Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, Pensionistin, **, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 31.130,-- s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 28.07.2025, **-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.269,22 (darin EUR 544,87 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat und über keine österreichische Glücksspiellizenz verfügt, hat auf der Website ** Online-Glücksspiele angeboten. Die Klägerin hat von April 2019 bis Juni 2022 beim Spiel auf dieser Website Verluste von EUR 31.130.-- erlitten.
Die Klägerin begehrt die Zurückzahlung der Verluste und bringt vor, die Beklagte betreibe ein Online-Casino ohne Lizenz nach dem GSpG, weshalb die abgeschlossenen Glücksspielverträge nichtig und rückabzuwickeln seien.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und bringt zusammengefasst vor, sie unterliege der Aufsicht der maltesischen Regulierungsbehörde für Lotterie- und Glücksspiel (Malta Gaming Authority) und verfüge über aufrechte Glücksspiellizenzen in Malta, sodass sie rechtmäßig Online-Glücksspiel im europäischen Binnenmarkt, inklusive Österreich, anbiete. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung des österreichischen Glücksspielgesetzes sei aus mehreren - umfangreich dargestellten - Gründen unionsrechtswidrig und somit unwirksam. Das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei daher nicht rechtswidrig, die geschlossenen Verträge seien wirksam.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es stellte den auf den Urteilsseiten 1 und 3 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Rechtlich erwog es, es sei von einer Unionsrechtskonformität der relevanten Bestimmungen des GSpG auszugehen. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag sei nichtig. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil in einem gänzlich abweisenden Sinne abzuändern. Hilfsweise strebt sie die Aufhebung des Urteils an.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen“ (Beweisantrag S 35 in ON 9: „Sachverständigengutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing“) nicht eingeholt hat. Aufgrund dieses Gutachtens hätte sich ergeben, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.
1.2. Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber gar keine Feststellungen getroffen, weshalb der von der Berufung relevierte Umstand keinen (primären) Stoffsammlungsmangel sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnte, der mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln ist. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (vgl RS0043304).
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. Die Berufungswerberin behauptet in der Rechtsrüge im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Ihrer Ansicht nach fehlen Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarktes, der stetigen Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, den exzessiven Werbemaßnahmen, welche von den Konzessionsinhabern betrieben und stetig ausgeweitet würden, der steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und der Unwirksamkeit des Spielerschutzes mangels ausreichender Kontrolle. Die österreichischen Höchstgerichte hätten sich mit der unterschiedliche Behandlung von Glücksspiel und Sportwetten, dem Wachstum des Glücksspielmarktes, den Werbemaßnahmen, welche von der Berufungswerberin aufgezeigt worden seien, der unzureichende Kontrolle der Werbung, der Unwirksamkeit des Spielerschutzes und dem unzureichenden Rahmen für die Vollziehung aufgrund der Kompetenzverteilung und nicht aufzulösender Interessenskonflikte und Mehrfachfunktionen des BMF in ihrer bisherigen Judikatur nicht ausreichend auseinandergesetzt.
2.2. Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische Glücksspielmonopol- bzw. Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere auch der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht, wobei auf die Zusammenfassung der entsprechenden Rechtsprechung zu 9 Ob 20/21p sowie die Entscheidungen 1 Ob 135/21s und 4 Ob 94/21h verwiesen werden kann. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach dem klagsgegenständlichen Spielzeitraum sind bereits etliche weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshof ergangen, welche an der bisherigen Judikatur festhalten (so insbesondere jüngst: 7 Ob 112/25h; 3 Ob 210/24i; 2 Ob 194/24d; 2 Ob 198/24t).
2.3. Der Oberste Gerichtshof hat dabei auch sämtliche Aspekte, die die Beklagte im Verfahren ins Treffen führte, ausdrücklich behandelt. So hat er auch die Argumente, wonach der Spielerschutz durch die bestehenden Regeln nicht gewährleistet wäre (1 Ob 229/20p; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) wie die Unterscheidung von Online-Glückspiel und Online-Sportwetten (1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 17]; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) bereits ausführlich behandelt.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes C-920/19, Fluctus/Fluentum, wurde auch das inkriminierte Werbeverhalten der Konzessionsinhaber mehrfach behandelt und vom Obersten Gerichtshof eine daraus resultierende Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich verneint (zB 1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 12]; 3 Ob 72/21s).
Aus den von der Beklagten aufgezeigten Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen und der Aufsicht über die Konzessionäre und Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der C* AG (S 39 f in ON 9) ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten. § 56 GSpG wurde vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis E 945/2016 für unbedenklich erachtet. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht zu dem von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang angeregten Vorabentscheidungsersuchen veranlasst.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ändert auch die – lediglich in erster Instanz ins Treffen geführte (vgl S 37 in ON 9) - Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) nichts an dieser Beurteilung. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 3 Ob 69/23b).
Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral).
2.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten reichen die getroffenen Feststellungen für eine rechtliche Beurteilung daher aus. Neue Aspekte, die in den zitierten Entscheidungen nicht schon behandelt wurden, hat die Beklagte nicht vorgebracht; es kann daher auf diese Entscheidungen verwiesen werden, welchen sich das Berufungsgericht anschließt.
Der unberechtigten Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
4. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtslage durch die umfassende Judikatur des Obersten Gerichtshofes ausreichend geklärt ist (§ 502 Abs
1 ZPO).
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