Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Medienrechtssache des Antragstellers A* gegen den Antragsgegner Mag. B* wegen §§ 6, 7b MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. April 2025, GZ **-3, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass dem Antragsgegner B* als Medieninhaber des Facebook-Profils ** mit dem Namen „B*“ gemäß § 8a Abs 5 MedienG in Frist und Form des § 13 MedienG unter der Sanktion des § 20 MedienG die Veröffentlichung nachstehender Mitteilung auf seinem Facebook-Profil aufgetragen wird:
„Mitteilung gemäß § 8a Abs 5 MedienG:
Der Antragsteller ** A* begehrt im Zusammenhang mit der Veröffentlichung vom 8. März 2025 mit folgender Textpassage: „Die C* wollte also A*, den ** Ex-Agenten, in eine zentrale ** Rolle hieven.“ auf dem Facebook-Profil des Antragsgegners Mag. B* die Zuerkennung medienrechtlicher Entschädigungszahlungen gemäß § 8a iVm §§ 6 Abs 1, 7b Abs 1 MedienG, die Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs 6 MedienG sowie die Löschung des den objektiven Tatbestand einer strafbaren Handlung begründenden Postings gemäß § 33 Abs 2 iVm § 36a MedienG.
Der Antragsteller erblickt in dieser Veröffentlichung die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des Vergehens der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs 1 und 2 StGB. Ein Verfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist anhängig.
Oberlandesgericht Wien
Abt. 17, am 11. Juni 2025“
Begründung:
Mit Schriftsatz vom 11. März 2025 (ON 2) begehrte der Antragsteller A*, den Antragsgegner Mag. B* wegen des seit 8. März 2025 auf dessen Facebook-Profil („B*“) weltweit öffentlich abrufbaren Beitrags mit dem einleitenden Satz: „Die C* wollte also A*, den ** Ex-Agenten, in eine zentrale **-Rolle hieven.“, den er mit den Worten „D*: Kann sein oder auch nicht“ samt einem Tränen lachenden Smiley kommentierte und der sich insgesamt wie (oben) in Beilage ./B zu ON 2 abgebildet gestaltete, zu einer Entschädigungszahlung gemäß § 8a iVm §§ 6 Abs 1, 7b Abs 1 MedienG, zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs 6 MedienG sowie zur Löschung des den objektiven Tatbestand einer strafbaren Handlung begründenden Postings gemäß § 33 Abs 2 (zu ergänzen:) iVm § 36a MedienG zu verpflichten.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren gemäß § 8a Abs 5 MedienG aufzutragen, ab, zumal ein Zuspruch einer Entschädigung nach den „§§ 6 und 7b Mediengesetz“ nicht mit ausreichender Sicherheit anzunehmen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Antragstellers (ON 10; vgl ON 1.7 zur unterlassenen Zustellung der Entscheidung an den Antragstellervertreter), der Berechtigung zukommt.
Gemäß § 8a Abs 5 MedienG hat im Verfahren über einen selbstständigen Antrag auf Entschädigung nach den §§ 6, 7, 7b oder 7c MedienG das Gericht auf Antrag des Betroffenen die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; im Übrigen ist § 37 MedienG sinngemäß anzuwenden.
Es kommt mithin darauf an, dass nach der Verdachtslage anzunehmen ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen einer Entschädigung vorliegen. Das Gericht hat grundsätzlich nur diese nach den genannten Gesetzesstellen zu prüfen, nicht aber die jeweiligen Ausschlussgründe. Wenn der Antrag aber unschlüssig ist oder der Antragsteller selbst einen Ausschlussgrund einräumt bzw ein solcher gerichtsnotorisch vorliegt, hat das Gericht den auf die Veröffentlichung einer Mitteilung gerichteten Antrag abzuweisen ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG 4 § 8a Rz 11).
Vom Beschwerdegericht ist daher der im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorhandene Prozessstoff zu würdigen (vgl hiezu Rami, WK 2 MedienG § 37 Rz 14 mwN) und daraus abzuleiten, ob die in § 8a Abs 5 MedienG verlangte Annahme vorliegt. Zum Grad der Wahrscheinlichkeit ist auszuführen, dass eine nicht näher qualifizierte Wahrscheinlichkeit der Anspruchsbegründung, somit ein grobmaschiges Netz im Sinne einer einfachen Wahrscheinlichkeit vorliegen muss ( Rami aaO Rz 13/1 ff mwN).
Eine solche Wahrscheinlichkeit ist vorliegend aber gegeben. Bei der Ermittlung des Sinngehalts ist nämlich auf die Auffassung jenes Rezipienten abzustellen, an den sich die Publikation nach ihrer Aufmachung und Schreibweise sowie den behandelten Themen richtet. Dabei ist nicht nur das Bildungsniveau, das politische Interesse sowie die Fähigkeit und Bereitschaft des Adressaten, sich mit kontroversieller politischer Berichterstattung und Kommentaren auseinanderzusetzen, zu berücksichtigen, sondern auch dessen aktuelles Vor- und Begleitwissen ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, aaO Vor §§ 6-8a Rz 42b).
Allem voran festzustellen ist somit der objektive Bedeutungsinhalt einer inkriminierten Äußerung aus Sicht dieses angesprochenen Rezipientenkreises und nicht das, was der Äußernde vielleicht subjektiv gemeint hat. Dieser Bedeutungsinhalt ist aus dem Gesamtzusammenhang der mit den damit inhaltlich im Konnex stehenden Ausführungen zu ermitteln, wobei auf den situativen Kontext abzustellen ist, in den der fragliche Aussagegehalt einzuordnen ist. Der Sinngehalt einer Äußerung kann daher ganz anders gestaltet sein, als es ein Außenstehender annehmen würde. Zu berücksichtigen sind dabei nicht nur Sprachgebrauch, Gewohnheiten, Bildungsgrad usw, sondern auch das Ereignis, das Anlass zur Äußerung gegeben hat (vgl
Ausgehend von diesen rechtlichen Prämissen erscheint eine den medienrechtlichen Entschädigungstatbeständen der §§ 6 Abs 1 und 7b Abs 1 MedienG unterstellende Deutung des Postings allerdings angesichts der derzeitigen Aktenlage hinreichend (im dargestellten Sinn) möglich.
Denn aufgrund des öffentlich in deutscher Sprache abgefassten Facebook-Beitrags über ein sicherheitspolitisches Thema, in welches eine österreichische politische Partei und – wie in den Raum gestellt - auch der ehemalige Innenminister der Republik Österreich verstrickt sein soll, kann mit Fug unterstellt werden, die Publikation wende sich an unkritische Nutzer dieser Plattform in Österreich, die sich für die erwähnten Bereiche (Innenpolitik und Sicherheitsthemen) interessieren.
Es erfolgte über die „**-Affäre“ sowie den Antragsteller, dem sogar ein eigener Wikipedia-Eintrag gewidmet ist (Beilage ./E zu ON 8), und die gegen diesen geführte Strafverfahren (vgl die Beilage ./F zu ON 8) zweifellos eine umfangreiche Berichterstattung, die thematisch den genannten Gebieten zuzuordnen ist und auch im zeitlichen Zusammenhang mit dem inkriminierten Beitrag aufrecht erhalten wurde.
Folglich ist aber mit einfachem Verdacht anzunehmen, der angesprochene Adressatenkreis verfüge über entsprechend konkretes (Vor-)Wissen diese Gegenstände betreffend und diese Leser verstünden das vom Antragsgegner geteilte Posting wie vom Antragsteller dargestellt, nämlich im Sinne einer von diesem vormals tatsächlich ausgeübten Spionagetätigkeit für die ** als österreichischer Polizeibeamter des **. In Verbund mit der Kenntnis des Rezipientenkreises über die (laufenden) strafrechtlichen Ermittlungen des Antragstellers wegen des Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen nach § 252 Abs 1 StGB sowie der gewählten Formulierung im Indikativ ( Rami, WK 2 MedienG § 7b Rz 7 mwN), ist auch ein Verständnis dahingehend, den Antragsteller – eine aus Lesersicht beim österreichischen Nachrichtendienst beschäftigte, jedoch für eine fremde Macht spionierende Person - selbst ohne ausdrücklich Bezug im Beitrag zu einzelnen Spionagetätigkeiten als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet anzusehen, zulässig.
Der vom Antragsgegner dem von ihm geteilten Ursprungsposting hinzugefügte Kommentar („D*: Kann sein oder auch nicht“) samt Smiley bezieht sich auf die Rolle D* und distanziert sich nicht von der den Antragsteller betreffenden Kernaussage, sondern setzt diese vielmehr als gegeben voraus. Durch das „Teilen“ auf dem sozialen Netzwerk gab der Antragsgegner insoweit nicht bloß eine fremde Äußerung wieder, sondern identifizierte sich mit dieser und erstattete solcherart eine konkludente eigene Äußerung ( Rami, WK 2 StGB § 111 Rz 13/1 f).
Wie vom Erstgericht richtig dargestellt, liegt der Entschädigungstatbestand des § 6 Abs 1 MedienG (soweit hier relevant) vor, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede (§ 111 StGB) hergestellt wird, sohin insbesondere auch wenn jemand einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
§ 7b Abs 1 MedienG greift, wenn in einem Medium eine Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig, aber nicht rechtskräftig verurteilt ist, als überführt oder schuldig hingestellt oder als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird.
Ausgehend von dem dargelegten Bedeutungsinhalt, war von einer zumindest einfachen Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen der genannten Tatbestände auszugehen, wird dem Antragsteller doch der Verrat von Staatsgeheimnissen – sohin eine gerichtliche strafbare Handlung und damit ein iSd § 111 Abs 1 StGB relevantes Verhalten (vgl Rami, WK 2 StGB § 111 Rz 11) – vorgeworfen und er als Täter dieser Tat (§ 252 Abs 1 StGB) genannt.
Bleibt final anzumerken, dass - aufgrund der Schlüssigkeit des Antrags und der bereits geschehenen Involvierung des Antragsgegners in das Verfahren - die Abänderung des Beschlusses durch das Beschwerdegericht zu erfolgen hatte und nicht (wie zB zu 17 Bs 12/15m, 18 Bs 210/16p, 18 Bs 230/15b) dem Erstgericht die neuerliche Beschlussfassung unter Berücksichtigung der bindenden Rechtsansicht des Beschwerdegerichts aufzutragen war.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
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