Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Körber in der Strafsache gegen A* wegen § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Republik Österreich gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Juni 2025, GZ **-27.1, den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss dahin abgeändert , dass die von der Verurteilten zu ersetzenden Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten Republik Österreich mit 782,50 Euro bestimmt werden.
Die gemäß § 390a Abs 1 StPO der Verurteilten zur Last fallenden Kosten des Beschwerdeverfahrens als weitere Kosten der Privatbeteiligten werden mit 64,52 Euro (darin enthalten 2,60 Euro ERV Zuschlag) bestimmt.
Begründung:
A* wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 10. April 2025 (ON 19.2) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe sowie zum Kostenersatz nach § 389 Abs 1 StPO verurteilt und verpflichtet, (unter anderem) der Privatbeteiligten Republik Österreich 3.141,40 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 27.1) wurden die von der Verurteilten zu ersetzenden Kosten dieser Privatbeteiligten für ihre Vertretung durch die Finanzprokuratur mit 644,08 Euro bestimmt (§ 395 StPO). Entgegen dem Kostenbestimmungsantrag über insgesamt 782,50 Euro, der für die Teilnahme einer Vertreterin an der Hauptverhandlung den doppelten Einheitssatz in Rechnung stellte (ON 25.2), erachtete das Erstgericht nur den einfachen Einheitssatz von 60% als gerechtfertigt.
Gegen die Bestimmung des Einheitssatzes mit nur 60% richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Republik Österreich (ON 28), die sich als berechtigt erweist.
Strittig ist alleine, ob der Privatbeteiligten für die Teilnahme ihrer – gemäß § 6 Abs 4 ProkG einschreitenden - Vertreterin BezInsp B*, einer Bediensteten der Justizanstalt Schwarzau, an der knapp einstündigen Hauptverhandlung am 10. April 2025 (ON 19.1) der einfache oder der doppelte Einheitssatz zusteht.
Nach § 8 Abs 1 ProkG gebührt der Finanzprokuratur der Zuspruch der Kosten gleich einem Rechtsanwalt, und zwar auch dann, wenn sie sich durch einen Bediensteten einer anderen Dienststelle vertreten lässt oder diese für sie nach – wie hier - § 6 Abs 4 ProkG einschreitet.
Gemäß § 23 Abs 5 RATG ist (hier relevant) für Leistungen, die unter Tarifpost 4 Abschnitt I Z 5, Abschnitt II fallen, der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes (hier gemäß §§ 23 Abs 3 iVm 10 Z 9 lit b RATG von 60 vH) doppelt zuzusprechen, wenn der Rechtsanwalt die Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei vornimmt. Diese Mehrkosten, welche durch die Bestellung eines nicht am Sitz des Prozessgerichtes ansässigen Rechtsanwaltes entstehen, sind nur dann zu ersetzen, wenn die Partei selbst nicht am Gerichtsort wohnt, es sei denn, es liegen besondere Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwaltes durch die am Gerichtsort wohnhafte Partei vor (RIS-Justiz RS0036203). Die auswärtig wohnhafte Partei darf aber auch einen Anwalt an einem beliebigen Ort außerhalb des Gerichtsorts beauftragen, weil dann hinsichtlich der Mehrkosten kein Unterschied zwischen der Beauftragung eines Anwalts an ihrem Wohnort und der eines Anwalts mit einem anderen auswärtigen Kanzleisitz besteht ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.254 mwN; RIS-Justiz RW0001030, RS0036203 [T1]).
Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen zweifelsohne vor, hat doch die Privatbeteiligte ihren Sitz in ** und somit nicht am Gerichtsort **. Dementsprechend gebührt ihr der doppelte Einheitssatz für die Verrichtung der Hauptverhandlung durch ihre Vertreterin BezInsp B*, einer Bediensteten der gleichfalls nicht am Gerichtsort befindlichen Justizanstalt Schwarzau.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts war die Beschwerdeführerin nach § 8 Abs 1 ProkG iVm § 23 Abs 5 RATG nicht verpflichtet, sich eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts oder Vertreters zu bedienen. Ebenso wenig gibt es eine gesetzliche Grundlage für die Ansicht des Erstrichters, wonach die „zivilrechtliche Judikatur“ bei der Kostenbestimmung nach § 395 StPO keine Anwendung fände (vgl zB OLG Wien 17 Bs 86/25h; OLG Linz 8 Bs 31/25b, 8 Bs 23/24z, 10 Bs 80/24x; OLG Graz 10 Bs 7/24s uva; aA OLG Wien 18 Bs 94/24s). Die vom Erstgericht im Ergebnis vertretene Auffassung, wonach die Teilnahme der nicht am Gerichtsort ansässigen Privatbeteiligtenvertreterin in der Hauptverhandlung nach § 395 Abs 2 StPO nicht notwendig gewesen und daher kein doppelter Einheitssatz zuzuerkennen sei, beruht auf einer Vermengung zweier unterschiedlicher Beurteilungsebenen: der prozessualen Notwendigkeitsprüfung gemäß § 395 Abs 2 StPO und der tarifrechtlichen Entlohnungsregelung nach § 23 Abs 5 RATG. Die Höhe der Entlohnung eines Privatbeteiligtenvertreters richtet sich nach dem RATG (§ 1 Abs 1 RATG). Damit ist das RATG die maßgebliche Grundlage für die Entlohnung, während § 395 Abs 2 StPO nur eine Kontrolle der Notwendigkeit einzelner Vertretungshandlungen betrifft, nicht aber die tarifliche Bemessung. § 23 Abs 5 RATG knüpft allein an den Ort der Leistungserbringung an und stellt nicht auf eine zusätzliche Notwendigkeits- oder Zweckmäßigkeitsprüfung ab. Eine solche Einschränkung wäre gesetzlich nicht gedeckt und würde die klare tarifrechtliche Anordnung unterlaufen. Im Übrigen ist die Frage der Notwendigkeit einer Vertretungshandlung aus einer ex-ante-Perspektive zu beantworten (
Insgesamt stehen der Privatbeteiligten somit die geltend gemachten 782,50 Euro zu.
§ 390a Abs 1 StPO, wonach dem zum Kostenersatz Verpflichteten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen, gilt auch für die Kosten einer Kostenbeschwerde (RIS-Justiz RS0101566; 12 Os 47/01), weshalb diese Verpflichtung der Verurteilten aufzulegen war. Die Entlohnung der Kostenbeschwerde richtet sich nach TP 4 II lit b iVm TP 4 I Z 4 lit d RATG, der wiederum auf TP 2 RATG verweist, wobei als Bemessungsgrundlage nach § 11 Abs 1 RATG jener Betrag heranzuziehen ist, dessen Zuspruch im aktuellen Kostenbeschwerdeverfahren zu Recht (vgl MR 2016,318) beantragt wurde (hier: 138,42 Euro). Auf dieser Basis sind die Kosten mit 38,70 Euro im Sockelbetrag zuzüglich 60% Einheitssatz (23,22 Euro) sowie ERV Zuschlag (2,60 Euro), im Ergebnis also mit 64,52 Euro zu entgelten.
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