Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. Juni 2025, GZ **-63.2, nach der am 14. Oktober 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein des Richters Mag. Gruber und der Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Rossegger durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene A* jeweils eines Vergehens der gefährlichen Drohung und der Körperverletzung nach §§ 107 Abs 1; 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 39 Abs 1a StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt.
Der Schuldspruch erfolgte, weil der Angeklagte in **
I. am 13. Jänner 2022 B* mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm gegenüber äußerte „ich bringe euch alle um“, wobei er gestenartig mit dem Finger quer über seine Kehle strich;
II. am 30. Oktober 2022 C* durch das Versetzen eines Kopfstoßes am Körper zu verletzen versuchte.
Zu den relevanten Feststellungen gelangte die Tatrichterin im Wesentlichen aufgrund der Erhebungen der Sicherheitsbehörden, der Angaben der betroffenen Zeugen B* und C*, der vorliegenden Aufzeichnung der Körperkamera des Zeugen D* zum Schuldspruchfaktum II. und des Gutachtens der Sachverständigen Dr. E* zum psychischen Zustand des Angeklagten während der Tatzeitpunkte.
Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite leitete sie aus dem äußeren Tatgeschehen ab.
Bei der Strafbemessung erachtete die Erstrichterin das Zusammentreffen von zwei Vergehen, drei einschlägige Vorverurteilungen und den raschen Rückfall als erschwerend, mildernd demgegenüber den Umstand, dass es beim Körperverletzungsdelikt beim Versuch geblieben war sowie die jeweils herabgesetzte Handlungs- und Einsichtsfähigkeit bei Tatbegehung. Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen sei auch die Delinquenz während offener Probezeit aggravierend zu werten, sodass unter Abwägung sämtlicher Strafzumessungstatsachen eine siebenmonatige Freiheitsstrafe als schuldangemessen und dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechend zu werten sei. Aufgrund der Wirkungslosigkeit der bislang über den Angeklagten verhängten Sanktionen könne eine erneute bedingte Strafnachsicht nicht gewährt werden, um spezialpräventiven Ansprüchen gerecht zu werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung vom unvertretenen Angeklagten mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 63.1,6) und nach Beigabe einer Verfahrenshilfeverteidigerin in Punkto Nichtigkeit, Schuld und Strafe ausgeführte Berufung (ON 68.1).
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Auf die Berufung wegen Nichtigkeit war gemäß den §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil weder bei der Anmeldung der Berufung noch in deren schriftlicher Ausführung ausdrücklich erklärt wurde, durch welche Punkte des Erkenntnisses sich der Angeklagte beschwert findet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Denn in der schriftlichen Rechtsmittelausführung werden Nichtigkeits- und Schuldberufung in prozessordnungswidriger Weise vermengt und insbesondere keine einzelnen Nichtigkeitsgründe konkret bezeichnet, obwohl den Rechtsmittelwerber bei einer Nichtigkeitsberufung eine strenge Obliegenheit trifft, geltend gemachte Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt zur Darstellung zu bringen ( Ratz , WK-StPO § 467 Rz 2).
Selbst wenn man – wie in der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien zutreffend ausgeführt – aus den schriftlichen Ausführungen allenfalls auf eine Berufung wegen Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 1a, 4 und 9 lit b StPO iVm § 489 Abs 1 StPO schließen könnte, ginge diese fehl:
Denn im vorliegenden Fall bestand kein Verteidigerzwang (§ 61 Abs 1 StPO), sodass keine Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 1a StPO vorliegen kann.
Eine allenfalls anzunehmende Verletzung der Manuduktionspflicht im Sinne der Z 4 leg. cit. kann schon deshalb nicht bestehen, weil der Angeklagte nach Rechtsbelehrung ausführte, keine Beweisanträge stellen zu wollen (ON 63.1,4) und angesichts des vorliegenden Sachverständigengutachtens für die Tatrichterin keine Veranlassung bestand, den Angeklagten zur Beantragung einer weiteren Expertise anzuleiten.
Wenn zuletzt die inhaltliche Richtigkeit des eingeholten Gutachtens in Zweifel gestellt wird, kann daraus jedenfalls keine Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrunds nach § 281 Abs 1 Z 9 StPO gemeint sein, weil nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen, sondern von einem alternativ angenommenen Sachverhalt ausgegangen wird.
Auch der Berufung wegen Schuld, mit der nicht die Begehung der Taten sondern das Gutachten aus dem Fachbereich für Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Neurologie in Frage gestellt wird, kommt keine Berechtigung zu:
Denn entgegen den Rechtsausführungen des Angeklagten hielt die Sachverständige unter Verweis auf die Diagnose des landesgerichtlichen Gefangenenhauses der Justizanstalt Wien-Josefstadt, lautend auf schizoaffektive Störung (ON 59,3), sowie das Vorgutachten Dris. F* aus dem Jahr 2008 ausdrücklich fest, dass der Angeklagte bei einer sehr hohen bildungsunabhängigen Intelligenzstruktur (ON 59,9) an einer Hypomanie bei vordiagnostiziertem Verdacht auf bipolare Störung leidet, wobei aber das Vollbild einer manischen oder sogar schizoaffektiven Psychose noch nicht festzustellen sei. Demgemäß würden die Voraussetzungen des § 11 StGB zum Tatzeitpunkt jedoch nicht vorgelegen haben, wenngleich aber forensisch psychiatrisch die medizinischen Voraussetzungen einer geminderten erkenntnisgemäßen Handlungsfähigkeit bei gegebener, aber dem Handlungsdrang nachgeordneter Einsichtsfähigkeit in beiden Tatzeitpunkten vorgelegen wären (ON 59,14 ff).
Demgemäß ging die gerichtlich beeidete Sachverständige schlüssig und mit den übrigen Beweisergebnissen nicht im Widerspruch stehend davon aus, dass der Berufungswerber bei Tatbegehung in seiner Psyche gestört war, aber nicht so schwer, dass die Voraussetzungen für eine Schuldunfähigkeit vorlagen.
An dieser Conclusio hegt auch das Berufungsgericht keine Bedenken, zumal die Sachverständige unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des Rechtsmittelwerbers nachvollziehbar zu ihren Schlussfolgerungen gelangte und insbesondere die geminderte Einsichtsfähigkeit ausdrücklich attestierte, welche vom Erstgericht auch als mildernd gewertet wurde.
Somit war den in der Berufung gestellten Beweisanträgen nicht näherzutreten, zumal nicht dargelegt wurde, warum diese das nicht näher zur Darstellung gebrachte Beweisthema untermauern könnten.
Da somit auch das Berufungsgericht keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, war die Schuldberufung zu verwerfen.
Dieses Schicksal teilt auch jene wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Im Hinblick auf das Zusammentreffen von zwei Vergehen und das die Voraussetzungen des § 39 Abs 1a StGB begründende Vorleben begegnet die vom Erstgericht unter korrekter Aufzählung und Gewichtung der Strafzumessungsgründe verhängte Sanktion, die weniger als die Hälfte der Maximalstrafe beträgt, bereits aus spezialpräventiven Gründen keinen Bedenken.
Im Hinblick auf die Vorstrafenbelastung und die im Wesentlichen wirkungslos gebliebenen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen ist es darüber hinaus auch notwendig, die ausgesprochene Strafe in Vollzug zu setzen.
Demgegenüber gelingt es dem Angeklagten nicht, weitere Milderungsgründe ins Treffen zu führen.
Zunächst ist festzuhalten, dass tatsächlich drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen vorliegen, weil alle vier gegen den Angeklagten ergangenen Verurteilungen – eine davon im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehend - auf den gleichen Charaktermangel des Berufungswerbers zurückzuführen sind, der jedes Mal geneigt war, Gewalt oder gefährliche Drohung gegen Personen oder Sachen einzusetzen, wenn seinem Willen nicht entsprochen wurde.
Der Berufungswerber übersieht darüber hinaus, dass die vorliegend lange Verfahrensdauer vorwiegend darauf zurückzuführen ist, dass er zunächst zur Hauptverhandlung nicht geladen werden konnte, sondern mehrfach zur Fahndung ausgeschrieben werden musste (vgl. ON 12, 15 und 26) und sich trotz Anhaltung durch die Polizei nicht mit dem Erstgericht in Verbindung setzte (vgl. ON 18.2 und ON 21.2). Demgemäß liegt kein Anwendungsfall des § 34 Abs 2 StGB vor.
Ebensowenig ist der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB gegeben, weil die diesbezüglich heranzuziehende Frist von fünf Jahren (vgl. 11 Os 129/05p) noch nicht abgelaufen ist.
Unter Hinweis auf die oben bereits zur Darstellung gebrachten spezialpräventiven Erwägungen erweist sich daher der Vollzug der verhängten Sanktion unbedingt notwendig, um den Angeklagten zu einem rechtstreuen Leben anzuhalten.
Der Berufung war daher zur Gänze ein Erfolg zu versagen.
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