Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin Mag. Wilder und die Richterin Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache der Mag. A* über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Juni 2025, GZ **-79, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 3. Jänner 2023, AZ **, wurde Mag. A* gemäß § 47 Abs 2 StGB mit 10. Jänner 2023 aus der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Soweit hier relevant, wurde ihr die Weisung erteilt, in einer geeigneten Wohneinrichtung (entsprechend „WOBES **“) Wohnsitz zu nehmen, die dortige Hausordnung einzuhalten und an tagesstrukturierenden Maßnahmen, zB BIWOG, teilzunehmen (ON 11). Mit Beschluss vom 1. Juni 2023 änderte das nunmehr als Vollzugsgericht zuständige (§ 179 Abs 1 StVG) Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ **, die erteilte Weisung dahin ab, dass der Betroffenen die Wohnsitznahme in einer geeigneten Nachsorgeeinrichtung (entsprechend einer teilbetreuten Einzelwohnung des Vereins WOBES in **) samt Einhaltung der dortigen Hausordnung und Teilnahme an tagesstrukturierenden Maßnahmen, zB BIWOG, aufgetragen wurde (ON 28).
Weder der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 3. Jänner 2023 (ON 11) noch jener des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. Juni 2023 (ON 28) enthält einen Ausspruch über die Kostenübernahme nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG. Tatsächlich wurden die Kosten der oben genannten Weisung aber durch das Vollzugsgericht aus Bundesmitteln bis einschließlich des ersten Quartals 2025 angewiesen (siehe ON 77). Gleichzeitig mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses verfügte die Erstrichterin aber am 17. Juni 2025: „nachstehende Rechnungen aus System löschen: ON 68+75 [betrifft die Abrechnung des Vereins WOBES für den Zeitraum ab 1. Oktober 2024]“ (ON 80).
Nachdem das Erstgericht eine Auskunft der Österreichischen Gesundheitskasse vom 30. Jänner 2025 (ON 71) eingeholt hatte, der zufolge die Betroffene Rehabilitationsgeld (in unterschiedlicher Höhe, zuletzt seit 1. Jänner 2025 von 42,47 Euro brutto täglich) beziehe, sprach es mit dem angefochtenen Beschluss (ON 79) aus, dass die Kosten des Aufenthalts in der therapeutischen Wohneinrichtung WOBES ab 1. Oktober 2024 [rückwirkend] vom Bund gemäß § 179a Abs 2 StVG nur mehr teilweise übernommen werden (Punkt 1./), die bedingt Entlassene den 700 Euro monatlich übersteigenden Teil ihres Nettoeinkommens zu den Kosten der therapeutischen Wohneinrichtung beizutragen habe (Punkt 2./), der Restbetrag gemäß § 179a Abs 3 StVG vom Bund übernommen werde und dem Gericht quartalsweise eine entsprechende Abrechnung samt Einkommensnachweisen vorzulegen sei (Punkt 3./).
Begründend führte das Erstgericht aus, eine im vierten Quartal 2024 durchgeführte Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse habe ergeben, dass die Betroffene Rehabilitationsgeld in Höhe von 42,47 Euro brutto täglich (monatlich rund 1.270 Euro) beziehe. Sie sei daher nicht in der Lage, die gesamten im Zusammenhang mit der Erfüllung der Weisungen entstandenen Kosten zu tragen, wohl aber einen Teil davon. Da die Wohnkosten (einschließlich Strom, Gas, Warmwasser und Heizung) vollständig gedeckt seien, erachtete die Erstrichterin einen monatlichen Betrag von 700 Euro für die Bestreitung des sonstigen Lebensunterhalts (Nahrung, Kleidung, Pflege sowie soziale und kulturelle Teilhabe) als angemessen.
Die dagegen erhobene rechtzeitige Beschwerde der Mag. A* (ON 81) ist berechtigt.
Nach § 179a Abs 2 StVG hat der Bund, wenn einem bedingt Entlassenen die Weisung erteilt wurde, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, die Kosten der Behandlung oder des Aufenthalts ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn der Entlassene keinen Anspruch auf entsprechende Leistung aus einer Krankenversicherung hat und die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschweren würde.
Grundsätzlich hat der bedingt Entlassene die mit der Erfüllung der ihm erteilten Weisung verbundenen Kosten selbst zu tragen ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2 StVG § 179a Rz 3; RIS-Justiz RS0132825). Nur das kumulative Vorliegen beider in § 179a Abs 2 StVG genannten Voraussetzungen (kein Anspruch auf entsprechende Leistungen aus der Krankenversicherung und Erschwerung des Fortkommens durch die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten) begründet die Kostenübernahmeverpflichtung des Bundes (14 Os 84/14f; 13 Os 77/19a; RIS-Justiz RS0132825). Bei der nach § 179a Abs 2 erster Satz StVG gebotenen Beurteilung, ob durch die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten das Fortkommen des bedingt Entlassenen erschwert würde, ist auch dessen Vermögen in Anschlag zu bringen (RIS-Justiz RS0132826; 13 Os 77/19a). Die Kosten sind nur teilweise zu übernehmen, wenn der Betroffene selbst in der Lage und daher auch verpflichtet ist, einen Teil der Kosten ohne Erschwerung seines Fortkommens zu tragen ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK² StVG § 179a Rz 3).
Die Frage der Kostentragung soll nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung berücksichtigt werden. Das Gericht hat sich daher nach dem Zweck der Bestimmung des § 179a Abs 2 letzter Satz StVG zum Zeitpunkt der Weisungserteilung mit der Kostendeckung auseinanderzusetzen und dem Rechtsbrecher mitzuteilen, ob eine spätere Kostentragung durch den Bund aus Sicht des Gerichts vorstellbar ist. Für einen solchen auf die Zukunft gerichteten Ausspruch gilt die Umstandsklausel. Ändern sich danach die Umstände nicht wesentlich, steht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Ausspruchs nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG einer neuerlichen Entscheidung über die Kostenersatzpflicht des Bundes dem Grunde nach – auch nach einem Zuständigkeitsübergang nach § 179 Abs 1 StVG – entgegen und ist in der Folge nur noch über das Ausmaß der zu ersetzenden Kosten zu entscheiden. Der mit einer Weisung verbundene Kostenausspruch unterliegt somit der clausula rebus sic stantibus (vgl Pieber in Höpfel/Ratz , WK² StVG § 179a Rz 8; Drexler/Weger , StVG 5 § 179a Rz 6).
Das Erstgericht ist daher grundsätzlich berechtigt, die Frage der Kostenübernahme förmlich zu regeln. Eine solche erstmalige Entscheidung kann – anders als die Änderung eines bereits rechtskräftigen Kostenausspruchs – auch ohne nachweisliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgen.
Jedoch fehlt im angefochtenen Beschluss, der der Betroffenen auch eine rückwirkende und mehrere tausend Euro umfassende Zahlungsverpflichtung auferlegt, eine hinreichende Auseinandersetzung mit der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 179a Abs 2 StVG, nämlich der Frage, ob die angeordnete Teilzahlung deren Fortkommen erschwert. Das Erstgericht hat weder zu - allenfalls neben Fixkosten bestehenden - sonstigen finanziellen Verpflichtungen der Betroffenen noch zu allfälligen Vermögenswerten (vgl dazu ON 3 S 9) Feststellungen getroffen. Ohne diese Grundlagen kann aber nicht beurteilt werden, ob die rückwirkende Zahlungsverpflichtung sowie die festgesetzte künftige Eigenleistung das Fortkommen der Rechtsmittelwerberin erschweren würde. Im Übrigen wurde dieser vor Beschlussfassung auch entgegen § 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 und § 180 Abs 1 StVG keine Möglichkeit eingeräumt, zu einer bloß teilweisen Kostenübernahme durch den Bund Stellung zu beziehen.
Da die Sachverhaltsgrundlagen in diesem Punkt somit unzureichend sind, ist in Stattgebung der Beschwerde mit Aufhebung des bekämpften Beschlusses und Zurückverweisung an die erste Instanz vorzugehen (§ 17 Abs 1 Z 3 und § 180 Abs 1 StVG iVm § 89 Abs 2a Z 3 StPO). Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze festzustellen haben, ob und in welchem Ausmaß eine Eigenleistung der Beschwerdeführerin ohne Beeinträchtigung ihres Fortkommens zumutbar ist. Erst auf dieser Basis kann beurteilt werden, ob und in welchem Umfang eine anteilige Kostenbeteiligung gerechtfertigt ist.
Schließlich erweist sich Punkt 3./ des bekämpften Beschlusses, mit welchem festgelegt wird, dass quartalsweise eine Abrechnung und Einkommensnachweise vorzulegen sind, als zu unbestimmt, wurde doch weder im Spruch noch in der Begründung konkretisiert, an welchen Adressaten sich diese Verpflichtung richtet noch was unter einer „entsprechenden Abrechnung“ zu verstehen ist.
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