Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugsache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 18. September 2025, GZ ** 15.2, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassung des A* zum 29. November 2025 angeordnet.
Die Probezeit wird gemäß § 48 Abs 1 StGB mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß § 50 Abs 2 Z 3 StGB wird für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.
Begründung:
Der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Stein die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** wegen des Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 29. März 2027, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 29. November 2025 vorliegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems a.d. Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafzeit aus spezialpräventiven Erwägungen ab.
Dagegen richtet sich dessen rechtzeitige Beschwerde (ON 18.1, 21.2), der Berechtigung zukommt.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafen oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Dabei erfordert die Prognose künftigen Verhaltens eine Gesamtschau aller hiefür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek in WK 2 StGB § 46 Rz 15, 15/1).
Mit Neufassung der Voraussetzungen der bedingten Entlassung durch das StRÄG 2008 verfolgte der Gesetzgeber die Zielsetzung, erhöhte Sicherheit bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Haftverbüßung zu erreichen. Der Schwerpunkt der Änderungen lag vor allem in der verstärkten Betreuung und Kontrolle nach der Haftentlassung, wobei Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB in den Vordergrund gerückt werden, um in der für Rückfälle kritischen Phase nach der Haftentlassung und Reintegration in die Gesellschaft ein Gegengewicht zu der breiteren Formulierung der Kriterien für die bedingte Entlassung zu schaffen und um durch zu erstellende Prognosen darüber zu befinden, inwieweit durch solche Maßnahmen eine zukünftige Deliktsfreiheit erreicht bzw die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen substituiert werden kann (EBRV 302 BlgNR XXIII.GP, S 7). Der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe soll hingegen auf (Ausnahme-)Fälle des evidenten Rückfallsrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek aaO Rz 17).
Der Strafgefangene verbüßt die vollzugsgegenständliche Strafe als erste Verurteilung im Erstvollzug.
Wie das Erstgericht zutreffend zur Darstellung brachte, teilten der Leiter der Justizanstalt Stein und der Psychologische Dienst in ihren Stellungnahmen (ON 3, ON 8) mit, dass der Strafgefangene aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und des wegen pulmonaler Probleme indizierten medizinischen Behandlungsbedarfs (er ist auf einem Auge fast blind und benötigt ein Sauerstoffgerät) in der Krankenabteilung im Erstvollzug geführt wird. Er sei führungsgemäß nicht negativ in Erscheinung getreten, Ordnungswidrigkeiten lägen keine vor. Aufgrund des verurteilten Delikts wäre eine deliktsspezifische Psychotherapie indiziert, welche jedoch aufgrund der massiven Sprachbarriere nicht geplant bzw. umsetzbar sei.
Die Begutachtungs und Evaluationsstelle für Gewalt und Sexualstraftäter (BEST, ON 10) attestiert dem Strafgefangenen nach statistisch nomothetischem Kriminalprognose Screening ein unterdurchschnittliches Risiko für die Begehung eines neuerlichen Sexualdelikts, das Risiko für allgemeine Gewaltdelikte sei niedrig. Ebenso sei sein derzeitiger Gesundheitszustand als risikovermindernd zu sehen. Bei einer bedingten Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt wäre üblicherweise das Risiko nicht höher als beim weiteren Vollzug der Strafe, vorausgesetzt eine über die Haft hinausgehende Betreuung wäre möglich, wobei die Umsetzung solcher Maßnahmen von weiteren fremdenrechtlichen Schritten
Daraus folgt, dass, selbst unter Erwägung, dass der Strafgefangene das Delikt nach wie vor leugnet und keine Compliance zur Deliktsverarbeitung zeigt, konkrete Anhaltspunkte für ein von der Judikatur für den weiteren Vollzug gefordertes evidentes Rückfallsrisiko gerade nicht gegeben sind.
Dass das Vorliegen eines sozialen Empfangsraums der Strafgefangene könnte weiterhin bei seinem Neffen, der ihn laut Anstaltsleitung auch regelmäßig besucht, wohnen gegeben ist, aggraviert dieses Kalkül.
Daraus, im Verband mit den Stellungnahmen ist die Annahme indiziert, dass das bisher verbüßte Haftübel soweit präventive Wirkung erzielen konnte, dass eine bedingte Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt nicht weniger als die weitere Verbüßung der restlichen Strafe geeignet ist, A* von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Die Anordnung der Beigebung der Bewährungshilfe gründet in den bezogenen Gesetzesstellen.
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