Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 25. April 2025, GZ **-26.4, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Körber und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS LL.M., ferner in Anwesenheit des Angeklagten A* und dessen Verteidigerin Mag. Eva-Maria Hintringer durchgeführten Berufungsverhandlung am 26. September 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene libysche Staatsangehörige A* des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach (richtig:) §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO sah die Erstrichterin vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 6. Dezember 2023 zu AZ ** zum Teil gewährten bedingten Strafnachsicht ab.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 8. Oktober 2024 in ** die Justizwachebeamtin Insp B* dadurch, dass er sie am Hemdkragen zu packen trachtete und ihr lautstark mit den – durch intensives In-die-Augen-Blicken sowie eine Bewegung mit der Hand verdeutlichten – Worten: „Du Tod und sterben“ zumindest eine Verletzung am Körper in Aussicht stellte, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verbringung in den Wartehaftraum der Justizanstalt Wiener Neustadt, zu hindern versucht.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die einschlägigen Vorstrafen erschwerend, mildernd demgegenüber das Verbleiben der Tat im Versuchsstadium.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 28), zu ON 36 fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.
Die zunächst zu behandelnde ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 476 Rz 9), auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 (iVm § 489 Abs 1) StPO gestützte Berufung wegen Nichtigkeit geht fehl.
Die Verfahrensrüge (nominell Z 4 und 5, inhaltlich Z 4) kritisiert einen Verstoß gegen die Manuduktionspflicht, weil die Erstrichterin es verabsäumt habe, den nicht durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten anzuleiten, einen Antrag auf Überprüfung der Zeugenaussage zu stellen, der zufolge die den Vorfall zeigenden Videos nach 72 Stunden gelöscht würden.
Angesichts der Angaben der Zeugin Insp B* (ON 26.3 S 13 f), wonach die Videoaufzeichnung über die Tathandlung über die 72 Stunden (siehe zum Speicherzeitraum auch § 102b Abs 6 StVG) hinaus nicht gespeichert worden sei, hätte es aber eines Vorbringens bedurft, weshalb eine solche Erhebung zu einem abweichenden Ergebnis hätte führen sollen. Fallbezogen bringt das Berufungsvorbringen somit nur bloße Spekulationen zum Ausdruck und stellt sich daher als im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung dar.
Die Schuldberufung ist ebenfalls nicht berechtigt, unterzog doch die Erstrichterin die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen sowie lebensnahen Würdigung und legte mit ausführlicher Begründung überzeugend dar, wie sie – nicht zuletzt durch den in der Hauptverhandlung gewonnenen unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten sowie der vernommenen Zeugen – zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte und weshalb sie der leugnenden Verantwortung des Berufungswerbers die Glaubwürdigkeit versagte (US 5 ff).
Die Feststellungen zum objektiven Tathergang stützte das Erstgericht schlüssig und unbedenklich insbesondere auf die Angaben der Zeugin Insp B* (ON 11.6 und ON 26.3 S 7 ff), die durch die Ausführungen des Zeugen C* (ON 11.5 und ON 26.3 S 17 ff) untermauert wurden. Dass sich die Zeugin B* in der Hauptverhandlung nicht mehr an jedes Detail des Vorfalls erinnern konnte, ist angesichts des mehr als sechsmonatigen Zurückliegens der Tat nicht verwunderlich. Zu Recht maß die Erstrichterin ihrer Aussage vor der Polizei daher besonderes Gewicht bei, weil diese auf einer frischen Erinnerung beruhte. Nachvollziehbar bezog die Erstrichterin die Schilderungen des unbeteiligten Zeugen C* in ihre Überlegungen ein, der nicht nur bestätigen konnte, dass sich der Angeklagte aggressiv verhielt, die Justizwachebeamtin lautstark anschrie und die Distanz zu dieser nicht einhielt, sondern darüber hinaus die Behauptung des Rechtsmittelwerbers widerlegte, kein Wort Deutsch sprechen zu können. Der Lebenserfahrung entsprechend begründete die Erstrichterin, weshalb sie die bis zuletzt leugnende Verantwortung des Angeklagten im Hinblick auf diese Belastungen als entkräftet ansah.
Entgegen der Berufung leitete das Erstgericht den Bedeutungsinhalt der Drohung ebenso wie die subjektive Tatseite (RIS-Justiz RS0116882; RS0098671; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 StPO Rz 452) stringent und schlüssig aus dem Wortlaut der Äußerung in Verbindung mit dem aggressiven Verhalten des Angeklagten ab (US 6).
Auf dieser Grundlage gelangte das Erstgericht zu Recht zu der Überzeugung, dass der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Tat begangen hat. Dass keine weiteren Zeugen unmittelbare Wahrnehmungen zum Tatgeschehen machen konnten, ändert dem Rechtsmittel zuwider daran nichts, gibt es doch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Insp B* den Angeklagten zu Unrecht belastete.
Indem die Schuldberufung sich letztlich darauf beschränkt, der schlüssigen und detaillierten Beweiswürdigung im Urteil schlicht eigene Auffassungen und Überlegungen entgegenzustellen, gelingt es ihr nicht, Bedenken an dieser zu wecken. Da der Angeklagte in seinem Rechtsmittel sohin nichts vorbrachte, was geeignet wäre, die sehr ausführliche, lebensnahe und kritische erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern und auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, ist die Schuldberufung zu verwerfen.
Schließlich ist die Berufung wegen Strafe nicht berechtigt, zumal der Angeklagte keine weiteren Milderungsgründe oder sonstige für ihn sprechende Argumente aufzuzeigen vermag.
Ganz im Gegenteil ist die Tatbegehung während laufenden Strafvollzugs als aggravierend zu gewichten (vgl 15 Os 16/99). Ebenso wirkt sich die Tatbegehung durch beide Alternativen des § 269 Abs 1 StGB erschwerend aus.
Zu Recht wertete die Erstrichterin trotz Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB sämtliche einschlägige Vorstrafen als erschwerend (RIS-Justiz RS0091527).
Bei rechtbesehener Abwägung der solcherart zum Nachteil des Berufungswerbers korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die verhängte Unrechtsfolge als tat- und schuldadäquat bemessen, weshalb die begehrte Herabsetzung der Sanktion nicht in Betracht kommt. Insbesondere sein Rückfall in einschlägige Delinquenz sogar während der Verbüßung einer Strafhaft verdeutlicht eine erhebliche kriminelle Neigung des Rechtsmittelwerbers und erfordert die Verhängung einer empfindlichen Sanktion.
Der begehrten Anwendung der §§ 43 f StGB steht das einschlägig massiv getrübte Vorleben des Angeklagten entgegen.
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