Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, den Richter Mag. Zechmeister und die Richterin Dr. Heissenberger, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter MinRat Dr. Ludwig Josef Melicher und DI Oliver Leo Schreiber in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Tomas Blaho, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien, Rathaus , 1080 Wien, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 12.2.2025, ** 40, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger steht seit 11.12.2000 als Vertragsbediensteter in einem unbefristeten Dienstverhältnis zur Beklagten. Gemäß § 2 Abs 1 des Gesetzes über die Zuweisung von Bediensteten der Gemeinde Wien ist er von den B* an die C* GmbH Co KG zugewiesen. Er ist als Straßenbahnfahrer tätig. Im Dienstvertrag des Klägers ist als Dienstort ** ausgewiesen.
Die Mitarbeiter der C* im Fahrdienst sind in Betriebsreferaten tätig. Im Straßenbahnbereich sind dies für den Fahrdienst vier Betriebsreferate: V48m (Betriebsreferat Sektor Mitte), V48n (Betriebsreferat Sektor Nord), V48s (Betriebsreferat Sektor Süd) und V48w (Betriebsreferat Sektor West). Die Organisation sowie die betrieblichen Abläufe sind in den vier Sektoren jeweils gleich. Der Kläger war seit seinem Dienstantritt bis 1.6.2024 als Straßenbahnfahrer bei den C* dem Sektor West mit dem Startbahnhof D* dienstzugeteilt. Seit dem 1.6.2024 wurde der Kläger dem Sektor Mitte mit dem Startbahnhof E* zugeteilt. Der Sektor West umfasst circa 400 Arbeitnehmer. Er ist etwas größer als der Sektor Mitte.
Als Straßenbahnfahrer hat man keine konkrete Straßenbahnlinie zugewiesen. Man wird je nach Bedarf unterschiedlichen Straßenbahnlinien zugeteilt. Jeweils vier Tage im Voraus werden beim Selfservice der C* die Dienstzuteilungen ausgewiesen. Bei Verhinderungen können die Dienste auch getauscht werden. Zu Beginn eines Dienstes muss sich der jeweilige Straßenbahnfahrer beim Auslauf-Disponenten mit Dienstnummer, Straßenbahnlinie und Gruppe melden. Aus dem Gruppenbuch ist ersichtlich, wie lange die Ausfahrtszeiten bzw die Pausenzeiten angesetzt sind. Die Dauer der Fahrtzeit variiert, darf aber vier Stunden nicht übersteigen. Eine Schicht beträgt zwischen sechseinhalb und neun Stunden. Zwischen den einzelnen Touren kann an der ausgewiesenen Stelle Pause gemacht werden. Aus dem Gruppenbuch ist ersichtlich, wie lange eine Tour bzw Pause jeweils dauert und wann und wo die Pause gemacht wird. Zusätzliche Aufgaben, wie beispielsweise die Reinigung der Straßenbahnwagons, fallen nicht in den Aufgabenbereich eines Straßenbahnfahrers der C*.
Der Kläger wurde im März 2023 zum Mitglied des Betriebsrates „Betrieb“ der C* gewählt und übt diese Funktion nach wie vor aus. Der Betriebsrat „Betrieb“ umfasst einundzwanzig Mitglieder und setzt sich aus vier Fraktionen zusammen. Es gibt einen Vorsitzenden, mehrere Stellvertreter und einige Mandatare bzw Ersatzmandatare. Er dient der Vertretung des gesamten Personals des Fahrbetriebes der C* aller vier Betriebsreferate (Sektor Mitte, Sektor Nord, Sektor Süd und Sektor West). Er umfasst den Betrieb der U-Bahn, der Autobusse, der Straßenbahnen, Planung, Innovation, der Betriebsleitstellen, der betrieblichen Ausbildung und der Sicherheit. Ein Betriebsratsmitglied aus dem Bereich „Betrieb“ ist für die Vertretung aller Arbeitnehmer aus dem Fahrbetrieb der C* zuständig. Die Kompetenzen hinsichtlich Kündigungen und Versetzungen wurden dabei an den gemeinsamen Zentralbetriebsrat delegiert. Der gemeinsame Zentralbetriebsrat ist der Hauptansprechpartner der Personalabteilung.
In den Aufgabenbereich der Betriebsräte des Bereiches „Betrieb“ fällt die Teilnahme an Betriebsratssitzungen sowie die Behandlung von konkreten Fragen bzw Problemen einzelner Arbeitnehmer. Zum Beispiel war der Kläger dabei behilflich, Urlaub zu beantragen oder neue Kollegen einzuführen. Betriebsratskollegen in anderen Sektoren haben dabei die gleichen Aufgaben wie der Kläger als Betriebsrat ausgeübt, sie haben zB ebenso den Arbeitnehmern geholfen, Urlaub zu beantragen oder neue Arbeitnehmer eingeführt. Auch fällt es in den Aufgabenbereich der Betriebsräte des Bereiches „Betrieb“ die Dienst- und Fahrpläne zu kontrollieren. Es bekommen dabei alle Betriebsräte des gesamten Bereiches Betrieb die Dienst- und Fahrpläne die ihrer Fahrertätigkeit (zB Straßenbahnfahrer oder Autobuslenker) entsprechen, zur Prüfung zugesandt. Eine Unterscheidung der einzelnen Sektoren findet dabei nicht statt. Für die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben ist es unerheblich, welchem Sektor man dienstzugeteilt ist. [F1]
Weiters gehört es zur Aufgabe des Klägers als Betriebsrat an den jeweiligen Betriebsratssitzungen teilzunehmen. Diese Betriebsratssitzungen finden in der Regel einmal pro Monat statt und werden im Vorfeld angekündigt. Dabei sind alle 21 Betriebsräte des Bereiches „Betrieb“ der C* zur Teilnahme berechtigt, also der gesamte Fahrdienst (Bus, U-Bahn, Straßenbahn, Stationswache). Die Betriebsratssitzungen behandeln dabei alle Themen des Bereiches „Betrieb“, eine thematische Untergliederung oder Unterscheidung in einzelne Sektoren findet nicht statt. Die dabei abgehandelten Themen betreffen in der Regel alle Sektoren. Die Örtlichkeiten dieser Sitzungen sind unterschiedlich. Zu 90% finden die Sitzungen in der Direktion, also in ** im 3. Bezirk, in der Räumlichkeit der Bedienstetenvertretung statt. Es gab aber auch bereits Sitzungen in der ** oder in der **. Eine Woche oder zehn Tage vorher werden die Betriebsräte des teilnahmeberechtigten Bereiches „Betrieb“ per E-Mail davon verständigt, wo genau die Sitzung stattfinden wird. Die Sitzungen beginnen in der Regel um 9:00 Uhr in der Früh. Der Kläger wird für die Sitzungsteilnahme von der Beklagten freigestellt. Zuvor geht der Kläger in der Regel noch mit einem Kollegen die Bahnhöfe E*, D* und F* durch und wird auch dafür von der Beklagten freigestellt.
Zusätzlich kann der Kläger als Betriebsrat von einem Mitarbeiter zur Unterstützung „angefordert“ werden. Dies kommt zum Beispiel bei einem dienstlichen Gespräch eines Mitarbeiters vor. Dabei macht es keinen Unterschied, welchem Sektor jeweils der „anfordernde“ Mitarbeiter und der jeweilige „angeforderte“ Betriebsrat zugeteilt ist. Der Kläger als Betriebsrat kann daher von allen Mitarbeitern des Bereiches „Betrieb“ zur Hilfe gerufen werden und erstreckt sich seine betriebsrätliche Zuständigkeit auf alle Mitarbeiter und Vorgänge im Bereich „Betrieb“ der **. Der Kläger wird zur Wahrnehmung seiner Betriebsratsaufgaben von der beklagten Partei im erforderlichen Ausmaß freigestellt.
Strukturelle Unterschiede in der Betriebsratstätigkeit finden sich dabei nicht, da die Aufgabenstellungen im gesamten Bereich „Betrieb“ der C* ähnlich sind. [F2]
Der Kläger begehrt die Feststellung 1., dass sein Dienstort am Bahnhof D* sei, er seine Dienste regelmäßig dort anzutreten habe und seine Dienste auch dort enden würden; 2. dass er als Mitglied des Betriebsrats nicht zur Arbeit am Dienstort E* verpflichtet sei und 3., die Beklagte die Versetzung des Klägers auf den Dienstort E* zu unterlassen habe.
Er sei als Betriebsrat versetzt worden, um ihn in seiner Betriebsratstätigkeit einzuschränken bzw zu behindern. Dies verstoße gegen § 115 Abs 3 ArbVG. Hilfsweise liege eine Versetzung iSd § 10 VBO bzw § 101 ArbVG vor, welche rechtswidrig sei.
Der Kläger sei als Straßenbahnfahrer bei den C* tätig. Sein Dienstort sei immer schon der Bahnhof D* im Sektor West gewesen. Dort sei er als Betriebsrat gewählt worden und habe gute Kontakte zur Belegschaft. Die Versetzung zum Bahnhof E* benachteilige ihn, weil er vorwiegend von der Belegschaft des Bahnhofs D* und des Sektors West gewählt worden sei. Dort sei er integriert und kenne die Vorgänge sowie Abläufe. Durch die Versetzung vom Sektor West zum Sektor Mitte sei dem Kläger seine Betriebsratstätigkeit erheblich erschwert. Dies verstoße gegen § 115 Abs 3 ArbVG. Insgesamt stelle das Verhalten der Beklagten einen Einschüchterungsversuch dar, um den Kläger von der Wahrnehmung seiner Betriebsratstätigkeit abzuhalten. Der Kläger verfüge über keinen Pkw, um besser zu seiner Arbeitsstätte gelangen zu können. Es läge somit eine Versetzung nach § 10 VBO sowie § 101 ArbVG vor und sei die Anreise des Klägers zur Arbeit nunmehr erheblich erschwert. Es lägen keine betrieblichen Gründe für die Versetzung vor. Der Betriebsrat sei nicht mit Versetzung des Klägers befasst worden.
Die Beklagte bestritt. Der Dienstort des Klägers sei **. Es läge keine Versetzung im Sinne des § 10 VBO vor, da sowohl der Bahnhof D* als auch der Bahnhof E* zu derselben Dienstelle „Betrieb“ gehören würden. § 101 ArbVG sei nicht anwendbar. Die vom Kläger angegebenen Beeinträchtigungen würden auch nicht seine Arbeitsbedingungen, sondern wenn überhaupt die Ausübung des Betriebsratsmandats betreffen. Der Kläger habe nur vage angegeben, dass die Anreise nunmehr „sehr schwierig“ sei. Die Zuteilung zu einem anderen Bahnhof sei aufgrund mehrerer Beschwerden von Mitarbeitern der C* erfolgt, die dem Kläger und seiner Lebensgefährtin Mobbing und Diskriminierung vorgeworfen hätten. Die Compliance-Abteilung der C* habe die räumliche Trennung des Klägers und seiner Lebensgefährtin am Arbeitsplatz empfohlen. Der Kläger könne sich nicht auf den Schutz des § 115 Abs 3 ArbVG berufen. Der Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats „Betrieb“ erstrecke sich auf den gesamten Fahrbetrieb der C*. Wenn der Kläger ins Treffen führe, dass er vorwiegend von der Belegschaft, welche am Bahnhof D* und im Sektor West tätig ist, gewählt worden sei, zeige er, dass er sich scheinbar nur zur Vertretung eines Teils der Belegschaft berufen sehe. Dies entspräche jedoch nicht seiner Aufgabenstellung sowie dem Gesetz.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es ging dabei von dem eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt (Seiten 3 bis 6 der Urteilsausfertigung; soweit bekämpft fett ) aus.
Rechtlich folgerte es, der gesamte Fahrbetrieb der C* stelle eine Dienststelle dar, der Tatbestand des § 10 VBO 1995 sei nicht erfüllt. Der Kläger sei lediglich innerhalb seiner Dienststelle nicht mehr dem Sektor West, sondern dem Sektor Mitte zugeteilt. § 101 ArbVG sei daneben nicht parallel anwendbar.
Unter das Beschränkungsverbot des § 115 Abs 3 ArbVG würden jene Maßnahmen fallen, die den Arbeitnehmern im jeweiligen Betrieb die Anrufung des Betriebsrates bzw der Betriebsratsmitglieder untersagen oder unmöglich machen. Auch Versetzungen könnten unzulässig sein, wenn Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihres Mandats gehindert werden könnten oder ihnen ihre Vertretungsarbeit dadurch besonders erschwert würde.
Nach den Feststellungen werde der Kläger als Betriebsratsmitglied aber nicht in der Ausübung seines Mandats gehindert oder seine Vertretungsarbeit durch die Neuzuteilung des Startbahnhofs erschwert. Der Kläger sei nicht nur zur Vertretung seiner Wähler berufen. Dass der Kläger nach seinem Vorbringen in einem Sektor mehr Wähler als in einem anderen Sektor habe, begründe keine Benachteiligung oder Beschränkung im Sinne des § 115 Abs 3 ArbVG.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wesentlicher Verfahrensmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsstattgabe abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Beweisrüge
Um eine Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber angeben, welche konkrete Feststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft wird, sowie welche Feststellung aufgrund richtiger Beweiswürdigung (an deren Stelle) zu treffen gewesen wäre (stRsp, vgl zB 7 Ob 166/01i; RS0041835 [T5]).
1.1. Der Kläger bekämpft die (oben wiedergegebene) Feststellung F1 und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung:
„ Für die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben ist es erheblich, welchem Sektor man dienstzugeteilt ist.“
Der Kläger verweist auf seine Aussage.
Das Erstgericht begründete die bekämpfte Feststellung mit der Aussage des Zeugen G*. Dieser ist Betriebsratsvorsitzender des Betriebsrates „Betrieb“. Der Zeuge gab an, dass zwischen den Sektoren, insbesondere zwischen dem Sektor West und dem Sektor Mitte kein Unterschied bei den Tätigkeiten des Betriebsrates bestehe. Der Zeuge wurde auch konkret zur Zuständigkeit einzelner Betriebsräte befragt und gab an, dass es keine getrennte örtliche Zuständigkeit gebe. Man sei für alles zuständig (PA ON 32, S. 17).
Auch der Zeuge DI H* bestätigte, dass sich die Tätigkeiten als Betriebsratsmitglied im Sektor West und im Sektor Mitte grundsätzlich nicht unterscheiden (PA ON 32, S. 19).
Selbst der Kläger verneinte die Frage nach strukturellen Unterschieden zwischen E* und D* (PA ON 32, S. 9). Erst auf nochmaliges Befragen des Klagevertreters gab er an, dass er die Gepflogenheiten im Bahnhof E* nicht kenne (PA ON 32, S. 9). Wobei völlig offen blieb, was mit „Gepflogenheiten“ gemeint ist.
Wenn der Kläger darauf verweist, dass die Ausübung des Betriebsratsmandats in E* und in D* nicht dasselbe sei, weil er keinen Bezug zum dortigen Personal habe, ist ihm zu entgegnen, dass er als Mitglied des Betriebsrats „Betrieb“ nicht nur für die Mitarbeiter am Bahnhof D* zuständig ist, sondern für die ganze Belegschaft des Fahrbetriebs und damit für alle vier Sektoren West, Mitte, Süd und Nord. Letztlich musste auch der Kläger eingestehen, dass er nicht von allen Mitarbeitern des Sektor West die gesamte Dienstgeschichte kenne (PA ON 32, S. 13-14) und sich weiterhin Mitarbeiter vom Sektor West an ihn wenden und um Unterstützung anfragen können.
Die Feststellung des Erstgerichts bezieht sich allgemein auf die Betriebsratsaufgaben und ist angesichts der obigen Beweisergebnisse nicht zu beanstanden.
1.2. Der Kläger bekämpft weiters die (oben wiedergegebene) Feststellung F2 und begehrt stattdessen folgende Ersatzfeststellung: „Zwar sind die Aufgabenstellungen im gesamten Bereich „Betrieb“ der C* ähnlich, jedoch ist die faktische Ausübung des Betriebsratsmandats vom jeweiligen Sektor abhängig.“
Eine gesetzmäßige Beweisrüge setzt voraus, dass zwischen der bekämpften und der alternativ angestrebten Feststellung ein inhaltlicher Widerspruch besteht, weil die bekämpfte Feststellung ersetzt werden soll (vgl RS0041835 [insb T2], RS0043150 [T9]).
Der zweite Halbsatz der bekämpften Feststellung stimmt mit dem ersten Halbsatz der begehrten Ersatzfeststellung überein, sodass insoweit keine gesetzmäßige Beweisrüge vorliegt.
Hinsichtlich des zweiten Halbsatzes der begehrten Ersatzfeststellung ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass er selbst bestätigt hat, dass keine strukturellen Unterschiede zwischen E* und D* bestehen (PA ON 32, S. 9) und die Organisation die Gleiche sei (PA ON 32, S. 14). Auch wenn er angibt, dass der Mensch und nicht die Organisation im Vordergrund sei, ist daraus nicht abzuleiten, dass die faktische Ausübung des Betriebsratsmandats vom jeweiligen Sektor abhängig ist. Der Kläger kann auch bei einer Zuteilung zum Bahnhof E* weiterhin alle Mitarbeiter im gesamten Bereich „Betrieb“ beraten und vertreten. Das inkludiert auch die Mitarbeiter am Bahnhof D* bzw im Sektor West.
Die bekämpfte Feststellung ist nicht zu beanstanden.
2. Rechtsrüge
Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist als nächstes auf die Rechtsrüge einzugehen.
Der Kläger macht in seiner Berufung nur mehr einen Verstoß gegen § 115 Abs 3 ArbVG geltend. Eine Verletzung des § 10 VBO 1995 bzw von § 101 ArbVG ist nicht mehr berufungsgegenständlich.
2.1. Das Benachteiligungs- und Beschränkungsverbot nach Abs 3 sichert dem Betriebsratsmitglied die ungestörte Mandatsausübung, schützt vor mandatsbedingten Nachteilen und verhindert damit mögliche Mobbingszenarien gegenüber Betriebsratsmitgliedern ( Resch in Jabornegg/Resch/Födermayr , ArbVG § 115 Rz 53 (Stand 1.4.2021, rdb.at)).
Es sind grundsätzlich alle Anordnungen des Betriebsinhabers untersagt, die innerhalb des betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungsbereichs den Arbeitnehmern die Inanspruchnahme des Betriebsrats oder dem Betriebsrat die Ausübung seiner Befugnisse erschweren oder unmöglich machen. Eine Beschränkung der Betriebsratstätigkeit besteht in jedem Eingriff in den Ablauf des vom Betriebsratsmitglied in Aussicht genommenen Verhaltens im Rahmen der Interessenvertretung als Belegschaftsorgan. § 115 Abs 3 ArbVG schützt dabei nicht nur das Belegschaftsorgan als Gremium (9 ObA 175/08p, 9 ObA 133/12t), sondern auch jedes Betriebsratsmitglied vor einer Erschwerung oder Verhinderung seiner Mandatsausübung.
Mit der ArbVG-Novelle 1986 wurde iZm dem Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot im Besonderen die Unzulässigkeit von Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern, die der Ausübung des Mandates abträglich sein könnten, betont. Anstelle einer betriebsorganisatorisch objektiv erforderlichen Versetzung müsste der Betriebsinhaber eine zumutbare Umschulung des Betriebsratsmitglieds ermöglichen, um dessen Verbleib im Betrieb zu gewährleisten. Die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern an einen anderen Arbeitsplatz, durch Einteilung zu grundlegend anderen Arbeitszeiten (Schichten) oder zu anderen Arbeitsaufgaben ist – zusätzlich zu den für alle Arbeitnehmer geltenden Beschränkungen in vertragsrechtlicher Hinsicht sowie dem „kollektivrechtlich geprägten Versetzungsschutz“ – dann unzulässig, wenn sie dem Betreffenden die Ausübung seines Mandates erschweren würde ( Schneller in Gahleitner/Mosler , Arbeitsverfassungsrecht 36 § 115 ArbVG (Stand 1.1.2020, rdb.at)).
Die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern an weit entfernte, isolierte Baustellen ohne zwingende betriebliche Notwendigkeit ist ebenso als unzulässige Versetzung zu qualifizieren wie eine Versetzung in einen anderen Betrieb, ohne dass es hierfür zwingende sachliche Gründe gäbe ( Schneller in Gahleitner/Mosler , Arbeitsverfassungsrecht 3 6 § 115 ArbVG Rz 36 (Stand 1.1.2020, rdb.at) mwN).
Der OGH hat aus dem aus dem Benachteiligungs- und Beschränkungsverbot resultierenden Mandatsschutz ein Widerspruchsrecht eines Betriebsratsmitglieds bei Betriebsübergang abgeleitet, sofern im übergegangenen Betriebsteil nur so wenige Arbeitnehmer beschäftigt sind, dass die persönliche Grundlage für die Wiederwahl zweifelhaft erscheinen musste (8 ObA 105/97t). Die Entscheidung ist von der Besonderheit getragen, dass aufgrund der geringen Anzahl an Arbeitnehmern in dem übergegangenen Betriebsteil nicht nur die persönliche Grundlage für die (Wieder-)Wahl des Klägers, sondern auch eines anderen Betriebsratsmitgliedes zweifelhaft erscheinen musste (vgl § 40 Abs 1 ArbVG).
Der Kläger hat zwar vorgebracht, dass die aktuelle „Versetzung“ seine Tätigkeit als Betriebsrat behindere, da er hauptsächlich von der Belegschaft am Bahnhof D* und im Sektor West gewählt worden sei. Er hat dies aber in seinem Vorbringen nur auf die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten bezogen, nicht aber auf eine mögliche Wiederwahl (ON 16, S. 5).
2.2. Der Kläger wirft dem Erstgericht vor, keine Feststellungen in Bezug auf die konkrete Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben in den einzelnen Dienstorten getroffen zu haben.
Damit macht der Kläger das Fehlen entscheidungswesenticher Feststellungen iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO geltend. Das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass der Kläger in der Ausübung seines Mandats eingeschränkt worden sei, weil durch den Wechsel des Dienstortes die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen nicht bzw nur erschwert möglich sei, weil er mit den Gepflogenheiten in der Dienststelle E* nicht vertraut sei, die Arbeitnehmer am Bahnhof E* nicht kenne und die Anfahrtszeit deutlich länger sei.
Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317).
Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Betriebsrat „Betrieb“ der Vertretung des gesamten Personals des Fahrbetriebs der C* aller vier Betriebsreferate dient. Er umfasst den Betrieb der U-Bahn, der Autobusse, der Straßenbahnen, Planung, Innovation, der Betriebsleitstellen, der betrieblichen Ausbildung und der Sicherheit. Ein Betriebsratsmitglied aus dem Bereich „Betrieb“ ist für die Vertretung aller Arbeitnehmer aus dem Fahrbetrieb der C* zuständig. In den Aufgabenbereich der Betriebsräte des Bereiches „Betrieb“ fällt die Teilnahme an Betriebsratssitzungen sowie die Behandlung von konkreten Fragen bzw Problemen einzelner Arbeitnehmer. Der Kläger war zB behilflich, Urlaub zu beantragen oder neue Kollegen einzuführen. Betriebsratskollegen in anderen Sektoren haben dabei die gleichen Aufgaben wie der Kläger als Betriebsrat ausgeübt. Darüber hinaus haben die Betriebsräte die Dienst- und Fahrpläne zu kontrollieren. Dabei wird nicht zwischen den einzelnen Sektoren unterschieden. Für die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben ist es unerheblich, welchem Sektor man zugeteilt ist.
Zusätzlich kann der Kläger als Betriebsrat von einem Mitarbeiter zur Unterstützung angefordert werden. Dabei macht es keinen Unterschied, welchem Sektor der anfordernde Mitarbeiter und der angeforderte Betriebsrat zugeteilt ist. Der Kläger kann von allen Mitarbeitern des Bereichs „Betrieb“ zur Hilfe gerufen werden und erstreckt sich seine betriebsrätliche Zuständigkeit auf alle Mitarbeiter und Vorgänge im Bereich „Betrieb“ der C*.
2.3. Einer Feststellung, dass der Kläger mit den Gepflogenheiten in der Dienststelle E* nicht vertraut sei und die Arbeitnehmer am Bahnhof E* nicht kenne, bedurfte es nicht. Ebenso wenig einer Feststellung über die Anfahrtszeit. Die Dauer einer allfälligen Anfahrt zum Startbahnhof betrifft nicht die Ausübung des Betriebsratsmandats des Klägers. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht Nachtbusse benutzen können soll, um zum Bahnhof E* zu gelangen. Ob aufgrund des Wechsels des Startbahnhofs die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen nicht bzw nur erschwert möglich ist, ist die rechtliche conclusio und keiner Feststellung zugänglich.
Auf Grundlage des festgestellten – oben im Wesentlichen wiedergegebenen - Sachverhalts ist eine Einschränkung der Tätigkeit des Klägers als Betriebsrat nicht abzuleiten. Er kann weiterhin für die Arbeitnehmer am Bahnhof E* als Betriebsrat zur Verfügung stehen und von diesen angefragt werden. Letztlich musste auch der Kläger in seiner Einvernahme eingestehen, dass dies der Fall sei. Es gehe nicht um die, mit denen er schon Erfahrung habe. Sondern um die 40 bis 60 neuen Fahrer, die seit vorigem Jahr Juni, neu dazu gekommen seien am Bahnhof D*. Da werde er angerufen und kenne die Kollegen nicht. Er müsse dann erst einmal in der Diensteinteilung schauen, was man brauche und wie man helfen könne (PA ON 32, S. 14). Inwiefern ein Unterschied bestehen sollte zwischen der Notwendigkeit, die neuen Mitarbeiter am Bahnhof D* kennenzulernen und jener, die Mitarbeiter am Bahnhof E* kennenzulernen, konnte der Kläger nicht schlüssig begründen. Vielmehr bestätigte der Kläger selbst, dass er die Disponenten und anderen Leute im Sektor Mitte kennen lernen könne und die Organisation die Gleiche sei (PA ON 32, S. 14-15). An der Ausübung der Betriebsratstätigkeit durch den Kläger hat sich daher durch den geänderten Startbahnhof nichts geändert. Er kann weiterhin sämtliche Mitarbeiter des Fahrbetriebs unterstützen und von diesen angefordert werden. Er kann und soll weiterhin die Fahrpläne kontrollieren und an den Betriebsratssitzungen teilnehmen. Auf das Motiv der Beklagten, den Startbahnhof zu ändern, kommt es damit nicht mehr an.
3. Mängelrüge
Der Kläger moniert die unterbliebene Einvernahme der Zeugen I*, J*, K*, L*, M*, N*, O* als Verfahrensmangel.
3.1. Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrunds der Mangelhaftigkeit erfordert, dass der Berufungswerber die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen anführt, die bei Durchführung eines mangelfreien Verfahrens zu treffen gewesen wären (RS0043039).
3.2. Der Kläger beantragte die Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger Betriebsrat und Fahrer gewesen sei und dass weder der Kläger noch ihm zuzuordnende Personen ein Mobbingverhalten an den Tag gelegt hätten und der Kläger auch mit keinen Beschwerden konfrontiert worden sei (PA ON 32, S. 2-3). Der Zeuge I* sei anwesend gewesen beim Gespräch über die Versetzung (PA ON 32, S. 3).
3.3. Dass der Kläger Betriebsrat und Fahrer war, hat das Erstgericht seinen Feststellungen ohnedies zugrunde gelegt. Zur Frage des Mobbings waren aus rechtlichen Erwägungen keine Beweise mehr aufzunehmen. In der unterbliebenen Einvernahme der Zeugen zu diesem Thema kann daher auch kein Verfahrensmangel liegen.
Der Inhalt des Gesprächs vom 29.5.2024 – in welchem dem Kläger der neue Startbahnhof bekannt gegeben worden war – ist nicht von Bedeutung. Es war zwischen den Parteien unstrittig, dass dem Kläger am 29.5.2024 mitgeteilt wurde, dass er ab 1.6.2024 dem Startbahnhof E* im Sektor Mitte zugeteilt werde. Ein darüber hinausgehenden Inhalt des Gesprächs am 29.5.2024 hat der Kläger nicht vorgebracht.
3.4. Die Zeugenanträge wurden mehrfach erörtert. Der Kläger hat – entgegen seinem Berufungsvorbringen – die Einvernahme des Zeugen I* nicht zum Beweisthema, die beklagte Partei bezwecke, mit der Versetzung des Klägers diesem die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit zu erschweren, beantragt (ON 32, S. 2-4). Vielmehr hat er die Einvernahme des Zeugen I* zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger Betriebsrat und Fahrer gewesen sei und zum Themenkreis Mobbing, fehlende Informationen des Klägers und nicht vorhandene Verwarnungen des Klägers sowie zum „Gespräch über die Versetzung“ beantragt.
Der Kläger vermag damit keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
4. Die Berufung ist daher insgesamt nicht berechtigt.
5. Nach § 58 Abs 1 ASGG steht einer Partei in Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu. Jede Partei hat daher in solchen Verfahren die ihr erwachsenen Prozesskosten der ersten und zweiten Instanz selbst zu tragen. Gemäß § 50 Abs 2 ASGG sind Arbeitsrechtssachen (unter anderem) auch Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten) ergeben. Damit ist klar, dass sich nach dem ArbVG richtet, welche Ansprüche bestehen können. Die Ansprüche aus der Betriebsverfassung sind generell nicht eingeengt; das können Leistungs- (einschließlich Duldungs- oder Unterlassungs-)Ansprüche sein, auch Feststellungsklagen und Rechtsgestaltungsklagen sind möglich. Ob es sich um ein solches Verfahren nach Abs 2 handelt, wird grundsätzlich danach beurteilt, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch seiner Art nach ein betriebsverfassungsrechtlicher ist, unabhängig davon, ob der geltend gemachte betriebsverfassungsrechtliche Anspruch materiell besteht (RS0086034; RW0000403)
Gegenstand der Berufung des Klägers ist die behauptete Benachteiligung aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit iSd § 115 ArbVG. Dies stellt sich somit als die Geltendmachung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses aus den Bestimmungen der Betriebsverfassung (ArbVG II. Teil) dar. Ein Kostenersatz findet damit im Berufungsverfahren nicht statt (vgl. 8 ObA 58/13g).
6. Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG nicht zulässig.
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