Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* B*wegen Widerrufs einer bedingten Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 47 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. September 2025, GZ **-117, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23. Oktober 2020, AZ **, wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* B* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: in ein forensisch-therapeutisches Zentrum [in der Folge: FTZ]) eingewiesen, wobei diese Einweisung zunächst gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen wurde, weil er am 12. Juli 2020 in ** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie und einer psychischen Verhaltensstörung in Folge schädlichen Alkohol- und Substanzmissbrauchs, C* B* mit zumindest einer Verletzung am Körper und am Vermögen gefährlich bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ankündigte, er werde ihn umbringen, ihm die Nase brechen und dessen Wohnung im Mehrparteienhaus niederbrennen, wobei er die gefährliche Drohung beging, indem er mit einer Brandstiftung drohte, somit eine Handlung begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist und die ihm, wäre er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB zuzurechnen wäre (ON 67).
Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 1. Dezember 2021 wurde die bedingte Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 54 Abs 1 StGB widerrufen, im Wesentlichen mit der Begründung, dass A* B* trotz erfolgter persönlicher Belehrung durch das Gericht Weisungen mutwillig und wiederholt nicht befolgt habe und wieder gewalttätig geworden sei, weshalb vom Fortbestehen der besonderen Gefährlichkeit auszugehen sei (ON 66).
Ab 14. Februar 2022 wurde die Maßnahmen gemäß § 21 Abs 1 StGB im (nunmehr:) FTZ ** vollzogen (ON 4 S 1). Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 26. April 2024, AZ **, wurde die bedingte Entlassung aus der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB bewilligt und er am 3. Mai 2024 aus dem FTZ ** entlassen, die Probezeit mit fünf Jahren bestimmt und neben der Anordnung von Bewährungshilfe die Weisung erteilt, in einer geeigneten Wohneinrichtung Wohnsitz zu nehmen, die dortige Hausordnung einzuhalten, an der ** Tagesstruktur teilzunehmen, regelmäßig fachärztlich-psychiatrische Kontrollen und Behandlungen in Anspruch zu nehmen, die verordnete Medikation einzunehmen, die Verabreichung der neuroleptischen Depotinjektion und die Überprüfung mit Blutspiegelkontrollen zu akzeptieren, eine Psychotherapie in einer geeigneten Einrichtung in Anspruch zu nehmen und sich von Alkohol, Drogen und sonstigen psychoaktiven Substanzen abstinent zu halten (ON 9).
A* B* nahm in der Folge weisungsgemäß (weiterhin, vgl ON 19) in der WOBES in **, Wohnsitz, absolvierte regelmäßig Therapiesitzungen beim Grünen Kreis (ON 16, S 3; ON 19, S 3; ON 28; ON 35) und hielt die ihm erteilten Weisungen ein.
Mit Eingabe vom 20. Jänner 2025 (ON 40) teilte WOBES dem Erstgericht den „starken Verdacht“ mit, dass B* psychoaktive Substanzen konsumiere und sich sein psychisches Zustandsbild in letzter Zeit verschlechtert habe. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung sei ein nicht zugelassenes Medikament gefunden worden.
Nach förmlicher Mahnung im Rahmen einer Anhörung durch das Vollzugsgericht am 13. Februar 2025 (ON 45), meldete WOBES am 18. Februar 2025 erneut den „starken Verdacht“ der Konsumation illegaler Substanzen (ON 47 S 3). Nach neuerlicher Meldung durch WOBES, dass B* positiv auf Amphetamine getestet worden sei (ON 50 S 3), wurde er vom Erstgericht mit Note vom 20. März 2025 auf den abermaligen Weisungsverstoß durch förmliche Mahnung hingewiesen (ON 51). Aufgrund einer neuerlichen positiven Testung auf Amphetamine wurde seitens WOBES der Erhalt des Wohnplatzes von der Absolvierung einer stationären Drogentherapie abhängig gemacht (ON 59, S 3). Nach erneuter Entdeckung eindeutiger Hinweise auf den Konsum illegaler Substanzen kündigte WOBES am 19. Mai 2025 den Wohnplatz schließlich mit sofortiger Wirkung auf (ON 63) und erfolgte vom Vollzugsgericht am 25. Mai 2025 eine weitere förmliche Mahnung (ON 71).
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit welchem B* von Univ. Doz. Dr. D* eine positive Gefährlichkeitsprognose attestiert sowie festgehalten wurde, dass die Gefährlichkeit nur intramural hintangehalten und eine weitere Phase einer bedingten Nachsicht der Maßnahme nicht empfohlen werden könne (ON 79), beantragte die Staatsanwaltschaft den Widerruf der bedingten Entlassung gemäß § 54 Abs 1 StGB und die Verhängung der Widerrufshaft gemäß § 180 Abs 3 StVG iVm § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO (ON 1.79). Mit Beschluss vom 8. Juni 2025 verhängte das Erstgericht über A* B* Widerrufshaft gemäß § 180 Abs 3 StVG iVm § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO (ON 86, S 3; ON 87) und wurde A* B* am 15. Juli 2025 von einer Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien zum Widerrufsantrag gehört (ON 93).
Mit Beschluss vom 24. Juli 2025 (ON 99) widerrief ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts für Strafsachen Wien, welchem die Einzelrichterin, welche die Anhörung am 15. Juli 2025 durchführte, nicht angehörte, die bedingte Entlassung des A* B* aus der mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt zu AZ ** angeordneten Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Der dagegen von B* erhobenen Beschwerde wurde mit hg. Entscheidung vom 8. August 2025 (23 Bs 220/25h; ON 107) Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung durch persönliche Anhörung des Betroffenen in der gesetzlich vorgesehenen Besetzung, nämlich vom gesamten zur Entscheidung berufenen Senat, aufgetragen.
Nach Einholung einer fachkundigen Äußerung von Univ. Doz. Dr. D* vom 2. September 2025 (ON 113) und Anhörung des A* B* durch den zur Entscheidung berufenen Drei-Richter-Senat des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 19. August 2025 (ON 114) widerrief dieser mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. September 2025 (ON 117) die bedingte Entlassung des A* B* aus der mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt zu AZ ** zunächst bedingt angeordneten, in der Folge jedoch widerrufenen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des A* B* (ON 119; ON 121), der keine Berechtigung zukommt.
Gemäß § 54 Abs 1 StGB ist die bedingte Entlassung aus einer der in den §§ 21 bis 23 StGB bezeichneten Anstalten unter den in § 53 StGB genannten Voraussetzungen zu widerrufen, wenn sich aus den dort genannten Umständen ergibt, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, noch besteht.
Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht und dies nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Demnach ist die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug zu widerrufen, wenn eine der in § 53 StGB genannten Widerrufsvoraussetzungen vorliegt, die die Unterbringungsanordnung tragende Gefährlichkeit fortbesteht und die Annahme nicht zu rechtfertigen ist, dass diese außerhalb des Maßnahmenvollzugs „hintangehalten“ (mit anderen Worten: der Vollzug substituiert) werden kann. Falls sich der Fortbestand der Gefährlichkeit manifestiert, ohne dass die Maßnahme substituierbar wäre, ist der Widerruf somit zwingend. Die Gefährlichkeit muss sich also aus dem Umstand der – trotz förmlicher Mahnung mutwilligen – Nichtbefolgung von Weisungen bzw aus der beharrlichen Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers ergeben, dieser muss also symptomatisch für den Fortbestand der Gefährlichkeit sein. Nicht verlangt ist jedoch, dass die Befürchtung daraus allein abgeleitet werden kann ( Haslwanter , WK 2StGB § 54 Rz 4 ff).
Der Widerruf kann überdies nur erfolgen, wenn die Weisung mutwillig, und nicht etwa aus Nachlässigkeit oder Fahrlässigkeit (vgl dazu Jerabek/Ropper
Sämtliche Voraussetzungen für einen Widerruf liegen gegenständlich vor.
Der zuletzt eingeholten gutachterlichen Stellungnahme (ON 113) ist zu entnehmen, dass bei A* B* nach wie vor eine ungünstige Kombination aus Schizophrenie und Abhängigkeitserkrankung bestehe und es vielfältige negative Wechselwirkungseffekte und Verstärkereffekte gäbe. Aufgrund von Weisungsbrüchen trotz dreier Mahnungen, der Ablehnung der Depotmedikation einhergehend mit der psychotischen Exazerbation im Februar 2025 und der positiven Testung auf Kokain und Amphetamine, der massiven Herabsetzung der Kritikfähigkeit hinsichtlich Drogenkonsums und der Nichtherstellbarkeit einer tiefgreifenden Krankheitseinsicht kam der Sachverständige in seiner Expertise zum Ergebnis, dass sich beim Beschwerdeführer eine extreme Instabilität auf beiden Ebenen finde und eine extramurale Weiterführung nicht zu empfehlen sei. Die nunmehr ins Treffen geführte Bereitschaft, sich doch stationär behandeln zu lassen, sei als Aussage im Sinne sozialer Erwünschtheit zu sehen und könne die Gefährlichkeit nicht ausreichend extramural hintangehalten werden, da zu befürchten stehe, dass A* B* wieder sein ursprüngliches Verhalten mit Drogenkonsum, Incompliance sowie psychotischer Exazerbation entwickeln und es (ON 79 S 60:) in absehbarer Zeit zu schweren Gewalttaten gegen Leib und Leben, auch im Sinne der Prognosetaten des § 21 Abs 3 StGB, kommen werde.
Dem Beschwerdevorbringen, es erscheine durchaus möglich in einem strengen Setting im Rahmen einer stationären Drogentherapie auch die zusätzlichen psychischen Probleme zu behandeln, sind das eingeholte Sachverständigengutachten (ON 79 und ON 113) und die laufend erfolgten Weisungsverstöße entgegenzuhalten. Anstatt das in ihn gesetzte Vertrauen durch seine bedingte Entlassung zu rechtfertigen und positive Fortschritte zu machen, ist es – wie dem Akteninhalt zu entnehmen ist – zu einer Negativentwicklung gekommen, die darin mündete, dass A* B* seinen Wohnplatz bei Wobes nach mehrfachen Verwarnungen verloren hat (ON 63). Obgleich sich der Beschwerdeführer nunmehr bereiterklärt, einer stationären Therapie beim Grünen Kreis nachzukommen (ON 108) - einer solchen stand er in der Vergangenheit trotz positiver Testung auf Amphetamine am 8. April 2025 und am 15. April 2025 (ON 62) noch ablehnend gegenüber (ON 60) - wird aus seinem dargelegten Verhalten dennoch deutlich, dass er die ihm aufgetragenen Weisungen trotz mehrmaliger Mahnung nicht bzw. nur widerwillig einhält und damit mutwillig handelt.
Schließlich bestehen auch am Vorliegen der einweisungsrelevanten Gefährlichkeit keine Zweifel. Dem eingeholten Sachverständigengutachten ist zu entnehmen, dass bei A* B* nach wie vor eine geistig seelische Abartigkeit höheren Grades in Form einer schweren und nachhaltigen paranoiden Schizophrenie in Kombination mit der Abhängigkeitserkrankung vorliegt, es keinen Nachlerneffekt nach dem Widerruf der ersten bedingten Nachsicht der Maßnahme gegeben hat und alle bisherigen ambulanten, also extramuralen, Therapieversuche als gescheitert einzustufen sind. Aufgrund der Nichtbefolgung von Weisungen trotz vorangegangener gerichtlicher Mahnungen bestehen keine Vorbehalte gegen die Annahme des Sachverständigen, wonach bei A* B* die Störung nur intramural behandelbar und die Gefährlichkeitsprognose positiv besetzt ist.
In einer wertenden Gesamtschau der Verfahrenschronologie sowie unter Berücksichtigung der Expertise des psychiatrischen Sachverständigen ist daher davon auszugehen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass der Beschwerdeführer ohne neuerliche Unterbringung in naher Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung und als Ausfluss der Nichteinhaltung der Weisungen mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen wie etwa schwere Gewalttaten gegen Leib und Leben begehen werde und diese Gefährlichkeit außerhalb des Maßnahmenvollzugs nicht hintangehalten werden kann.
Manifestiert sich im mutwilligen Weisungsbruch der Fortbestand der einweisungsrelevanten Gefährlichkeit, ohne dass die Maßnahme substituierbar wäre, zieht das zwingend den Widerruf der bedingten Nachsicht der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach sich.
Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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