Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie den Richter Ing.Mag. Kaml und die Richterin Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen Mag. A* und andere Angeklagte wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerden von B* (ON 318 und ON 336) und Mag. C*, MBA (ON 319) gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Mai 2024 sowie vom 4. November 2024, GZ **-304 und -333, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Den Beschwerden jeweils vom 28. Mai 2024 (ON 318 und ON 319) wird nicht , hingegen jener des B* vom 29. Oktober 2024 (ON 333) dahin Folge gegeben, dass der angefochtene Beschluss (ON 333), der im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des (impliziten) Ausspruches betreffend des Teiles des Hauptverhandlungsprotokolls vom 15. Dezember 2023, 16.00 Uhr bis 19.35 Uhr aufgehoben wird und in diesem Umfang dessen Antrag, die erstellten Wort- und Bildaufnahmen auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zur Verfügung zu stellen, Folge gegeben wird.
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Februar 2024 (ON 283) wurden B* und Mag. C*, MBA je des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 3 StGB schuldig erkannt und hiefür jeweils (zu ergänzen:) nach § 288 Abs 1 StGB zu gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt, nämlich B* zu einer solchen von acht Monaten und Mag. C*, MBA zu einer solchen von sechs Monaten.
Die Hauptverhandlung fand an insgesamt zwölf Tagen statt, wobei sämtlichen Hauptverhandlungstagen, mit Ausnahme des sechsten Verhandlungstages in der Zeit zwischen 16.00 Uhr bis 19.35 Uhr (vgl ON 243 PS 124), jeweils eine Schriftführerin beigezogen wurde, so insbesondere auch am 31. Jänner 2024 (ON 266) und am 23. Februar 2024 (ON 283a).
Eingangs des ersten Hauptverhandlungstages hielt der Erstrichter im Protokoll fest, es habe am 16. Oktober 2023 eine Besprechung mit Vertretern der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption („WKStA“) und der Verteidigung stattgefunden, in der auch besprochen wurde, „ dass die gesamte Hauptverhandlung mittels Bild- und Tonaufzeichnung stattfinden wird, dies insbesondere zur Unterstützung der Schriftführerin. […] Dieses Bild- und Tonprotokoll dient dann in weiterer Folge der Unterstützung der Schriftführerin, unterliegt als solches aber nicht der Einsicht, es sei denn, wir hätten irgendwelche strittigen Fragen bezüglich der Protokollierung zu klären“ (ON 205 PS 2 f) und gab zu Beginn des fünften Verhandlungstages erneut bekannt, „ dass die Hauptverhandlung zur Unterstützung der Schriftführerin mittels Bild- und Tonaufnahme aufgezeichnet wird“ (ON 241 PS 2).
Mit dem zunächst angefochtenen Beschluss (ON 304) wies das Erstgericht die im Wesentlichen inhaltsgleichen Anträge der Angeklagten B* (ON 289) und Mag. C*, MBA (ON 291) auf Zur-Verfügung-Stellung der Bild- und Tonaufnahmen der Hauptverhandlungstage vom 31. Jänner 2024 und vom 23. Februar 2024 in eventu nur jener vom 23. Februar 2024 ab.
Am 29. Oktober 2024 beantragte B* sodann, das Gericht möge ihm die Wort- und Bildaufnahmen der gesamten Hauptverhandlung in eventu jene der Hauptverhandlungstage vom 31. Jänner 2024 und vom 23. Februar 2024 zur Verfügung stellen (ON 332), nachdem der Einzelrichter am 18. Oktober 2024 einen Protokollberichtigungsbeschluss nach § 271 Abs 7 StPO gefasst hatte, in welchem er darauf verwies (ON 331 AS 46), sowohl er als auch die Schriftführerin hätten eine „ Passage in der Bild- und Tonaufnahme abgehört “. Gegen die diesen Antrag abweisende Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des B*.
Den Beschwerden vom 28. Mai 2024 kommt keine, jener vom 7. November 2024 hingegen im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
§ 271a Abs 1 StPO normiert, dass die Protokollführung nach Maßgabe der den Gerichten zur Verfügung stehenden Ausstattung durch die Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- oder Bildaufnahme unterstützt werden kann, wobei in diesem Fall der gesamte Verlauf der Hauptverhandlung unmittelbar aufzunehmen und dies allen Beteiligten zuvor bekanntzumachen ist. Den Beteiligten des Verfahrens steht nach Abs 2 leg cit das Recht zu, die Wiedergabe der Aufnahme oder ihre Übersendung auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu verlangen.
Im gegenständlichen Fall erfolgte die Protokollführung – mit Ausnahme eines Teiles des sechsten Verhandlungstages am 15. Dezember 2023 von 16.00 Uhr bis 19.35 Uhr (vgl hiezu ausdrücklich die dazu getroffene Anordnung in ON 243 PS 124) – jedoch gerade nicht nach § 271a Abs 1 StPO, sondern durch Beiziehung einer Schriftführerin iSd § 271 Abs 2 StPO (siehe jeweils PS 1 in ON 205, ON 207, ON 208, ON 227a, ON 241, ON 243, ON 244, ON 255a, ON 264, ON 265, ON 266 und ON 283a).
Denn tatsächlich ist – entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer – dem Protokoll über die Hauptverhandlung (abgesehen von der bereits erwähnten Ausnahme den sechsten Verhandlungstag betreffend) kein Hinweis für ein Vorgehen nach § 271a StPO zu entnehmen. So wies der Einzelrichter nämlich ausdrücklich darauf hin, dass die Bild- und Tonaufzeichnung insbesondere der Unterstützung der Schriftführerin, die den Verhandlungen eben auch beigezogen wurde, dient und als solches grundsätzlich nicht der Einsicht unterliegt. Bereits daraus erhellt (ebenso wie aus dem erneuten Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll vom 11. Dezember 2023 [ON 241 PS 2]), dass der Einzelrichter fallaktuell gerade nicht auf die Protokollierung durch einen Schriftführer verzichtete, wie er im Übrigen auch in den angefochtenen Entscheidungen zum Ausdruck brachte und von ihm stets intendiert war. Gerade deshalb betonte er im Rahmen des sechsten Verhandlungstages offenkundig auch, dass die Schriftführerin aus terminlichen Gründen ab 16.00 Uhr nicht mehr an der Verhandlung teilnimmt und nunmehr die Protokollierung der Hauptverhandlung durch Wort- und Bildaufnahme gemäß § 271a Abs 1 StPO erfolgt. Ausgehend davon, dass bereits von Beginn an eine solche Protokollführung erfolgt wäre, hätte sich aber eine entsprechende Information nicht nur erübrigt, sondern wäre zudem schlicht falsch gewesen (arg: „nunmehr“).
Nachdem es aber gerade die Entscheidung des Einzelrichters ist, die aus seiner Sicht geeignetste Form der Protokollführung zu wählen ( Danek/Mann , WK StPO § 271 Rz 25), die er seinem eigenen Bekunden nach in der Beiziehung eines Schriftführers sah (vgl hiezu ON 304 AS 2 f und ON 333 AS 2) und den er auch im dargelegten Umfang tatsächlich beizog, können dessen Ausführungen zur Bild- und Tonaufzeichnung am Anfang der Hauptverhandlung aber nicht dahingehend – und anders als von ihm wirklich gewollt – so (um-)interpretiert werden, als er tatsächlich auf die Beiziehung eines Schriftführers verzichtet habe und eine Protokollführung durch Unterstützung derartiger technischer Einrichtungen iSd § 271a Abs 1 StPO angeordnet habe.
Dementgegen diente die (begleitende) Bild- und Tonaufzeichnung der Schriftführerin – mag der Einzelrichter auf diese auch Zugriff gehabt haben und zur Fassung von Protokollberichtigungsanträgen genutzt haben - lediglich zur Unterstützung als technisches Hilfsmittel iSd § 271 Abs 2 zweiter Satz StPO. Entgegen der Beschwerdebehauptung (ON 336 AS 4) lässt der bloße Verweis des Erstrichters in der Begründung des Protokollberichtigungsbeschlusses vom 18. Oktober 2024 darauf, er habe eine „ Passage in der Bild- und Tonaufnahme “ abgehört, auch keinen (zwingenden) Rückschluss auf die Art der Protokollführung zu. Im Gegenteil deutet sogar diese Passage lediglich auf die Verwendung eines Hilfsmittels hin, wird doch gleichzeitig die Kontrolle durch die Schriftführerin erwähnt.
Das Gesetz sieht in einem solchen Fall – anders als bei einer unmittelbaren Aufnahme des gesamten Verlaufs der Hauptverhandlung mit Hilfe technischer Einrichtungen (§ 271a StPO) – keine Bekanntmachung an die Parteien vor. Aufnahme nach § 271 Abs 2 StPO und Mitschrift verlieren nach Übertragung des Protokolls ihre eigenständige Bedeutung (14 Os 9/09v). Die Verfahrensbeteiligten haben kein Recht auf die Zur-Verfügung-Stellung oder Wiedergabe einer solchen Aufnahme (15 Os 83/16v; RIS-Justiz RS0131302; Kirchbacher , StPO 15 § 271 Rz 4).
Eine solche Unterscheidung beim Zugriff auf Bild- und Tonaufnahmen begegnet vor dem Hintergrund, dass solche nach § 271 Abs 2 StPO im Gegensatz zu jenen nach § 271a StPO keinen Bestandteil des Aktes bilden und für diese auch keine Aufbewahrungspflicht gilt (14 Os 9/09v = SSt 2009/27), keinen Bedenken.
Solcherart erwiesen sich die angefochtenen Beschlüsse, soweit sie die Anträge auf Zur-Verfügung-Stellung von Aufnahmen abwies, die nur zur Unterstützung der Schriftführerin durch technische Hilfsmittel erstellt wurden, als der Sach- und Rechtslage entsprechend. Demgegenüber bezog sich der weitere Antrag von B* vom 29. Oktober 2024 (ON 332) auf die gesamte Hauptverhandlung, sohin auch auf jenen Teil, in der die Protokollführung tatsächlich im Rahmen des § 271a Abs 1 StPO erfolgte (15. Dezember 2023, 16.00 Uhr bis 19.35 Uhr), sodass der Beschwerde insoweit Folge zu geben war und dem Antragsteller die diesbezüglich erstellten Wort- und Bildaufnahmen auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zur Verfügung zu stellen sind.
Bleibt anzumerken, dass gemäß § 271a Abs 2 letzter Satz StPO diese Aufnahme auch als Beilage zum Akt zu nehmen ist.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
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