Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, den Richter Mag. Zechmeister und die Richterin Dr. Heissenberger, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter MinRat Dr. Ludwig Josef Melicher und DI Oliver Leo Schreiber in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Franz Scharf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau , **, vertreten durch Mag. Josef Weiner, ebendort, wegen Feststellung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.3.2025, **-13, gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 20.06.2024 lehnte die Beklagte die Anerkennung der am 03.06.2023 gemeldeten Ansteckung der Klägerin mit COVID-19 im Juni 2022 als Dienstunfall gemäß § 90 B-KUVG ab und verweigerte Leistungen aus ihrer Unfallversicherung gemäß § 88 ff B-KUVG aus Anlass einer COVID-19-Infektion im Juni 2022 mangels Vorliegens einer Berufskrankheit.
Dagegen erhob die Klägerin Klage. Sie stellte darin folgende Begehren:
„1. Es wird festgestellt, dass es sich bei der von der Klägerin am 3.6.2023 gemeldeten berufsbedingt erlittenen Ansteckung mit COVID-19 um einen Dienstunfall handelt.
2. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin aufgrund des durch die Ansteckung mit dem „COVID-19 Virus“ erlittenen Dienstunfalls Leistungen im Sinn der §§ 88 ff B-KUVG im gesetzlichen Ausmaß zu erbringen sowie binnen 14 Tagen der Klägerin zu Handen des Klagevertreters die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen.“
Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Ansteckung mit COVID-19 als Exekutivbeamtin am Flughafen B* tätig gewesen sei. Am 27.06.2022 habe sie mit einem offenkundig erkrankten Kind Kontakt gehabt, weil dessen Mutter um Hilfe ersucht habe. Das Kind würde sich krank fühlen und habe sich bereits übergeben. Seine Kleidung sei mit Erbrochenen beschmutzt gewesen. Sie habe das Kind zu einer nicht-öffentlich zugänglichen Toilettenanlage geführt, wo sich dieses noch einige Male übergeben habe. Danach habe sie das Gesicht des Kindes, seinen Hals, seine Hände und sein T-Shirt notdürftig gereinigt. Sie habe während der gesamten Amtshandlung eine FFP2-Maske getragen. Das Kind habe jedoch, weil es sich ständig übergeben habe müssen, keine Maske tragen können. Es sei davon auszugehen, dass sie sich bei diesem Kontakt mit COVID-19 infiziert habe, weil sie unmittelbar danach erkrankt sei, ohne mit anderen erkrankten Personen Kontakt gehabt zu haben. Die Ansteckung sei daher durch eine dienstliche Tätigkeit erfolgt. Bereits am 28.06.2022 habe sie sich schwach bzw. krank gefühlt. Erstmalig am 01.07.2022 habe sie sich positiv auf COVID-19 getestet, nachdem ein Test am 29.06.2022 noch negativ gewesen sei. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft C* sei sie dann am 02.07.2022 für 10 Tage abgesondert worden. An ihrem Arbeitsort und bei ihrem Beruf liege eine vergleichbare Gefährdung vor, wie in den anderen in Anlage 1, Liste der Berufskrankheiten (§ 177 ASVG), genannten Einrichtungen. Sie habe sich daher in einem geschützten Unternehmen im Sinne der Anlage 1 (§ 177 ASVG) mit COVID-19 angesteckt. Sie habe sich von dieser Erkrankung bis dato nicht erholt und leide nach wie vor an den Erkrankungsfolgen.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Sie wandte im Wesentlichen ein, dass die Klägerin weder in einem geschützten Unternehmen im Sinne der Anlage 1 zum ASVG tätig sei, noch ein Fall der Generalklausel vorliege, wonach eine Erkrankung im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden könne. Nach der Judikatur stelle eine allfällige Ansteckung mit COVID-19 auch keinesfalls einen Dienstunfall dar. Die Ansteckung müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ansteckung jedoch beim ungeschützten täglichen Umgang mit Familienangehörigen oder bei alltäglichen Verrichtungen, wie Einkaufen, erfolgt sei, wäre zumindest gleich hoch wie die Ansteckung im Betrieb. Es mangle an einem typischen formelhaften Geschehnisablauf, sodass der Anscheinsbeweis nicht zulässig sei. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs erlaube die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht, unaufgeklärt bleibende Umstände gingen zu Lasten des Geschädigten. Es liege an der Klägerin, konkret nachzuweisen, wann, wo, und auf welche Weise das ihrer Ansicht nach als Dienstunfall zu wertende Ereignis stattgefunden haben solle. Dabei stelle die Behauptung, das von ihr betreute Kind sei an COVID-19 erkrankt, reine Spekulation dar.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
„Die am ** geborene Klägerin arbeitet als Exekutivbeamtin am Flughafen B*. Dabei hielt sie sich in der Regel hinter den Sicherheitsschleusen des Flughafens auf – wobei sie und ihre Kolleginnen und Kollegen nicht von den übrigen Passagieren getrennt sind – und hat im Zuge ihrer Tätigkeit regelmäßig Kontakt mit anderen Menschen wie z.B. den Passagieren.
Am 27.06.2022 verrichtete die Klägerin ihren Dienst am Flughafen B* als eine Passagierin mit ihrem etwa 5 Jahre alten Sohn zu ihr kam und sie um Hilfe bat. Sie teilte der Klägerin mit, dass ihr Sohn sich schon mehrmals übergeben habe und ihr Flugzeug in etwa einer halben Stunde abfliegen würde. Der Bub machte auf die Klägerin einen kranken Eindruck, weil er glasige Augen hatte und ein gerötetes Gesicht. Die Klägerin fragte die Passagierin, ob der Bub auf COVID-19 getestet worden sei, woraufhin die Passagierin ihr antwortete, dass keine Erkrankung vorliege. Die Klägerin begleitete den Buben – wobei dieser und auch sie selbst Schutzmasken trugen – auf eine WC-Anlage der Bediensteten der Polizei. Dort angekommen, reinigte die Klägerin den Buben notdürftig, weil seine Hände und sein Mund durch Erbrochenes verschmutzt waren. Der Bub übergab sich jedoch auf der WC-Anlage abermals. Die Klägerin reinigte ihn danach neuerlich, wobei sich nicht verhindern ließ, dass der Bub ihre Uniform berührte. Danach übergab die Klägerin den Buben wieder der Passagierin. Vom Eintreffen der Passagierin mit dem Buben bei der Klägerin bis zur Übergabe des Buben durch die Klägerin an die Passagierin vergingen maximal 10 Minuten.
Zwei Tage nach dem Einsatz verspürte die Klägerin Krankheitssymptome und fühlte sich unwohl. Die Symptome wurden stärker und am 01.07.2022 testete sich die Klägerin erstmals positiv auf COVID-19.
Die Klägerin lebte im Juni 2022 zusammen mit ihrer Tochter. Der Lebensgefährte der Klägerin hatte einen eigenen Wohnsitz. Die Klägerin testete sich – genauso wie ihre Kolleginnen und Kollegen – jeden Tag vor Dienstantritt auf COVID-19, im Dienst trugen alle stets eine Schutzmaske. Ihren Arbeitsweg legte sie alleine mit dem Auto zurück, soziale Kontakte vermied sie. Ihre Tochter ging damals zur Schule und wurde ebenfalls täglich auf COVID-19 getestet. Der Lebensgefährte der Klägerin verrichtete die Einkäufe und brachte ihr diese sodann nach Hause. Nicht festgestellt werden kann, bei welcher Gelegenheit und zu welchem Zeitpunkt sich die Klägerin mit dem COVID-19-Virus ansteckte.“
Rechtlich begründete das Erstgericht seine Entscheidung wie folgt:
Eingangs sei festzuhalten, dass die Ansteckung mit COVID-19 allenfalls als Berufskrankheit gewertet werden könne, nicht jedoch als Arbeits- bzw. Dienstunfall (vgl 10 ObS 85/23g).
Gemäß § 92 Abs 1 B-KUVG gälten als Berufskrankheiten die in der Anlage 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung des die Versicherung begründenden Dienstverhältnisses in einem in Spalte 3 dieser Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht seien, mit der Maßgabe, dass unter dem in der Anlage 1 zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz verwendeten Begriff der Unternehmen entsprechend auch die Dienststätten der nach diesem Bundesgesetz unfallversicherten Personen zu verstehen seien. § 92 B-KUVG sei eine Parallelbestimmung zu § 177 ASVG.
Wenngleich gemäß § 87 Abs 1 ASGG zwar das Gericht in Sozialrechtssachen sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen habe, ändere dies allerdings nichts daran, dass die Klägerin die objektive Beweislast für den rechtserzeugenden Sachverhalt treffe. Bei Behauptung des Vorliegens einer Berufskrankheit treffe – ungeachtet der Berufskrankheiten-Liste – die versicherte Person die objektive Beweislast dafür, dass das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen sei. Bei Berufskrankheiten im Einzelfall nach Abs 2 müsste es sich um ein Krankheitsgeschehen handeln, das nicht nur in einem Einzelfall auftrete, sondern in signifikanter (wenngleich auch nicht notwendig in typischer) Weise im Zusammenhang mit bestimmten beruflichen Einflüssen der im Gesetz genannten Art (also nicht in gleicher Weise auch außerhalb dieser) auftrete und auf diese Einflüsse kausal rückführbar sei. Es sei also sowohl bei Listen-Berufskrankheiten als auch bei Berufskrankheiten im Einzelfall wesentlich, dass das Vorkommen einer bestimmten Krankheit unter bestimmten Bedingungen des Arbeitsplatzes deutlich höher sei als im Alltag.
Ein Tatbestand mit typischem formelhaften Geschehnisablauf könne in der gegenständlichen Angelegenheit nicht angenommen werden. Die Regeln des Anscheinsbeweises, welcher nur dann zulässig seien, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement bestehe, kämen somit nicht zur Anwendung.
Abgesehen von der hier nicht in Betracht kommenden Sonderbestimmung des § 87 Abs 4 ASGG sei auch in Sozialrechtssachen von der Geltung der allgemeinen Grundsätze für die Beweislastverteilung auszugehen. Ein Anspruch könne daher nur bejaht werden, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen seien. Die Klägerin habe jedoch nicht zu beweisen vermocht, dass sie sich bei ihrer dienstlichen Tätigkeit mit COVID-19 angesteckt habe, also dass ihre COVID-19 Erkrankung durch Ausübung des die Versicherung begründenden Dienstverhältnisses begründet worden sei. Es mangle also an der ausreichenden Kausalität der dienstlichen Verrichtung für die bei der Klägerin aufgetretene COVID-19 Erkrankung, sodass ihre Klage schon aus diesem Grund abzuweisen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin erhebt formal zwar lediglich eine Tatsachenrüge, inhaltlich weist die Berufung jedoch auch Elemente einer – zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführten – Rechtsrüge auf.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Unter lit a) der Berufung bekämpft die Klägerin folgende erstgerichtliche Feststellung:
„Die Klägerin begleitete den Buben – wobei dieser und auch sie selbst Schutzmasken trugen – auf eine WC-Anlage der Bediensteten der Polizei.“
Stattdessen begehrt sie folgende Ersatzfeststellung:
„Die Klägerin begleitete den Buben – wobei lediglich die Klägerin eine Schutzmaske trug – auf eine WC-Anlage der Bediensteten der Polizei.“
Die Klägerin führt dazu begründend aus, dass das Erstgericht die getroffene Feststellung auf ihre Aussage gestützt habe. Diese Feststellung stehe jedoch in Widerspruch zu ihrer Aussage. Sie habe bei ihrer Parteienvernehmung angegeben, dass der kleine Bub keine Maske getragen habe. Auch der vernommene Zeuge GI D* habe angegeben, dass der Bub, als er ihn gesehen habe, keine Maske mehr getragen habe. Dass der Bub eine Maske getragen habe, ergebe sich aus dem Beweisverfahren nicht.
Durch die begehrte Ersatzfeststellung sei der Klägerin der objektive Beweis dafür gelungen, dass ihre Covid-19-Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf ihre dienstliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Durch die begehrte Ersatzfeststellung ergebe sich auch, „dass die Covid-19-Erkrankung der Klägerin unter diesen Bedingungen deutlich höher ist als im Alltag“, wo sie keine sozialen Kontakte und keine Fahrgemeinschaften gehabt habe.
Der Klägerin ist zuzugestehen, dass sie bei ihrer Parteienvernehmung ausgesagt hat, dass der kleine Bub keine Maske getragen habe. Richtig gibt die Klägerin auch die Aussage des Zeugen GI D* wieder. Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die bekämpfte Feststellung, wonach der Bub selbst eine Schutzmaske trug, in Widerspruch zu diesen Beweisergebnissen steht und es im erstinstanzlichen Verfahren auch keine sonstigen Beweisergebnisse gibt, die diese bekämpfte Feststellung stützen könnten.
Diese Tatsachenrüge geht jedoch aus rechtlichen Gründen ins Leere. Auch bei Treffen der begehrten Ersatzfeststellung würde man nicht zu dem – rechtlich erforderlichen – Ergebnis gelangen, dass die Covid-19-Erkrankung der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen sei (RIS-Justiz RS0084375 [T1]; Näheres dazu s. 10 ObS 132/22t; 10 ObS 108/22p ua), insbesondere nicht durch den festgestellten Kontakt mit dem Buben am 27.6.2022.
Dass sich die Klägerin durch diesen Kontakt mit dem Buben mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Covid-19 angesteckt habe, ist auch bei Treffen dieser Ersatzfeststellung aus zahlreichen Gründen – und sogar dann, wenn man von der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im gegenständlichen Fall ausginge – nicht gegeben. So gibt es nicht einmal eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass dieser Bub überhaupt an Covid-19 erkrankt war. So stellte beispielsweise das Erstgericht unbekämpft fest, dass die Mutter des Buben auf die Frage der Klägerin, ob der Bub auf Covid-19 getestet worden sei, ihr geantwortet habe, dass keine Erkrankung vorliege. Zusätzlich zu dieser Feststellung ist in diesem Zusammenhang auf die eigene Aussage der Klägerin zu verweisen, wonach die Mutter des Buben die Frage der Klägerin, ob der Bub (offensichtlich gemeint: auf Covid-19) getestet worden sei, dies sogar explizit bejaht hatte (vgl. Tagsatzungsprotokoll ON 7.2, S 2). Wie gerichtsbekannt und sogar allgemein bekannt ist, handelt es sich überdies bei dem festgestellten mehrmaligen Erbrechen des Buben auch nicht um typische Covid-19-Krankheitssymptome.
Zusammengefasst gibt es überhaupt keine ausreichend stichhaltigen Beweisergebnisse, auf Grund derer man von einer Covid-19-Erkrankung des Buben hätte ausgehen können. Auch der Zeuge GI D* stellte in diesem Zusammenhang lediglich Mutmaßungen an (vgl. Tagsatzungsprotokoll ON 11.3, S 3), denen es an einer ausreichenden – insbesondere medizinischen – Grundlage mangelt.
Abgesehen davon, dass es keine stichhaltigen Hinweise darauf gibt, dass der Bub an Covid-19 erkrankt gewesen wäre, gibt es zahlreiche weitere Aspekte, die dagegen sprechen, dass die Covid-19-Erkrankung der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den festgestellten Kontakt mit dem Buben zurückzuführen wäre. So wies bereits das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung zutreffend darauf hin, dass es etwa durchaus denkbar sei, dass sich die Klägerin trotz aller Vorsichtsmaßnahmen in ihrer Freizeit bzw. im Rahmen ihres Privatlebens mit Covid-19 angesteckt habe, zumal ein gänzliches Fernbleiben von anderen Personen kaum möglich sei. So hätten etwa auch ihre Tochter oder ihr Lebensgefährte unbemerkt – etwa weil Covid-Tests defekt gewesen seien oder die Viruslast noch nicht stark genug gewesen sei – an Covid-19 erkrankt sein und das Virus an sie weitergeben können.
Ausgehend von diesen zutreffenden beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichts ist auch die von der Klägerin unter lit b) der Berufung bekämpfte Negativfeststellung nicht zu beanstanden, wonach nicht festgestellt werden kann, bei welcher Gelegenheit und zu welchem Zeitpunkt sich die Klägerin mit dem Covid-19-Virus ansteckte.
Für die von der Klägerin stattdessen gewünschte Ersatzfeststellung, dass sie sich bei ihrer dienstlichen Tätigkeit als Exekutivbeamtin am 27.6.2022 – konkret bei der Versorgung eines an Covid-19 erkrankten Buben in der WC-Anlage der Bediensteten der Polizei bei der zentralen Sicherheitskontrolle im Terminal 2 des Flughafen B* – mit dem Covid-19-Virus angesteckt habe, gibt es keine ausreichenden Beweisergebnisse, und zwar auch nicht einmal dann, wenn man von der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im gegenständlichen Fall ausginge. Wie oben bereits aufgezeigt wurde, liegen keine ausreichend stichhaltigen Hinweise dafür vor, dass dieser Bub überhaupt an Covid-19 erkrankt gewesen wäre.
Unter lit b) der Tatsachenrüge enthält die Berufung auch Ausführungen, die inhaltlich als Rechtsrüge zu qualifizieren sind. Die Klägerin steht hier nämlich zusammengefasst auch auf dem Standpunkt, dass ein typischer Geschehensablauf vorliege, der einen Anscheinsbeweis zulässig mache.
Ob in einem bestimmten Fall ein Anscheinsbeweis zulässig ist, stellt eine Rechtsfrage dar (Näheres dazu s. z.B. 10 ObS 132/22t Punkt 1.3.; 10 ObS 108/22p Punkt 1.3. ua). Diesen Ausführungen der Klägerin kommt hier jedoch nicht die erforderliche rechtliche Relevanz zu. So wäre für die Klägerin nichts gewonnen, wenn man im Sinne ihrer Auffassung von der Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises im gegenständlichen Fall ausginge.
Auch bei Behaupten des Vorliegens einer Berufskrankheit trifft die objektive Beweislast, dass das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist (vgl RS0084375 [T1]), den Versicherten. Eine Umkehrung der Beweislast erfolgt nicht (RS0043249). Der haftungsbegründende Zusammenhang muss vom Versicherten, den die objektive Beweislast hinsichtlich der rechtsbegründenden Tatsachen trifft, als wahrscheinlich nachgewiesen werden; die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs genügt nicht (RS0084375). Ob der Anscheinsbeweis erbracht oder erschüttert worden ist, ist eine Beweisfrage (RS0086050 [T2, T11]; RS0022624).
Wie bereits zur Tatsachenrüge näher aufgezeigt wurde, gibt es keine stichhaltigen Beweisergebnisse dafür, dass der Bub an Covid-19 erkrankt gewesen wäre. Somit liegt insofern keine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor.
Soweit die Klägerin auf Seite 7 ihrer Berufung zusammengefasst auf dem Rechtsstandpunkt steht, dass sehr wohl ein Dienstunfall vorliege, geht die diesbezügliche – als Rechtsrüge anzusehende – Argumentation bereits mangels gesetzmäßiger Ausführung ins Leere. Die Klägerin setzt sich nämlich nicht mit der diesbezüglichen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts und der dort (zutreffend) zitierten Entscheidung 10 ObS 85/23g auseinander.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hingewiesen, dass es sich bei der Infektion mit Covid-19 grundsätzlich nicht um einen Arbeitsunfall handelt (RS0085380 [T5, T6]; jüngst etwa 10 ObS 64/25x). Davon ausgenommen sind lediglich – hier nicht gegebene – Fälle, in denen die Ansteckung auf ein unfallartiges Ereignis (Insektenstich, Biss, Injektion mit einer infizierten Nadel etc.) zurückgeht (10 ObS 64/25x Rz 5; 10 ObS 68/23g Rz 28; 10 ObS 85/23g Rz 30). Die „schlichte“ Ansteckung durch infizierte Personen – also insbesondere das Eindringen von Erregern in den Körper durch Tröpfcheninfektion – stellt kein derartiges unfallartiges Ereignis dar (10 Obs 64/25x Rz 5; 10 ObS 68/23g Rz 23 und 27; 10 ObS 85/23g Rz 25 und 29).
Da die Rechtsrüge bereits aus diesen Gründen ins Leere geht, erübrigt es sich, sich näher mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Klage in Bezug auf die geltend gemachte Berufskrankheit auch deswegen abzuweisen ist, weil die Klägerin in keinem der in Nr. 38 der Anlage 1 zum ASVG aufgezählten Unternehmen beschäftigt und auch keinem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt war, das jenes übersteigt, dem alle Erwerbstätigen ausgesetzt sind, die im intensiven, ständigen Kontakt mit Menschen stehen (Näheres dazu s. 10 ObS 64/25x Rz 7 f ua).
Der insgesamt unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände für einen Kostenersatz nach Billigkeit trotz vollständigen Unterliegens wurden von der Klägerin weder dargelegt noch ergeben sich diese aus der Aktenlage.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, da die Entscheidung auf einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beruht. Überdies war Gegenstand des Berufungsverfahrens im Wesentlichen eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage. Dies gilt auch dann, wenn man von der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im gegenständlichen Fall ausgeht (Näheres dazu s. 10 ObS 132/22t und 10 ObS 108/22p, je Rz 5 ff).
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