Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des DI A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. September 2025, GZ **-9, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene deutsche Staatsangehörige DI A* verbüßt in der Justizanstalt Wien-Josefstadt eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. September 2023, AZ **, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster, dritter und fünfter Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I.), des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (II.), des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (III.), des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB (IV.), der Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (V.) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (VI.) verhängte (ON 6), mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 8. März 2024, AZ 21 Bs 383/23m, erhöhte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren (ON 7).
Das errechnete Strafende fällt auf den 25. Juli 2028. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 25. Juli 2025 vor, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden ab 25. Juli 2026 erfüllt sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG (ON 2) zum Hälftestichtag aus generalpräventiven Erwägungen ab.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des DI A* (ON 10), der keine Berechtigung zukommt.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist nach § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3). Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit).
In Bezug auf den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges unbefristetes Aufenthaltsverbot (ON 4.3, ON 4.4), er erklärte sich auch bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 4.7); Anhaltspunkte dafür, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommen werde, liegen nicht vor. Auch stehen der Ausreise des Beschwerdeführers nach dem Akteninhalt weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen.
Die Anwendung des § 133a StVG schon nach der Hälfte der Strafzeit kommt jedoch aus generalpräventiven Erwägungen (Tatschwere) nicht in Betracht.
Das zu prüfende und vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt Kriterium der Tatschwere ist aufgrund des Ausnahmecharakters restriktiv auszulegen (vgl Birklbauer , SbgK § 46 Rz 73) und stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots aus generalpräventiven, sich aus der Schwere der Taten ergebenden Gründen setzt gewichtige Umstände voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Taten ableitbar sein ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 46 Rz 16; Pieber , WK² StVG § 133a Rz 18). Bezugspunkt der generalpräventiven Erforderlichkeitsprüfung ist somit nicht nur die auf die Anlasstaten angewendete rechtliche Kategorie, sondern es sind auch die konkreten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen.
Mit Normierung eines Strafrahmens der dem Strafvollzug zu Punkt I./ zugrunde liegenden Verurteilung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bringt der Gesetzgeber zunächst eine Vorbewertung zum Ausdruck, wonach das (strafsatzbestimmende) Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster, dritter und fünfter Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB einen hohen sozialen Störwert aufweist.
Vorliegendenfalls hat der Strafgefangene gewerbsmäßige Betrugshandlungen im Februar und September 2003 sowie im Zeitraum zwischen August 2010 und Juli 2022 in ca 150 Angriffen und doppelter Überschreitung der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB begangen (siehe im Detail ON 6, 2 ff; ON 7, 2 ff). Damit liegen insgesamt Umstände vor, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von regelmäßig vorkommenden, weniger organisierten Betrugshandlungen deutlich und auffallend abheben und nach den oben dargelegten Kriterien insgesamt eine Schwere der Tat begründen, die im Sinne des § 133a StVG aus generalpräventiven Gründen ausnahmsweise des Vollzugs über die Hälfte der Strafzeit hinaus bedarf, um potenzielle Nachahmungstäter aus dem Verkehrskreis des Verurteilten von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten und die generelle Normtreue zu festigen.
Der Beschwerdeführer vermag diesem negativen Kalkül in seiner Beschwerde keine stichhaltigen Argumente entgegenzusetzen.
Zu dem ins Treffen geführten Budgetbegleitgesetz 2025, BGBl I 25/2025, wonach § 46 Abs 2 StGB mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2026 aufgehoben wird und damit generalpräventive Erwägungen nicht mehr zu beachten seien, ist einerseits festzuhalten, dass die genannte Bestimmung bis zu ihrem Ablauf grundsätzlich weiterhin in Geltung ist, und andererseits, dass die fallbezogen maßgebliche und anzuwendende Bestimmung des § 133a Abs 2 StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2025, BGBl I 25/2025, unverändert bleibt.
Das weitere Beschwerdevorbringen des Strafgefangenen betreffend sein ordnungsgemäßes Vollzugsverhalten und die Pflege eines Mithäftlings betrifft individualpräventive Aspekte, die jedoch bei einer Entscheidung nach § 133a StVG nicht schlagend sind.
Da der angefochtene Beschluss der Sach und Rechtslage entspricht, ist der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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