.M. und des Angeklagten A* B* durchgeführten Berufungsverhandlung am 22. Oktober 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben , der Ausspruch über die Verweisung der Privatbeteiligten C* B* auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Gemäß § 69 Abs 1 StPO wird festgestellt, dass A* B* der Privatbeteiligten C* B* für sämtliche künftigen aus den dem Schuldspruch unterliegenden Taten resultierenden Schäden haftet.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische und schweizerische Doppelstaatsbürger A* B* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) sowie der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III./) schuldig erkannt und unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung sowie unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Die Privatbeteiligte C* B* wurde mit ihrem Feststellungsbegehren gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* in **, **, **, **/Deutschland und in der Schweiz zu nicht mehr konkret festzustellenden Zeitpunkten im Zeitraum ab ca. April 2023 bis zuletzt 15./16. September 2024 in einer Frequenz von nicht mehr feststellbaren mehrmaligen wöchentlichen Übergriffen, mit Ausnahme der Zeiträume, der urlaubsbedingter Abwesenheiten,
I./ mit der am ** geborenen C* B*, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf bzw. dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen,
A./ indem er sie im Zuge des Zu-Bett-Bringens
1./ ab April 2023 vaginal mit zumindest einem Finger penetrierte;
2./ ab Ostern 2023 zusätzlich Oralverkehr an ihr durchführte, wobei er teilweise mit seiner Zunge vaginal in sie eindrang;
II./ in mehreren Angriffen zusätzlich zu den unter Punkt I./ A./ genannten Tathandlungen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der minderjährigen C* B*, vorgenommen bzw. von dieser an sich vornehmen lassen, indem er im Zuge des Zu-Bett-Bringens seinen Penis an ihrer, meist unbekleideten, Vagina rieb bzw. sie aufforderte, den Handverkehr an ihm durchzuführen und ihre Hand auf seinen Penis legte, was sie auch teilweise tat;
III./ durch die unter Punkt I./ und II./ genannten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich mit der minderjährigen C* B* eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw. von dieser an sich vornehmen lassen.
Gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 62), fristgerecht zu ON 67 ausgeführte Berufung der Privatbeteiligten C* B*, mit der sie die Feststellung, dass der Angeklagte ihr gegenüber für sämtliche künftigen kausalen Schäden aus den geschlechtlichen Übergriffen bis September 2024 hafte.
Wird der Angeklagte verurteilt, so ist im Urteil auch über die Ansprüche der Privatbeteiligten zu entscheiden und zwar entweder im Sinne eines – allenfalls auch nur teilweisen - Zuspruchs an den Privatbeteiligten oder durch dessen Verweisung auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs 2 StPO). Letztere ist nur zulässig, wenn (und soweit) sich die privatrechtlichen Ansprüche trotz vollständiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlage als nicht berechtigt erweisen oder wenn (und soweit) die Ergebnisse des Strafverfahrens zur Beurteilung der privatrechtlichen Ansprüche nicht ausreichen und die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen nur durch zusätzliche Erhebungen ermittelt werden können, die eine bereits mögliche Entscheidung in der Schuld- und Straffrage erheblich verzögern würden (§ 366 Abs 2 StPO).
Gegen eine Verweisung nach § 366 Abs 2 StPO – also im Fall der Verurteilung des Angeklagten – ist eine Berufung des Privatbeteiligten nur zulässig, wenn bereits der Gerichtshof nach dieser Gesetzesstelle eine Sachentscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche hätte treffen müssen. Da § 366 Abs 2 StPO auf die Ergebnisse des Strafverfahrens“ abstellt, kommt es dabei auf diese und nicht auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils an. Nur wenn diese für einen Zuspruch nicht ausreichen, ist die Berufung demnach unzulässig. § 366 Abs 3 StPO macht nämlich die Zulässigkeit der Berufung von der Verletzung der Entscheidungspflicht abhängig, weshalb sie auch nicht zulässig ist, wenn das Erstgericht einfache Erhebungen unterlassen hat (vgl Spenling , WK-StPO § 366 Rz 18f).
Die Begründung des Erstgerichts zur Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg stützt sich auf eine vereinzelt gebliebene, nicht der gängigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs entsprechenden Entscheidung.
Nach § 69 Abs 1 erster Satz StPO kann der Privatbeteiligte auch einen aus der Straftat abgeleiteten, auf Feststellung gerichteten Anspruch gegen den Beschuldigten geltend machen. Ein Feststellungsbegehren ist dann möglich, wenn zu erwarten ist (nicht ausgeschlossen werden kann), dass der Privatbeteiligte aus der Straftat neben den bereits bezifferbaren Schäden weitere Schäden erleiden wird ( Spenling, WK StPO § 371 Rz 1/1; RS0038976, RS0039018).
Das Erstgericht führte aus, dass nicht festgestellt werden könne, welche Folgen die sexuellen Übergriffe für die Minderjährige in Zukunft noch haben werden (ON 61.1 S 6). Es übersah jedoch, dass der Angeklagte im Hinblick auf das Feststellungsbegehren der Privatbeteiligten die Haftung für zukünftige Schäden anerkannte (ON 61 S 16), weshalb die Ergebnisse des Strafverfahrens ausreichten, um über den Privatbeteiligtenanspruch abzusprechen.
Diesem Anerkenntnis als Ergebnis des Strafverfahrens folgend war schon deshalb der Berufung der Privatbeteiligten Folge zugeben, die Verweisung auf den Zivilrechtsweg aufzuheben und die spruchgemäße Haftung für zukünftige Schäden festzustellen.
Die zitierte Feststellung des Erstgerichts schloss zudem nicht aus, dass Schäden der Privatbeteiligten aus der strafbaren Handlung nicht mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind, darüber hinaus führte es aus, dass die Privatbeteiligte eine psychische Belastung bzw. psychische Beeinträchtigungen erlitten hat (US 11). Diese Urteilsannahmen bilden aber in ihrer Gesamtheit eine ausreichende Grundlage dafür, den Angeklagten gegenüber C* B* für alle künftigen kausalen Schäden, die sich aus den vom Schuldspruch umfassten strafbaren Handlungen ergeben, haften zu lassen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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