Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. November 2024, GZ **-13, sowie dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO ergangenen Beschluss vom selben Tag, nach der am 11. September 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener sowie des Verteidigers Dr. Schillhammer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* zweier Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./) sowie des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 (ergänze: Z 2) StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Zugleich mit dem Urteil fasste die Erstrichterin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB den Beschluss auf Widerruf der zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht (Freiheitsstrafe fünf Monate) .
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in ** B* C*
I./ gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und zwar
1./ am 25. August 2024 mit einer Verletzung am Körper ihres Bruders D*E*-C*, mithin einen Angehörigen, indem er ihr via WhatsApp die Textnachricht sendete: „ Deinen D* fisch sie sich zuerst... der hat eh so eine Schrotflinten Fresse.. Weißt du was das schöne daran ist wenn man so Krankenhaus reif geprügelt wird.. Da fällt ein Kratzer mehr oder weniger nicht auf “.
2./ am 31. Oktober 2024 mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er ihr auf WhatsApp folgende Sprachnachricht sendete: „ Irgendwann wird [zu hören ist ein mehrmaliges Klopfen] und dann ist Zahltag. Wenn du nicht damit rechnest, sowie nach dem Anwalt kommt das Rennen, dann kannst rennen, weil dann wird dir sicher keiner mehr helfen, kein Gericht mehr und die 154 die kannst dir dann auch sparen, die ist „obdraht“ da heißts dann nur noch [ein pfeifendes Geräusch] aufwärts, wie gesagt irgendwann einmal, man sieht sich immer zweimal im Leben. “
II./ im Zeitraum vom 18. August bis zum 14. November 2024 und zwar am 18. und 25. August 2024, am 28. und 29. September 2024, am 4., 6. bis 8., 11., 14., 15., 18., 20. bis 27. und 31. Oktober 2024 sowie am 14. November 2024, mithin eine längere Zeit hindurch in eine Weise, die geeignet war ihr Leben unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er ihr fortgesetzt per WhatsApp zahlreiche Text- und Sprachnachrichten sendete.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, den äußerst raschen Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, als mildernd hingegen das überwiegende Geständnis.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 15) und fristgerecht wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten sowie dessen Beschwerde gegen Beschluss auf Widerruf (ON 17).
Keines der Rechtsmittel ist berechtigt.
Bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach ( Ratz , WK-StPO § 476 Rz 9).
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO kritisiert der Rechtsmittelwerber unter dem Gesichtspunkt fehlender Individualisierung einen Widerspruch zwischen dem im Spruch unter anderem angeführten Tatzeitpunkt 15. Oktober 2024 und den Entscheidungsgründen, wo sich keine Feststellungen zu Tathandlungen an diesem Tag fänden und überzeugt damit nicht. Die zur Erfüllung des Tatbestandes des § 107a Abs 1 StGB geforderte „ Beharrlichkeit “ hängt nämlich in der Art eines beweglichen Systems von Dauer, Zeitabständen, Art und Schwere der einzelnen, wiederholten Stalking-Handlungen ab (vgl RIS-Justiz RS0130054). Dass der Entfall eines einzelnen Tatzeitpunktes unter vielen weiteren (siehe US 6) von Einfluss auf die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ist (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 272; RIS-Justiz RS0120334) und damit den Entfall der Subsumtion unter den Tatbestand des § 107a Abs 1 und 2 Z 2 StGB zur Folge hätte, hat der Rechtsmittelwerber nicht dargelegt. Dasselbe gilt in Anbetracht der Anführung des Gesamttatzeitraums 18. August 2024 bis 14. November 2024 in Spruch und Feststellungen (US 3 und 6) in Ansehung der behaupteten fehlenden Individualisierung der Tat in punkto Tatzeit (vgl erneut Ratz aaO Rz 290).
Die unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO vom Berufungswerber geortete Unvollständigkeit der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite bei den Schuldsprüchen I./ 1. und 2. liegt schon deswegen nicht vor, weil das Erstgericht – vom Berufungswerber ausgeblendet - seine (leugnende) Verantwortung nicht mit Stillschweigen übergangen hat (siehe US 8 zweiter Absatz).
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO kritisiert der Berufungswerber die unzureichende Begründung der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt bei den Schuldsprüchen I./ 1. und 2. und überzeugt auch damit nicht.
Denn offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall leg cit) ist eine Begründung dann, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (OGH 14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS-Justiz RS0116732 und RS0118317), wobei in Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (OGH 11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS-Justiz RS0119370).
Fallbezogen hat sich die Erstrichterin zur Begründung der objektiven Tatseite (zu der auch die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt beider Drohungen gehören) auf die für glaubwürdig, widerspruchsfrei und lebensnahe befundenen Angaben des Opfers (welchen Indizwirkung zukommt), die es zudem durch Screenshots und Sprachaufnahmen objektiviert sah, gestützt (US 7 f) und verwarf die mit „
Ausgehend von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe erweist sich die erstgerichtliche Beweiswürdigung zum festgestellten Bedeutungsinhalt damit – entgegen der Auffassung der Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme - nicht als formal mangelhaft. Insbesondere vermag der erkennende Senat die von der Oberstaatsanwaltschaft Wien geortete Mehrdeutigkeit des Wortlauts beider Drohungen in Anbetracht deren Interpretation ohnedies „ nur “ als Drohungen mit Verletzungen am Körper nicht auszumachen.
Dass sich die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite zu den Fakten I./ und II./ in einer „ bloßen Wiedergabe der verba legalia “ erschöpfe (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO), trifft nicht zu (siehe US 8 und 9).
Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO ist daher nicht gegeben.
Aber auch die in der Reihenfolge als nächstes zu behandelnde Berufung wegen Schuld überzeugt nicht.
Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumtion der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeinen Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn ein Verfahrensresultat mehrere Schlussfolgerungen zulässt, ist das Erstgericht nicht gehalten, sich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen zu machen, sondern kann sich jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht ( Mayerhofer , StPO 5 § 258 E 42 a). Die Frage der Glaubwürdigkeit eines Zeugen und der Beweiskraft seiner Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht aber dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS Justiz RS0104976). Zweck von Rechtsmitteln ist es nämlich keineswegs, den Schwerpunkt des Verfahrens in eine höhere Instanz zu verlagern, vielmehr nur, Fehlleistungen der Gerichte und bedenklichem Ermessensgebrauch zu begegnen ( Ratz in WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 2).
Angesichts dieser Prämissen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden, hat die Erstrichterin sich doch einen unmittelbaren Eindruck von allen Verfahrensbeteiligten verschaffen können und auf diesem basierend die Beweisergebnisse gewürdigt und begründet. Insbesondere ist nachzuvollziehen, dass sie der Zeugin B* C* in Verbindung mit den objektivierten Beweismitteln und ihrer Vorgeschichte mit dem Angeklagten Glauben schenkte, nicht hingegen der teilweise leugnenden, bagatellisierenden Verantwortung des Berufungswerbers.
An dieser überzeugenden Würdigung durch die Erstrichterin ändern auch die im Rechtsmittel selektiv zitierten Passagen aus der Verantwortung des Angeklagten, mit welchen dieser die erstgerichtliche Würdigung zur subjektiven Tatseite bekämpft, nichts, zumal die Erstrichterin sogar explizit dessen vermeintlich „ anderen Sprachgebrauch “ anführt.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass auch der (aus dem Wortlaut in Verbindung mit den Angaben des Opfers deduzierte) Bedeutungsinhalt beider gefährlicher Drohungen der gebotenen amtswegigen Überprüfung standhält. Die seine Wortwahl relativierende, seine Herkunft und sein Milieu betonende, oftmals jedoch widersprüchliche Verantwortung des Berufungswerbers überzeugt schon mit Blick auf seine einschlägige Vorstrafe gegen dasselbe Opfer unter anderem wegen ähnlicher verbaler Drohungen nicht.
Das Berufungsgericht findet daher keine Gründe, die sorgfältige und aktenkonforme Beweiswürdigung der Erstrichterin zu beanstanden.
Die Feststellungen haben somit Bestand.
Erfolglos ist auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu treffende Darlegung, dass dem Gericht bei der Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei. Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechts- oder Subsumtionsrüge genügt es somit nicht, die angestrebte Konsequenz bloß zu behaupten, diese ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116569).
Indem der Berufungswerber den Schuldspruch zu beiden gefährlichen Drohungen (Fakten I./ 1. und 2.) zusammengefasst mit dem Argument kritisiert, aus den Wortlauten der inkriminierten Äußerungen könnten die getroffenen Feststellungen nicht abgeleitet werden, übt er inhaltlich Kritik an der Beweiswürdigung und verfehlt damit den Bezugspunkt der Rechtsrüge.
Ein fehlender Sachverhaltsbezug zur subjektiven Tatseite und damit ein substanzloser Gebrauch der verba legalia (Punkt D./2. und 4. in ON 17) liegt ebenfalls nach den Entscheidungsgründen nicht vor (siehe US 5 und 7).
Aber auch hinsichtlich der Eignung zur Beeinträchtigung der Lebensführung, bei der es sich um eine Rechtsfrage handelt, überzeugt das Vorbringen nicht: Das Erstgericht hat die zur Subsumtion notwendigen Tat- und Begleitumstände erhoben, festgestellt und daraus rechtsrichtig den Schluss gezogen, dass die erforderliche Eignung gegenständlich vorliegt. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vollinhaltlich zutreffenden Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme verwiesen.
Die geltend gemachte materielle Urteilsnichtigkeit liegt damit ebenfalls nicht vor.
Zuletzt scheitert auch die Berufung wegen Strafe:
Zu korrigieren ist zunächst, dass der Rückfall innerhalb offener Probezeit richtigerweise im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen nach § 32 StGB erschwerend zu werten ist (RIS-Justiz RS0090954). Aggravierend hinzuzutreten hat die Tatbegehung während anhängigen Strafverfahrens.
Die vom Berufungswerber für sich reklamierte Unbesonnenheit kann angesichts des spezifisch einschlägig getrübten Vorlebens nicht zugestanden werden (vgl Ebner in WK² StGB § 34 Rz 18). Einen unterdurchschnittlichen Handlungs-, Gesinnungs- oder Erfolgsunwert vermag der Berufungssenat mit Blick auf das Gesamtgeschehen ebenfalls nicht zu erkennen. Einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) hat der Berufungswerber – dessen Kontaktaufnahmen mit dem Opfer durch Einsicht in die Endgeräte des Opfers bzw Vorlage von Screenshots objektiviert sind - nicht gesetzt. Tatsächlich hat vielmehr sein vermeintliches „ Geständnis “ infolge Bestreitung einzelner Tatbestandsmerkmale vor allem zur inneren Tatseite sowohl bei den beiden gefährlichen Drohungen als auch bei der beharrlichen Verfolgung (siehe Seite 6 f im HV Protokoll ON 12) zu entfallen.
Angesichts dieser Strafzumessungslage ist die vom Erstgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen in Höhe der Hälfte des Strafrahmens ausgemittelte Freiheitsstrafe von sechs Monaten der gewünschten Reduktion nicht zugänglich. Eine Geldstrafe kommt mit Blick auf das getrübte Vorleben aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.
In Anbetracht des raschen Rückfalls in spezifisch einschlägige Delinquenz (noch dazu gegen dasselbe Opfer) inklusive Kontaktaufnahmen trotz Weisungen zum Kontaktverbot und Therapie sowie der Tatbegehung während anhängigen Strafverfahrens ist eine neuerliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe aus spezialpräventiven Erwägungen außer Reichweite. Vielmehr ist es erforderlich zusätzlich zu dieser Freiheitsstrafe auch den Widerruf der zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien ausgesprochenen bedingten Nachsicht einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe auszusprechen, um den Berufungswerber hinkünftig zu rechtstreuem Verhalten zu motivieren.
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