Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 2. September 2025, GZ **-6, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .
Begründung
Die am ** geborene russische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Schwarzau eine über sie mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Oktober 2021, rechtskräftig seit 15. Februar 2022, AZ **, wegen §§ 107b Abs 1, Abs 2, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall; 83 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten.
Das errechnete Strafende fällt auf den 29. Dezember 2027. Die Hälfte der Strafzeit war am 29. September 2024 verbüßt, zwei Drittel der Strafzeit enden am 29. Oktober 2025.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung der A* zum Zwei-Drittel-Stichtag (ohne Durchführung der beantragten Anhörung [ON 4, 1]) aus spezialpräventiven Erwägungen ab (ON 6).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die nach Zustellung des Beschlusses erhobene (ON 7, 2), zu ON 9 ausgeführte Beschwerde der Strafgefangenen.
Aus Anlass der Beschwerde musste sich das Rechtsmittelgericht davon überzeugen, dass für die angefochtene Entscheidung keine ausreichende Entscheidungsgrundlage vorlag, weil das Erstgericht zur Entscheidung in der Sache erforderliche Beweisaufnahmen unterlassen hat (§ 89 Abs 2a Z 3 StPO).
Gemäß § 152a Abs 1 StVG hat das Gericht vor der Entscheidung über eine bedingte Entlassung den Strafgefangenen zu hören, es sei denn, dass eine solche Anhörung nach den Umständen des Falles nicht erforderlich erscheint. Beantragt der Strafgefangene zum Zweck einer bedingten Entlassung zum ersten Mal selbst seine Anhörung, so darf diese nur unterbleiben, wenn das Gericht die Entlassung bewilligt.
Das Recht, seine Anhörung zu verlangen, steht dem Strafgefangenen einmal zu. Es bleibt unberührt, wenn ihn das Gericht aus eigenem anhört oder er seine Anhörung zuvor aus einem anderen Anlass beantragt hat ( Pieber, WK² StVG § 152a Rz 2).
Fallbezogen wurde im Verfahren zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt anlässlich der Entscheidung über eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag eine Anhörung durchgeführt. Allerdings ergibt sich aus dem Akt nicht, dass diese aufgrund eines entsprechenden Antrags der Strafgefangenen erfolgte (siehe ON 5 Punkt 2 im genannten, verketteten Akt: „Ich will gehört werden NEIN“ ).
Außerdem hat gemäß § 152 Abs 2 StVG das Vollzugsgericht vor jeder Entscheidung über eine bedingte Entlassung Einsicht in die Akten des Strafgefangenen zu nehmen. Dabei sind alle Strafakten beizuschaffen, die Grundlage des Strafvollzugs sind. In analoger Anwendung des § 494a Abs 3 letzter Satz StPO kann sich das Gericht mit der Einsichtnahme in eine Abschrift des Urteils begnügen, wenn sie eine ausreichende Entscheidungsgrundlage darzustellen vermag ( Pieber, aaO § 152 Rz 9).
Im konkreten Fall nahm das Erstgericht keine Einsicht in das dem Vollzug zugrundeliegende Urteil und unterließ es, den zugrundeliegenden Akt (AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien, der zwar mit dem gegenständlichen Akt verkettet ist, aber nicht digital geführt wird) beizuschaffen bzw zumindest das Urteil samt allfälliger Rechtsmittelentscheidung (worauf das Datum der Rechtskraft hinweist), davon zum elektronischen Akt zu nehmen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die vom Gesetz geforderte Einsicht in den Akt nicht stattgefunden hat.
Der Beschluss ist daher gemäß § 89 Abs 2a Z 3 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StPO aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
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