Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Richterin Dr. Vetter als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberstleutnant Posch Fahrenleitner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 28. August 2025, GZ **-11, **14, nach § 121b Abs 3 StVG nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen .
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des A* vom 20. Juli 2025 (ON 1) gegen das Straferkenntnis des Leiters des forensisch-therapeutischen Zentrums Garsten vom 7. Juli 2025 (richtig: vom 19. März 2025 [vgl ON 6 S 20 iVm BS 10]), ** (ON 6 S 17 ff), nicht Folge. Weiters bestimmte das Erstgericht den vom Bestraften gemäß § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 Abs 2 VwGVG zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens mit insgesamt 20 Euro (1.). Überdies wurde der Antrag auf „umfassende Verfahrenshilfe und Beigebung eines Verfahrenshelfers“ zurückgewiesen (2.).
Das Vollzugsgericht ging soweit hier relevant von folgendem wortwörtlich wiedergegebenen Sachverhalt aus:
Am 30.07.2024 erging eine schriftliche Belehrung des Anstaltsleiters des FTZ Garsten bezüglich des Geschäftsverbots nach § 30 StVG an den nunmehrigen Bf, worin dieser ausdrücklich aufgefordert wurde, das Verfassen jeglicher Schreiben für andere Insassen unverzüglich zu unterlassen. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 31.07.2024 durch den Strafvollzugsbediensteten B* zur Kenntnis gebracht (oben wiedergegebene Stellungnahme des FTZ, ON 6; schriftliche Belehrung vom 30.07.2024 mit Vermerk über die Verkündung am 31.07.2024, samt Unterschrift des Bf, AS 6 in ON 5 im hg Verfahren ** [32 Bs 59/25y OLG Wien]).
Am 26.11.2024 und am 27.1.2025 verfasste der Bf, entgegen dieser Aufforderung, jeweils für den Untergebrachten C*, der zuvor kein Ansuchen auf Leistung von Schreibhilfe gestellt hatte (hg. ** [= OLG Wien, 32 Bs 77/25w]), Schriftstücke an das Landesgericht Linz, welche dort am 2.12.2024 bzw. am 4.2.2025 eingingen (Stellungnahme des FTZ, ON 6, insbes. AS 6ff = inkriminiertes Schreiben vom 26.11.2024 und 10ff = inkriminiertes Schreiben vom 27.1.2025). Dabei wusste der Bf jeweils, dass er damit einer – weder strafgesetzwidrigen noch die Menschenwürde verletzenden – ausdrücklichen Verhaltensaufforderung eines Beamten, das Verfassen jeglicher Schreiben für Mitinsassen zu unterlassen (s. oben), zuwider handelte, womit er sich jeweils (zumindest) billigend abfand.
Der Bf wurde hiefür mit dem nunmehr bekämpften Straferkenntnis wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 1 StVG, gemäß § 109 Z 4 und § 113 StVG mit der Ordnungsstrafe der Geldbuße in der Höhe von jeweils € 50,-- bestraft, da sich der (jeweilige) Tatbestand aus den inkriminierten Schreiben vom 26.11.2024 und vom 27.1.2025, eingegangen beim Landesgericht Linz am 2.12.2024 bzw. am 4.2.2025, der Zeugeneinvernahme des Insassen C* vom 19.02.2025 sowie der Beschuldigtenvernehmung des Insassen A* vom 19.02.2025 ergäbe (Straferkenntnis, AS 17ff aaO).
Dieser Bf wurde bereits zu hg. **, **, ** und ** rechtskräftig (= OLG Wien, 32 Bs 59/24v, 32 Bs 77/25w, 32 Bs 143/25a und 32 Bs 142/25d) wegen inhaltlich gleichlautender Vorwürfe, also dem jeweiligen Verfassen von Eingaben für Mitgefangene/-untergebrachte, entgegen der diesbezüglichen Aufforderung vom 30.7.2024, dem Bf am 31.7.2024 nachweislich verkündet, mit Ordnungsstrafsanktionen bedacht.
Beweiswürdigend erwog das Erstgericht wie folgt:
Die diesbezüglichen Feststellungen gründen auf den bei den einzelnen Feststellungen in Klammern angeführten Zitatstellen, aus denen sich keine entscheidungsrelevanten Widersprüche ergeben haben, weshalb auch weitere Erhebungen nicht geboten waren bzw. ist noch das Folgende auszuführen:
Dass der Bf (auch) die hier in Rede stehende Schreiben vom 26.11.2024 und vom 27.1.2025 verfasste, stellt dieser in seiner Beschuldigteneinvernahme (AS 15 in ON 6 [s. deren obige Wiedergabe in der Stellungnahme des FTZ]) und auch im Beschwerdeverfahren gar nicht in Abrede, sondern räumt er im Gegenteil sogar ein, dass "alle Eingaben folgend § 89 Abs. 3 StVG abgefasst sind, und vom Eingeber (Anm.: C*) diktiert wurden, ..." bzw. "ein vom Beschwerdeführenden vorgenommenes Diktat des Gefangenen C*, ..." (S. 1 und 2 der Beschwerde ON 1), bzw. "..., dass das in Rede stehende Schreiben des UG C* folgend § 89/3 StVG in Schreibhilfe diktiert wurde, ..." (S. 1 der oben wiedergebenen Äußerung des Bf, ON 9) sohin (auch) das Verfassen der hier gegenständlichen Schreiben vom 26.11.2024 und vom 27.1.2025. Vielmehr erstattete er sohin rechtliche Ausführungen zu § 89 Abs 3 StVG und verantwortete sich dahingehend, dass, da der Anstaltsleiter keine Schreibhilfe gestellt bzw angeboten habe, diese sehr wohl zulässig gewesen sei.
Ebenso wenig bestritt der Bf, dass er dabei entgegen der ihm am 31.07.2024 zur Kenntnis gebrachten, ausdrücklichen Verhaltensanordnung, nämlich das Verfassen jeglicher Schreiben für andere Insassen unverzüglich zu unterlassen, handelte. Die schriftliche Belehrung samt dem von ihm unterfertigten Vermerk über die Verkündung am 31.7.2024 wurde dem Beschwerdeführer dabei bereits im hg Verfahren ** (= 32 Bs 59/25y, OLG Wien) zur Wahrung des rechtlichen Gehörs mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Auch dort wurde der Umstand, dass gegenüber dem (nunmehrigen) Bf die genannte ausdrückliche Anordnung ergangen ist, nicht bestritten. Insgesamt gestand der nunmehrige Bf sohin im Beschwerdeverfahren das inkriminierte Verhalten, trotz ausdrücklicher Aufforderung derartiges zu unterlassen, das am 26.11.2024 und am 27.1.2025 - sohin also jeweils nach dem 31.07.2024 - verfasste und am 2.12.2024 bzw. am 4.2.2025 beim LG Linz eingelangte Schreiben für den (damaligen) Mitinsassen C* verfasst zu haben, (implizit) zu.
Dass der Beschwerdeführer damit jeweils der Anordnung eines Beamten wissentlich zuwidergehandelt hat, war schon aus dem äußeren Geschehensablauf, nämlich der durch die Unterschrift des Beschwerdeführers dokumentierten Kenntnisnahme von der Aufforderung, das Verfassen von Schreiben für Mitinsassen zu unterlassen, am 31.07.2024 zu erschließen (dolus ex re). Anhaltspunkte dafür, dass A* die Anordnung mit Recht als strafgesetzwidrig oder die Menschenwürde verletzend angesehen haben könnte/sollte liegen - bei objektiver Betrachtung - nicht vor (und wären auch nicht nachvollziehbar).
Rechtlich erwog das Erstgericht, dass Strafgefangene den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten hätten. Die Befolgungen von Anordnungen dürfen nur abgelehnt werden, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoße oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde. Durch den vorsätzlichen Verstoß gegen die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG sei die Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 107 Abs 1 Z 10 StVG verwirklicht.
Der Beschwerdeführer habe seinen gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder zumindest gleichgültige Einstellung deutlich zum Ausdruck gebracht, es sei sohin jedenfalls von einem beträchtlichen Schuldgehalt auszugehen, sodass auch der Strafausspruch keinen Bedenken begegne. Die alternativen Maßnahmen des Verweises, der Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen oder von Rechten iSd § 109 Z 3 StVG erscheine hingegen nicht ausreichend. Eine (teil )bedingte Nachsicht der Strafe, die ohnedies jeweils gerade einmal bei einem Viertel des Möglichen gelegen sei, komme aufgrund des Schuld- und Unrechtgehalts aber auch mit Blick auf die Signalwirkung gegenüber Dritten nicht in Betracht.
Der Kostenausspruch wurde auf § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 Abs 2 VwGVG gestützt.
Zum Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wurde auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach ein solcher Rechtsanspruch nicht bestehe. Der Verweis des Beschwerdeführers auf die Entscheidung des VfGH vom 25. Juni 2025, G 133/202431, vermöge daran nichts zu ändern, da zwar tatsächlich die Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG als verfassungswidrig aufgehoben worden sei, diese Aufhebung jedoch erst mit Ablauf des 30. Juni 2026 in Kraft trete. Im Übrigen sei aber auch nicht von einer komplizierten Sach oder Rechtslage auszugehen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*.
Das zitierte Erkenntnis des VfGH sei „absolut“ anzuwenden, da die angefochtene Bestimmung mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden sei. Daher stelle er noch einmal den Antrag auf umfassende Verfahrenshilfe. Dies zumal das Erstgericht zuwider anderslautender Gerichtsentscheidungen zu den §§ 89 Abs 3 und 30 StVG entschieden habe. Alle Schriftsätze beginnend mit ON 1 würden zu Beweismitteln in allen Verfahren und Verfahrensschritten erhoben. Dem Gericht obliege eine besondere Schutzund Fürsorgepflicht, da er ein wehrlos Kranker und nach § 21 StGB Untergebrachter sei, dem Anleitungs und Aufklärungspflicht zuzugestehen seien (ON 13).
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Zur Verfahrenshilfe:
Verfahrenshilfe ist im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen, weil die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, sodass allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; Pieberin WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger, StVG 5 § 17 Rz 7).
Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer neuerlich ins Treffen geführte Entscheidung des VfGH vom 25. Juni 2025 zu G 133/2024 31 ist anzuführen, dass sich diese auf die Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1StVG beschränkt. Das hier in Rede stehende Verfahren betrifft ein Ordnungsstraferkenntnis, für das - unberührt in Geltung stehend - § 17 Abs 2 Z 2StVG zur Anwendung kommt. Im Übrigen ist - wie bereits vom Erstgericht festgehalten - darauf zu verweisen, dass die Aufhebung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG tatsächlich erst mit Ablauf des 30. Juni 2026 in Kraft tritt (vgl S 2 des VfGH-Erkenntnisses).
Das Erstgericht hat daher der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe zu Recht zurückgewiesen. Das gleiche Schicksal teilt der neuerliche Antrag auf Verfahrenshilfe.
Zum Ordnungsstraferkenntnis:
Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Frage der (unterlassenen) Gewährung von Schreibhilfe, sondern ein durch den Beschwerdeführer erfolgter Verstoß gegen eine – wie vom Erstgericht zutreffend erwogen - weder strafrechtswidrige noch die Menschenwürde verletzende – Anordnung ist.
Die pauschale Behauptung, das Erstgericht habe zuwider – nicht benannter – anderslautender Gerichtsentscheidungen zu den §§ 89 Abs 3 und 30 StVG entschieden, vermag nichts daran zu ändern, dass die Begründung des Erstgerichts - die von A* völlig außer Acht gelassen wird - zur konkret begangenen Ordnungswidrigkeit in durchdachter und sorgfältiger Art und Weise erfolgte und aus den vorliegenden Beweisergebnissen lebensnahe und nachvollziehbare Schlussfolgerungen gezogen wurden. Auch der rechtlichen Beurteilung haftet kein Fehler an.
Weiters sind die – im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von bis zu 200 Euro ausgemessenen und vom Beschwerdeführer nicht konkret bekämpften – Strafen nicht zu beanstanden.
Schließlich wurde auch der Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vom Erstgericht zutreffend auf § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 VwGVG gestützt.
Der Beschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
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