Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. September 2025, GZ **-12 , nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. Juni 2021, AZ ** (ON 5), rechtskräftig durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 4. November 2021, AZ 31 Bs 283/21a (ON 6), wurde A* des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (III./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (IV./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Der Schuldspruch erfolgte, weil A* in **
I./ am 17. Oktober 2020 eine fremde Sache, nämlich den Bus der B* GmbH, beschädigt hat, indem er mit einem unbekannten Gegenstand dagegen warf, wodurch die Scheibe der Eingangstüre zu Bruch ging und ein Schaden von 850 Euro entstand;
II./ am 12. März 2021 C* und D* durch gefährliche Drohung mit dem Tod eines Angehörigen zur Unterlassung des Weglaufens zu nötigen versucht hat, indem er ihnen, nachdem er zuvor mit einem Bajonett mit einer Klingenlänge von 24,5 Zentimetern auf einen Tisch eingestochen und geäußert hatte, dass er eine Kampfsportart kenne, bei der er nur drei Mal ins Gesicht schlagen müsse, sodass dieser tot umfalle, zurief, dass er ihre Väter umbringe, wenn sie jetzt weglaufen;
III./ im Anschluss an die unter Punkt II./ geschilderte strafbare Handlung E* schwer am Körper zu verletzen versucht hat, indem er versuchte, ihm einen Fußtritt ins Gesicht zu versetzen, wobei er ihn nur knapp verfehlte;
IV./ am 12. März 2021, wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe, nämlich das unter Punkt II./ angeführte Bajonett, besessen hat, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.
Die verhängte Freiheitsstrafe gilt zufolge § 24 Abs 1 zweiter Satz StGB seit 13. September 2022 als verbüßt, derzeit wird die vorbeugende Maßnahme der (nunmehr:) strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB im forensisch-therapeutischen Zentrum Wien-Mittersteig vollzogen.
Zuletzt wurde mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. September 2024, AZ ** (ON 2), die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen (ON 2).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss (ON 12) stellte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht nach Anhörung des Untergebrachten (ON 11) - in Übereinstimmung mit der Äußerung des Anstaltsleiters (ON 10.1 S 4) und jener der Staatsanwaltschaft (ON 1.6) – im Wesentlichen gestützt auf die Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums Wien-Mittersteig vom 25. August 2025 (ON 10.2) und das im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien eingeholte Gutachten des Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie Univ.Doz. Dr. F* vom 18. Juni 2024 (dort ON 15) fest, dass dessen weitere Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB notwendig sei.
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Beschlussverkündung erhobene (ON 11 S 3) und zu ON 14 ausgeführte Beschwerde des A*, der keine Berechtigung zukommt.
Gemäß § 47 Abs 2 StGB ist die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht. Verlangt wird eine auf bestimmten, taxativ aufgezählten Gründen beruhende günstige Prognose ( Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 47 Rz 2). Der Vollzug der Maßnahme dient dazu, dass sich die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeit nicht realisiert, die Prognose sich demnach nicht erfüllt. Zu dem Zweck wird der Rechtsbrecher angehalten (und bei dieser Gelegenheit behandelt). Zeigt sich im Vollzug einer Maßnahme (§§ 21 bis 23 StGB), dass der der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Gefährlichkeit auch ohne Fortsetzung der Anhaltung wirksam begegnet, die Gefährlichkeit also „hintangehalten“ werden kann, erfordert der Zweck der Maßnahme ihren weiteren Vollzug nicht mehr, die Unterbringung ist nicht mehr „notwendig“ und daher nicht „aufrechtzuerhalten“. Ebensowenig, wie wenn die Befürchtung unter die Grenze hoher Wahrscheinlichkeit zu liegen gekommen wäre, besteht die als Vollzugszweck anzusehende „Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet“, weiter, sobald anzunehmen ist (§ 47 Abs 2 StGB), diese werde auch durch Maßnahmen außerhalb der Anstalt hintangehalten werden können ( Haslwanter , WK² StGB § 47 Rz 6 f mwN). Entsprechend den in § 47 Abs 2 StGB normierten Prüfungskriterien kommen als wichtige, in der Person des Rechtsbrechers gelegene Umstände auch dessen Eigenschaften, früheres Verhalten im Krankheitszustand, seine Krankheitseinsicht und die Gründe für die Begehung zurückliegender Delikte in Betracht ( Haslwanter , WK² StGB § 21 Rz 25 mwN). Zum Vorleben zählt nicht nur mit gerichtlicher Strafe bedrohtes Verhalten. An den Gesundheitszustand können prognostische Erwartungen geknüpft werden; so wird beispielsweise die Befürchtung von Sexualdelinquenz oder Gewaltdelikten davon unzweifelhaft beeinflusst ( Haslwanter , WK² StGB § 47 Rz 13 mwN). Die Befürchtung von Delinquenz, die jener der jeweils geforderten Prognosetat(en) nach Art oder Schwere nicht entspricht, etwa wenn der als gefährlicher Rückfallstäter Untergebrachte, alt geworden, in Zukunft gelegentlich Raufhandel befürchten lässt, steht bedingter Entlassung nicht entgegen. Auch wenn nach den dargelegten Erkenntnisquellen keine hohe Wahrscheinlichkeit der Prognosetat(en) mehr anzunehmen ist, muss bedingt entlassen werden ( Haslwanter , WK² StGB § 47 Rz 14).
Nach dem im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien eingeholten Gutachten des Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie Univ.Doz. Dr. F* vom 18. Juni 2024 (dort ON 15) – das fallbezogen (noch) eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bietet (vgl dazu Pieber, WK² StVG § 162 Rz 18 mwN) - bestehe bei A* „eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD 10, F 61, mit vorrangig schizotypen Zügen, charakterisiert durch wahnhafte, exzentrische Verhaltensweisen, teilweise auch zwanghaften Zügen sowie narzisstischen Anteilen), ein Zustand nach Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD 10, F 10, derzeit abstinent in beschützender Umgebung) sowie ein Zustand nach Polytoxikomanie, derzeit abstinent in beschützender Umgebung (ICD 10, F 19)“ (S 40). Aus forensisch-psychiatrischer Perspektive sei „noch kein ausreichender Gefährlichkeitsabbau eingetreten“, die „duale Diagnose“ (kombinierte Persönlichkeitsstörung in Wechselwirkung mit einer schwerwiegenden Suchterkrankung) impliziere „extrem hohe Rückfallquoten ins Suchtverhalten“, wobei A* zu Substanzen neige, die „auch die Aggressivität steigern“. Eine therapeutische Einbindung bestehe nicht, das statistisch-nomothetische Risiko für einen Rückfall in die Delinquenz sei erhöht, weshalb in „der Zusammenschau […] weiterhin eine positive Gefährlichkeitsprognose zu erstellen“ sei (S 47 f).
Der forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums Wien-Mittersteig vom 25. August 2025 (ON 10.2) ist zu entnehmen, dass beim Untergebrachten – der an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung „mit vorrangig schizotypen Zügen, charakterisiert durch ‚wahnhafte und exzentrische Verhaltensweisen‘ und teilweise auch zwanghaften Zügen“ leide und „[p]sychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ sowie „[p]sychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen“ aufweise (S 11) - ein überdurchschnittlich hohes Rückfallrisiko bestehe (S 12). Im Rahmen des Risikomanagements werde insbesondere der Aufbau eines stabilen, strukturierten, stützend-kontrollierenden sozialen Empfangsraums mit psychiatrischer Verlaufskontrolle essentiell sein. Die entsprechende „Compliance“ sowie auch die Bereitschaft zur Substanzabstinenz werde schrittweise im Vollzugsverlauf zu erarbeiten sein. Eine suchttherapeutische Behandlung sei weiterhin indiziert, aus einer solchen habe der Untergebrachte jedoch aufgrund „mehrfach inadäquatem Verhalten trotz starken Begrenzungen“ ausgeschlossen werden müssen. Die Risikofaktoren seien im Rahmen der Anhaltung bereits mehrmals virulent geworden und würden eine starke Behandlungsnotwendigkeit bei gleichzeitig noch mangelndem Problembewusstsein zeigen. Insgesamt könne eine bedingte Entlassung derzeit nicht empfohlen werden (S 13 f).
Ausgehend von der zitierten, nachvollziehbaren Expertise des Sachverständigen Dr. F* vom 18. Juni 2024 und der dargestellten, gleichfalls nicht in Zweifel zu ziehenden forensischen Stellungnahme (ON 10.2) besteht die einweisungsrelevante schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung des Untergebrachten somit unverändert fort. Unter Mitberücksichtigung der Anlasstaten (II./ und II./) sowie des dem Einweisungserkenntnis zugrunde liegenden schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G* vom 26. April 2021 ([nicht ON 7, sondern] ON 81 in AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien), demzufolge die ungünstige Gefährlichkeitsprognostik in Bezug auf den Untergebrachten bedeute, dass in Zukunft „Taten mit schweren Folgen – wie schwere Körperverletzungen, gefährliche Drohung – mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten seien“ (S 47; vgl auch ON 103 S 12 in AZ **: „gefährliche Drohungen mit dem Tode“), besteht auch die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, weiterhin unverändert. Denn eine bedingte Entlassung ließe vor dem Hintergrund der dargestellten Umstände die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen durch A*, nämlich einer an sich schweren Körperverletzung und/oder einer gefährlichen Drohung mit dem Tod, unter dem maßgeblichen Einfluss seiner Störung in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten. Auch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB sind nicht zu ersehen, weshalb insgesamt die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nicht vorliegen. Vielmehr besteht aufgrund all dieser Umstände (derzeit) die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.
Die Kritik des Beschwerdeführers, ihm sei „die Stellungnahme des FTZ Wien-Mittersteig erst einen Tag vor der Anhörung zugestellt“ worden, „sodass keine Möglichkeit einer angemessenen Vorbereitung auf die Anhörung gegeben“ gewesen sei, geht schon deshalb ins Leere, weil es ihm unbenommen blieb, im Rahmen des – keinem Neuerungsverbot unterliegenden (§ 89 Abs 2b StPO) – Beschwerdeverfahrens auch dazu Stellung zu beziehen (vgl RIS-Justiz RS0129510).
Wenn er weiters vorbringt, er sei „nachweislich therapiewillig“, „jedoch mehrfach aufgrund organisatorischer und personeller Defizite des forensisch-therapeutischen Zentrums nicht in geeignete Programme integriert“ worden, weshalb „von einer mangelhaften therapeutischen Betreuung auszugehen sei“, ist ihm zu erwidern, dass dies – selbst bei Zutreffen – an der noch bestehenden einweisungsrelevanten Gefährlichkeit nichts ändern würde. Dass ihm (seitens der Ergotherapie) „handwerkliches Geschick“ attestiert wurde (ON 10.2 S 9), er den Beschwerdeausführungen zufolge über „Verantwortungsbewusstsein und Kooperationsfähigkeit verfüge“ und „bemüht“ sei, „eine geordnete Lebensperspektive aufzubauen“ sowie Angehörige zu unterstützen, hat ebensowenig einen (maßgeblichen) Einfluss auf die dargestellte Prognose.
Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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