Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 269 Abs 1 erster Halbsatz dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld und Strafe und der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 9. Jänner 2025, GZ ** 21, nach der am 20. Oktober 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Hahn, im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Klammer sowie des Vertreters des Privatbeteiligten Mag. Wappel durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , der wegen des Schuldausspruchs und jenen wegen des Strafausspruchs nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* jeweils eines Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 (zu ergänzen: erster Halbsatz dritter Fall) StGB (A./) und der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 StGB (B./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Dem Schuldspruch zufolge hat A* am 18. Mai 2024 in **
A./ einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er als Lenker eines PKW zur Verhinderung der Identitätsfeststellung und des Vollzugs der ausgesprochenen Festnahme (vgl. US 8) mehrmals die Hand des Polizeibeamten B*, welcher ihm am linken Arm gegriffen hatte, gewaltsam wegschlug bzw. sich gewaltsam losriss, sich gegen das Verbringen aus dem Fahrzeug mit Händen und Füßen massiv wehrte und mehrmals mit den Füßen gegen B* trat und sodann im Zuge seiner Verbringung auf den Gehsteig weiterhin gewaltsam körperlichen Widerstand leistete, sich äußerst aggressiv verhielt und gemeinsam mit dem Polizeibeamten C* und B* zu Boden stürzte, wobei er dort am Rücken fixiert und sodann die Handschellen am Rücken geschlossen werden konnten;
B./ einen Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten am Körper misshandelt und dadurch zumindest fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, indem er im Zuge der unter Spruchpunkt A./ beschriebenen Tathandlung während der Vollziehung der Festnahme nach § 35 VStG insbesondere die Hand von B* mehrmals wegschlug sowie sich gewaltsam dessen Griff am Oberarm entzog, gezielt gegen den Genannten trat sowie mit seinem aggressiven Verhalten und der heftigen körperlichen Gegenwehr gegen die Beamten diese zu Sturz brachte und B* dadurch eine Prellung im rechten Brustbereich, eine Prellung im Bereich des rechten Oberarms, eine leichte Abschürfung am rechten Knie sowie eine leichte Schwellung unterhalb der rechten Kniescheibe zufügte.
Bei der Strafbemessung wertete die Tatrichterin das Zusammentreffen von zwei Vergehen und den Umstand, dass der Widerstand gegenüber zwei Beamten ausgeübt wurde, als erschwerend, mildernd demgegenüber den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, dass die Tatausführung zu Spruchpunkt A./ im Entwicklungsstadium des Versuchs geblieben war.
Gegen dieses Urteil richten sich die unmittelbar nach Entscheidungsverkündung in den Punkten Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 20, 51), in weiterer Folge jedoch in einem als Stellungnahme bezeichneten Schriftsatz nur wegen Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 25) sowie jene der Staatsanwaltschaft wegen des Strafausspruchs, die prozessordnungskonform rechtzeitig angemeldet (ON 1.25) und fristgerecht zur Darstellung gebracht wurde (ON 24).
Keinem der Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.
Auf die Berufung wegen Nichtigkeit war gemäß den §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung noch in dem noch dazu verspätet eingebrachten Schriftsatz ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen wolle. Dem angefochtenen Urteil haftet im Übrigen auch keine gemäß den §§ 290 Abs 1, 471, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit an.
Die Berufung wegen des Schuldausspruchs verschlägt, weil die Erstrichterin in lebensnaher und denkrichtiger Erörterung der Beweisergebnisse der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zutreffend den Glauben versagte. Insbesondere legte sie aufgrund der umfassenden Beweisergebnisse ausführlich dar, aus welchen Gründen sie die Aussage des Angeklagten als durch die Depositionen der Zeugen C* und B* als widerlegt ansah.
Da auch das Berufungsgericht im Rahmen der bei Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, war die Schuldberufung zu verwerfen.
Dieses Schicksal teilen die Berufungen wegen des Strafausspruchs.
Wenn der Angeklagte den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 7 StGB anspricht, vermag er nicht darzustellen, woraus sich die Begehung der Tat aus Unbesonnenheit ableiten lassen sollte.
Da weder aus der Ambulanzkarte des Landesklinikums ** vom 19. Mai 2024 (ON 4.8, 7 f) noch den Lichtbildern (ON 4.11) eine beträchtliche Körperverletzung des A* abgeleitet werden kann, liegt auch der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 19 StGB nicht vor.
Insgesamt vermag der Angeklagte mit seinem Begehren auf Herabsetzung der Sanktion nicht durchzudringen, zumal sich eine auf das Verhalten der Beamten zurückzuführende Eskalation der Situation, sein fehlendes Bewusstsein, dass es sich um Polizeibeamte handelte, und eine nicht bestehende Möglichkeit, mit dem Fahrzeug gleich stehen zu bleiben, weder den erstgerichtlichen Konstatierungen noch dem Akteninhalt entnehmen lässt. Angesichts der den Strafrahmen ohnehin nur zu einem Sechstel ausschöpfenden Sanktion sieht das Berufungsgericht keinen Grund für eine Herabsetzung dieser Unrechtsfolge, weil eine solche sowohl spezial als auch generalpräventiven Überlegungen nicht mehr gerecht werden würde und kommt auch die begehrte Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) nicht in Betracht. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe ist nämlich nötig, um den Rechtsbrecher von weiteren Verfehlungen abzuhalten, weil eine Geldstrafe wie hier ihre „Warnfunktion“ verfehlen würde (vgl
Aber auch die von der Anklagebehörde geforderte Erhöhung der Strafe ist nicht berechtigt.
So kann ein über den Durchschnittsfall hinausgehendes äußerst aggressives und provozierendes Verhalten des Angeklagten im Rahmen der Verkehrskontrolle, das sogar als erschwerender Umstand Berücksichtigung finden hätte sollen, den erstgerichtlichen Tatannahmen nicht entnommen werden. Die leugnende Verantwortung und Uneinsichtigkeit darf wiederum bei der Ausmessung der Strafhöhe entgegen der Ansicht der Berufungswerberin nicht in Anschlag gebracht werden (RIS Justiz RS0090897, insbesondere auch [T10]).
Angesichts eines nicht übermäßigen Gewalteinsatzes des Angeklagten, der auch die Verletzungsfolgen bei B* ausgehend von einem Misshandlungsvorsatz bloß fahrlässig herbeiführte, kann auch mit Blick auf sein erstmaliges strafrechtliches in Erscheinung treten angenommen werden, dass A* durch die vom Erstgericht ausgesprochene sechsmonatige Freiheitsstrafe künftig von weiteren (gleichartigen) Straftaten abgehalten werden wird.
Aufgrund der relativ geringen Tatfolgen und der mangelnden Öffentlichkeitswirksamkeit der Tat gebieten darüber hinaus auch generalpräventive Aspekte keine strengere Sanktion.
Die Berufungen mussten sohin erfolglos bleiben.
Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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