Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache der A*nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 26. September 2025, GZ AZ ** 152.1, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben .
Begründung:
A* wurde mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. September 2020, AZ ** (Auszug aus VJ Register), und des Landesgerichtes St. Pölten vom 3. Mai 2021, AZ ** (ON 8.8), jeweils in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: ein forensisch therapeutisches Zentrum) eingewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als (damals zuständiges) Vollzugsgericht vom 11. Jänner 2024 wurde A* gemäß § 47 StGB mit Wirkung 9. Feber 2024 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Gleichzeitig wurden gemäß § 51 Abs 3 StGB nachstehende Weisungen erteilt: Wohnsitznahme beim Verein B* **, Inanspruchnahme und Nachweis psychiatrischer Kontrolluntersuchungen inklusive einer antipsychotischen Depotmedikation, Fortsetzung der psychopharmakologischen Therapie inklusive regelmäßiger Spiegelkontrollen, absolute Alkoholund Drogenabstinenz mit entsprechenden laborchemischen Kontrollen und psychotherapeutische Behandlung. Weiters wurde ausgesprochen, dass im Rahmen des § 179a StVG die Kosten vom Bund getragen werden, wobei auch der erhöhte Betreuungsbedarf beim Verein B* ** finanziert werde (ON 11). Seit der bedingten Entlassung befand sich die Betroffene im Wohnhaus ** der Einrichtung B* (siehe zuletzt ON 93).
Zuletzt bestimmte das Landesgericht St. Pölten in vier Beschlüssen vom 15. Mai 2025 jeweils nur einen Teil der von der B* gemeinnützige GmbH geltend gemachten Betreuungskosten und wies das darüberhinausgehende Mehrbegehren ab (ON 109 bis ON 112). Den dagegen erhobenen Beschwerden gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 26. Juni 2025 (AZ 31 Bs 153/25i ua, ON 132.1) nicht Folge.
Mit Eingabe vom 18. August 2025 teilte die B* gemeinnützige GmbH dem Erstgericht mit, dass aufgrund der zuletzt genannten Beschlüsse der erhöhte Betreuungsaufwand der A* „nicht anerkannt“ werde. Da eine weniger intensive Betreuung von Frau A* nicht vertretbar sei und eine intensivere Betreuung nicht finanziert werde, kündige die B* gemeinnützige GmbH mit diesem Schreiben die Betreuung von A*, die somit spätestens am 30. September 2025 ende (ON 139). Am 22. September 2025 teilte die Bewährungshelferin mit, dass kein Wohnplatz bis zum Fristende 30. September 2025 gefunden werden konnte (ON 149).
Mit dem angefochtenen Beschlussänderte das Landesgericht St. Pölten die erteilte Weisung, für die Dauer der Probezeit den Wohnsitz beim Verein B* ** zu nehmen, dahingehend ab, dass sich die Betroffene nach Wirksamwerden der Aufkündigung der B* gemeinnützige GmbH „unverzüglich in stationäre Behandlung in Form geschlossener Anhaltung oder Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Sinne des § 2 Abs 1 UbG zu begeben“ habe. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sämtliche Versuche der Bewährungshelferin und des Erwachsenenvertreters, einen anderen geeigneten Betreuungsplatz zu finden, gescheitert seien. Das Kündigungsschreiben seitens der B* gemeinnützige GmbH bezüglich eines Vertrages, dessen Vertragspartner nicht das Landesgericht St. Pölten als Vollzugsgericht sei, könne lediglich informativer Natur sein. Jedenfalls sei aber davon auszugehen, dass die Betroffene der ihr erteilten Wohnweisung nicht mehr nachkommen werden könne. Die derzeit einzige Möglichkeit, die drohende Obdachlosigkeit zu verhindern, sei die spruchgegenständliche Abänderung der Wohnsitzweisung.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Betroffenen (ON 159).
Gemäß § 50 Abs 1 StGB hat das Gericht (unter anderem) bei bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme Weisungen zu erteilen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Gemäß § 51 Abs 2 StGB kann dem Rechtsbrecher unter anderem aufgetragen werden, in einem bestimmten Heim zu wohnen. Nach § 51 Abs 3 StGB kann dem Rechtsbrecher mit seiner Zustimmung unter den Voraussetzungen des Abs 1 auch die Weisung erteilt werden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Eine medizinische Behandlung in diesem Sinn ist jede auf medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete eigenverantwortliche Ausführung der in § 2 Abs 2 Z 1 bis 8 ÄrzteG angeführten Tätigkeiten, insbesondere die Untersuchung, Beurteilung und Behandlung von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Anomalien, die krankhafter Natur sind, sowie die Vornahme von operativen Eingriffen einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut ( Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 51 Rz 39).
Die im gegenständlichen Fall erteilte Weisung, sich in stationäre Behandlung in Form geschlossener Anhaltung oder Beschränkung einer Bewegungsfreiheit zu begeben, stellt unzweifelhaft eine Weisung zu einer (wie oben ersichtlich aber zustimmungspflichtigen) medizinischen Behandlung dar (siehe dazu auch 14 Os 17/89 = SSt 60/58). Der Verweis des Erstgerichtes auf eine Judikaturstelle ( Haslwanter in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 54 Rz 9/1) geht diesbezüglich fehl, da dort bloß die hier gar nicht in Rede stehenden Voraussetzungen eines Widerrufes der bedingten Entlassung thematisiert werden.
Anlässlich der bedingten Entlassung hatte sich die Betroffene mit allen damals von der Justizanstalt vorgeschlagenen (ON 8.5, 3) Weisungen einverstanden erklärt (ON 10, 2). Zu der nunmehr geplanten Abänderung war sie aber nicht befragt worden. Schon mangels Vorliegens einer Zustimmung der Betroffenen zu der konkreten, zudem massiv freiheitsbeschränkenden Weisung war der Beschluss daher zu kassieren.
Es bleibt festzuhalten, dass gemäß § 51 Abs 4 StGB Weisungen auch nachträglich zu erteilen oder erteilte Weisungen zu ändern oder aufzuheben sind, soweit dies nach § 50 StGB geboten scheint. Daher erscheint grundsätzlich eine Änderung der ursprünglich erteilten Weisung, in der Einrichtung der B* gemeinnützige GmbH zu wohnen, aufgrund mangelnden Einverständnisses jener Einrichtung zwar angezeigt. Doch kann eine Abänderung der ursprünglich erteilten Weisung erst dann sinnvoll sein, wenn eine gesetzeskonforme Alternative zur Verfügung steht. Nach derzeitigem Sachstand käme im Übrigen ein Widerruf der bedingten Entlassung mangels Mutwilligkeit der Betroffenen (§§ 54 Abs 1, 53 Abs 2 StGB) ohnehin nicht in Betracht.
Weiters ist festzuhalten, dass eine Unterbringung nur unter den Voraussetzungen des Unterbringungsgesetzes erfolgen kann, wobei gemäß §§ 12 ff UbG eine gerichtliche Überprüfung durch das örtlich zuständige Bezirksgericht zu erfolgen hat. Eine mittelbare Anordnung einer solchen Unterbringung durch das Vollzugsgericht kommt hingegen keinesfalls in Betracht.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
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