Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 16. September 2025, GZ ** 16, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene russische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit – teils aufgrund Widerrufs zunächst gewährter bedingter Strafnachsicht - in der Justizanstalt Hirtenberg vier Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von drei Jahren und elf Monaten, und zwar
- die mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Jänner 2023, AZ **, wegen §§ 15, 299 Abs 1; 127, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, 130 Abs 1 erster Fall; 297 Abs 1 zweiter Fall StGB verhängte Freiheitsstrafe von 20 Monaten (ON 10),
- die mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. November 2022, AZ **, wegen §§ 105 Abs 1; 99 Abs 1; 83 Abs 1 StGB verhängte (Zusatz-)Freiheitsstrafe von fünf Monaten (ON 12),
- die mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 7. Mai 2021, AZ **, wegen §§ 15, 297 Abs 1 zweiter Fall; 105 Abs 1; 15, 84 Abs 4 StGB verhängte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (ON 13) und
- den mit rechtskräftigem Urteil vom 6. November 2019, AZ **, wegen §§ 83 Abs 1; 229 Abs 1; 223 Abs 2, 224 StGB zunächst bedingt nachgesehenen Strafteil von zehn Monaten (ON 11).
Das errechnete Strafende fällt auf den 26. August 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 12. September 2024 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG seit 4. Mai 2025 (ON 5).
Nachdem die bedingte Entlassung des Strafgefangenen (erkennbar) zum Zwei Drittel Stichtag mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. März 2025, AZ **, nach antragsgemäßer Anhörung abgelehnt worden war, beantragte der Verurteilte neuerlich seine bedingte Entlassung (ON 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* abermals aus spezialpräventiven Gründen ab und stützte sich begründend insbesondere auf das einschlägig getrübte Vorleben des Strafgefangenen sowie die Wirkungslosigkeit bisher verhängter Sanktionen und gewährter Resozialisierungsmaßnahmen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die unmittelbar nach Beschlussausfolgung und damit rechtzeitig erhobene (ON 17, 2), fristgerecht ausgeführte Beschwerde des A* (ON 19).
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm nach § 46 Abs 1 StGB der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.
Nach Abs 2 leg cit ist für den Fall, dass ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat, dieser trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Dabei ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Die Anwendung des Rechtsinstituts der bedingten Entlassung soll nach erkennbarer Intention des Gesetzgebers der Regelfall sein, der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hingegen auf (Ausnahme-)Fälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben (
Vorauszuschicken ist, dass ein Beschluss, mit dem ein Antrag auf Gewährung der bedingten Entlassung rechtskräftig abgewiesen wird, grundsätzlich Einmaligkeitswirkung entfaltet und ein Entlassungsantrag nicht beliebig oft wiederholt werden kann. Ein auf Grundlage identischer Verhältnisse neuerlich eingebrachter Antrag ist a limine wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Allerdings wohnt ablehnenden Entscheidungen über die bedingte Entlassung die Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus) inne. Eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Umstände erlaubt trotz rechtskräftiger Entscheidung eine neuerliche meritorische Prüfung. Als relevante Umstände kommen insbesondere seit der letzten Entscheidung eingetretene oder dem Gericht bei der letzten Entscheidung unbekannt gewesene, zur Erfüllung der materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung grundsätzlich geeignete neue Tatsachen, eine Änderung der Gesetzeslage oder die einer solchen nahekommende Änderung fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze oder eine wesentliche Veränderung der zeitlichen Umstände in Betracht ( Pieber in WK 2StVG § 152 Rz 31 f).
Fallbezogen sind seit der letzten Entscheidung mehr als sechs Monate verstrichen, weshalb mit Blick auf das Ausmaß der zu verbüßenden Strafe eine wesentliche Änderung der zeitlichen Umstände eingetreten ist (vgl Pieber aaO § 152 Rz 33), die eine neuerliche inhaltliche Prüfung erlaubt.
Den vollzugsgegenständlichen Urteilen (ON 10 bis 13) und der Strafregisterauskunft (ON 6) ist zu entnehmen, dass der Strafgefangene vor den dem Vollzug zugrundeliegenden Verurteilungen drei einschlägige Vorverurteilungen aufwies, bereits einmal das Haftübel verspürte und ihm in der Vergangenheit auch die Rechtswohltaten der bedingten Strafnachsicht – teils samt begleitender Maßnahmen wie der Anordnung von Bewährungshilfe - und der bedingten Entlassung gewährt wurden.
Keine dieser Maßnahmen vermochte ihn jedoch davon abzuhalten, mehrfach neuerlich einschlägig zu delinquieren.
Diesem negativen Kalkül hat der Beschwerdeführer weder mit seinem Antragsvorbringen, wonach er zu den von ihm begangenen Straftaten stehe und diese bereue, noch mit seiner Beschwerde etwas Stichhaltiges entgegenzusetzen, zumal sowohl eine behauptete Wohnmöglichkeit als auch ein möglicher Arbeitsplatz unbescheinigt blieben.
Dazu kommt, dass es dem Rechtsmittelwerber zuletzt nicht einmal mehr während der Anhaltung gelang, sich regelkonform zu verhalten, sodass am 4. Juni 2025 eine Geldbuße wegen massiver Alkoholisierung über ihn verhängt werden musste (ON 8). Aus der Stellungnahme des psychologischen Dienstes ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass bislang zwar eine Auseinandersetzung mit dem Gewaltdelikt erfolgte, die Suchterkrankung (Alkoholabusus) jedoch weiterhin ein Risikofaktor ist (ON 14.3).
Damit ergibt sich schon aus dem massiv getrübten Vorleben, dem zuletzt nicht ordnungsgemäßen Führungsverhalten und der gänzlichen Wirkungslosigkeit der bereits zuvor erfahrenen Sanktionen samt gewährter, jedoch ungenutzt gebliebener Resozialisierungschancen, dass die für eine bedingte Entlassung geforderte Annahme, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung auch unter Berücksichtigung begleitender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werde, derzeit nicht gerechtfertigt ist und vielmehr von einem erheblichen Rückfallsrisiko auszugehen ist.
Soweit der Strafgefangene in seiner Beschwerde Umstände aus einem derzeit gegen ihn anhängigen weiteren Strafverfahren anspricht, betreffen diese keine für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Umstände.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG).
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