Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Einberger und den Kommerzialrat Anibas in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wider die beklagte Partei B* SE ** , FN **, **, vertreten durch die Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 20.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20.6.2025, **-18, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.220,42 (darin enthalten EUR 370,07 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000, nicht jedoch EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Ehefrau des Klägers hat bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung (Polizze **) abgeschlossen. Der Kläger ist darin mitversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 6
Welche Leistungen erbringt der Versicherer?
[…]
7. Die Leistungspflicht des Versicherers ist begrenzt wie folgt:
[…]
7.4 Bei einem Vergleich trägt der Versicherer die Kosten nur in dem Umfang, der dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entspricht.
[…]
Artikel 8.
Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)
1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,
[…]
1.5 bei der Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Ansprüchen außerdem
[…]
1.5.2 vor der gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen und vor der Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung die Stellungnahme des Versicherers, insbesondere zur Aussicht auf Erfolg, einzuholen; der Abschluss von Vergleichen ist mit dem Versicherer abzustimmen.“
Aus Anlass eines Rechtsstreits mit der C* AG ersuchte der Klagevertreter die Beklagte im Namen des Klägers um Rechtsschutzdeckung. Mit E-Mail vom 30.10.2024 (./C, ./3) wurde ihm diese zunächst für die gerichtliche Geltendmachung einer Teilforderung gewährt. Das Schreiben enthält zudem folgenden Absatz:
„Bitte beachten Sie: Vergleiche sind durch uns zu genehmigen und deshalb grundsätzlich bedingt abzuschließen. Bei einem Vergleich tragen wir nur die Kosten, die dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen.“
Mit Klage vom 8.1.2025 begehrte der Kläger die Feststellung, dass ( 1 ) „bei Abschluss von Vergleichen hinsichtlich der Polizze ** keine Zustimmungspflicht der Beklagten besteht“, sowie ( 2 ) dass „Vergleiche nicht bedingt abgeschlossen werden müssen.“
Er brachte zusammengefasst vor, nach Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 müssten Vergleiche lediglich mit der Beklagten abgestimmt werden. Darunter sei zu verstehen, dass sich der Versicherte mit ihr absprechen müsse. Die Beklagte nehme dahingegen für sich ein Recht in Anspruch, dass Vergleiche auch ihrer Genehmigung bedürften. Dies lasse sich aus Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 nicht ableiten. Die Beklagte werde nicht Eigentümerin des Anspruchs des Versicherten und könne ihm daher nicht vorschreiben, um welchen Betrag er sich zu vergleichen habe. Die Prozessführungsbefugnis bleibe beim Versicherten. Es sei lediglich zu beachten, dass die Kostentragungsvereinbarung im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen abgeschlossen werde. Ebensowenig ergebe sich aus Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 die von der Beklagten gleichsam behauptete Verpflichtung, Vergleiche bedingt abzuschließen. Letztlich sei die Bestimmung auch intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG und gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an den begehrten (negativen) Feststellungen, weil die Beklagte ein ihr nicht zustehendes Recht beanspruche.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und replizierte im Wesentlichen, die beanstandete Passage in ihrer E-Mail habe sich nicht an einen juristischen Laien, sondern an einen berufsmäßigen Parteienvertreter gerichtet, dem die einschlägigen ARB und die Abwicklungspraxis bei Rechtsschutzfällen geläufig seien. Ein Rechtsanwalt erkenne darin einen bloßen Hinweis auf die Obliegenheit des Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003, wonach der Versicherer über den Inhalt des Vergleichs informiert und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme eröffnet werden müsse. Dafür wiederum sei es sinnvoll, Vergleiche bedingt abzuschließen. Nur so könne der Versicherer prüfen, ob ausreichende Gründe für eine von Art 6 Pkt 7.4 ARB 2003 abweichende Kostentragungsregelung vorlägen. Wer abstimmen dürfe, dürfe zudem auch nein sagen. Die Bestimmung sei weder intransparent, noch gröblich benachteiligend.
Die angegriffene Aussage sei kein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Versicherten. Freilich dürfe dieser auch unvernünftige und gegen Art 6 Pkt 7.4 ARB 2003 verstoßende Vergleiche schließen; er dürfe aber nicht erwarten, dafür Versicherungsdeckung zu erhalten. Insoweit handle es sich erkennbar nur um einen Hinweis auf die bestehende Rechtslage, um den Versicherungsnehmer davor zu bewahren, wegen eines ihm zurechenbaren vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoßes seines Vertreters gegen die vereinbarte Obliegenheit der Deckung verlustig zu gehen. Der Klage fehle es daher am rechtlichen Interesse. Dieses müsse konkret gegeben sein und bestehe nicht an der hier angestrebten Klärung bloß abstrakter Rechtsfragen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.
Ausgehend von dem oben zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt folgerte es rechtlich, das für eine Feststellungsklage erforderliche rechtliche Interesse sei nur dann zu bejahen, wenn eine wirkliche und gegenwärtige Gefährdung der klägerischen Rechtslage vorliege. Das Rechtsverhältnis müsse durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet werden, so etwa, wenn die Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreite. Das sei nicht der Fall.
Entgegen der Behauptung des Klägers habe die Beklagte niemals die volle Dispositionsfreiheit des Versicherungsnehmers hinsichtlich des eingeklagten Anspruchs bestritten. Sie habe sich auch kein „Eigentum“ an dessen Ansprüchen angemaßt. Beide Standpunkte habe sie auch im gesamten Verfahren nie eingenommen, sondern deutlich ausgeführt, mit dem Wort „genehmigen“ lediglich auf die vertraglich bestehende Abstimmungsobliegenheit verwiesen zu haben. Diese sei sachlich gerechtfertigt. Im Übrigen dürfe – der Beklagten folgend – jemand, dem ein Recht zur Abstimmung zukomme, tatsächlich auch nein sagen. Da die Beklagte das Recht des Klägers daher nie hartnäckig bestritten habe, bestehe kein aktueller Anlass für eine Feststellungsklage.
Gleiches gelte für die Frage, ob Vergleiche unbedingt abgeschlossen werden dürften. Die Beklagte habe ausgeführt, Vergleiche seien „grundsätzlich“ bedingt abzuschließen, und habe damit gerade nicht behauptet, es bestehe eine zwingende Verpflichtung dazu. Zudem habe die Unterscheidung, ob ein Vergleich bedingt oder unbedingt abgeschlossen werde, keinen Einfluss auf den Inhalt des Anspruchs des Klägers.
Letztlich sei Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 auch nicht intransparent oder gröblich benachteiligend.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Das Berufungsgericht erachtet die sorgfältige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts im Wesentlichen für zutreffend, die dagegen ausgeführten Argumente der Berufung hingegen für nicht überzeugend. Es kann daher auf die Entscheidung des Erstgerichts verwiesen werden (§ 500a ZPO). Lediglich ergänzend und präzisierend ist zu erwidern:
2. Dem Berufungswerber ist zuzugeben, dass in Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 lediglich eine Abstimmungsobliegenheit vereinbart wird. Sie ist erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer von dem beabsichtigten Vergleich informiert, dessen Stellungnahme abwartet und diese berücksichtigt. Ein Zustimmungserfordernis, wonach Vergleiche ausschließlich nach vorangehender Zustimmung des Versicherers geschlossen werden dürften, ist damit nicht verbunden ( Cornelius-Winkler in Harbauer , Rechtsschutzversicherung 9 Art 17 ARB 2010 Rz 53; Bruns/Rapp in Bruck/Möller , VVG VI 10 , § 17 ARB Rz 8 mwN).
3. Allerdings hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass an der Klärung bloß abstrakter Rechtsfragen kein rechtliches Interesse besteht (RS0039080 [T5]). Die Feststellungsklage muss vielmehr geeignet sein, eine ernsthafte Unsicherheit in Bezug auf ein Rechtsverhältnis zu beseitigen, so etwa, wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (RS0037422 [T5]; RS0038968 [T8]; 8 ObA 57/23z [Rn 79]) oder sich eines ihm nicht zustehenden Rechts berühmt (4 Ob 19/09m [Pkt 2.1]). Die Rechtslage des Klägers muss konkret und ernstlich durch das Verhalten des Beklagten gefährdet sein (RS0039215). Ob dies der Fall ist, ist nach der Gesamtheit der Umstände des jeweiligen Falles zu beurteilen (4 Ob 19/09m [Pkt 2.3]).
3.1 Die Beklagte hat zwar in ihrer E-Mail das Wort „genehmigen“ verwendet, das bei isolierter Betrachtung wohl so aufgefasst werden könnte, sie behaupte ein – ihr nicht zukommendes (←2.) – Zustimmungsrecht. Diesen Standpunkt hat sie jedoch im gesamten Prozess nicht vertreten. Vielmehr hat sie ausdrücklich angeführt, damit nur auf die „Abstimmungs“obliegenheit des Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 verwiesen zu haben, wonach der Versicherer über den Inhalt des beabsichtigten Vergleichs und die ihm zugrunde liegenden Erwägungen (lediglich) „informiert“ werden müsse (ON 3, S 4, letzter Abs). Nur so könne ihr Gelegenheit geboten werden zu prüfen, ob nicht besondere Gründe im Einzelfall dafür sprächen, auch eine von Art 6 Pkt 7.4 ARB 2003 abweichende Regelung über die Kostentragung zu akzeptieren (ON 3, S 4, vorletzter Abs). Dass dem Kläger nach den ARB 2003 die volle Dispositionsfreiheit verbleibt, hat sie – entgegen der wiederholenden Behauptung in der Berufung – nie bestritten, sondern ausdrücklich bekräftigt (ON 12, S 4, 1. Abs).
3.2 Die Beklagte hat damit in einer E-Mail, die ausschließlich an einen beruflichen Parteienvertreter gerichtet war, einen ohne weiteren Kontext missverständlichen Begriff gebraucht. Ihr gesamtes Prozessverhalten war aber darauf ausgelegt, dem entgegenzuwirken und klarzustellen, dass sich aus Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 nur eine Verpflichtung zur Information und Gewährung von Gehör ergibt, dass sie aber im Einzelfall auch Vergleichen zustimmt, die gegen die Kostentragungsregelung des Art 6 Pkt 7.4 ARB 2003 verstoßen und damit Deckung auch in Fällen zu gewähren bereit ist, die zu ihren Ungunsten von der Vertragslage abweichen.
Bei Gesamtbetrachtung dieser Umstände hat sie weder ein Recht des Klägers hartnäckig bestritten noch sich eines ihr nicht zustehenden Rechts berühmt. Eine ernsthafte Rechtsunsicherheit (←3) hat nie bestanden.
4. Ebensowenig hat die Beklagte ein Recht des Klägers bestritten, Vergleiche unbedingt abschließen zu dürfen. Ihre Aussage knüpft eindeutig erkennbar an den vorangehenden Verweis auf die Obliegenheit des Art 8 Pkt 1.5.2 ARB 2003 an. Für einen durchschnittlich verständigen Erklärungsempfänger aus dem Kreis der Rechtsanwälte (vgl RS0113932; RS0017915) wird damit auf die häufig vorkommende Konstellation Bezug genommen, dass ein Vergleich erst während der (vorbereitenden) Tagsatzung ausgehandelt und gleich abgeschlossen wird. Auch wenn theoretisch andere Möglichkeiten denkbar sind, das Gehör der Beklagten (←2) zu wahren, kommt bei lebensnaher Betrachtung in der Praxis nur der Vorbehalt einer Widerrufsfrist in Frage. Mit der Aussage, Vergleiche seien „grundsätzlich“ (und daher gerade nicht jedenfalls oder zwingend) bedingt abzuschließen, wird nur auf diese Tatsache hingewiesen.
5. Hinzu tritt, dass das erste Feststellungsbegehren dem eigentlichen Rechtschutzziel des Klägers nicht entspricht und zudem – wie auch das zweite Begehren – auf die unzulässige Feststellung eines einzelnen Elements eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist.
5.1 Der Kläger will festgestellt haben, dass keine „Zustimmungspflicht“ der Beklagten besteht. Eine Zustimmungspflicht würde bedeuten, dass die Beklagte Vergleichen zustimmen muss. Besteht keine Zustimmungspflicht, wäre sie in ihrer Entscheidung darüber frei. Das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers – dass Vergleiche auch ohne Zustimmung der Beklagten abgeschlossen werden dürfen – wird damit nicht zum Ausdruck gebracht
5.2 Einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen sind nicht feststellungsfähig (RS0039036 [T8]; Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny ³ § 228 ZPO Rz 66). Es besteht auch kein Rechtschutzbedürfnis an der Feststellung von bloßen Vorfragen, wie der Wirksamkeit oder materiellen Berechtigung einer Rechtshandlung (RS0039036 [T11]; vgl auch RS0039087).
5.2.1 Für die in der Berufung weiterhin vertretene Ansicht, die Beklagte habe mit dem Wort „genehmigen“ die Dispositionsfreiheit des Versicherten in Frage gestellt, bestehen keine Anhaltspunkte. Es handelt sich klar erkennbar um die Behauptung einer Obliegenheit (zum Inhalt ←3.2 ) nach Eintritt des Versicherungsfalls. Ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß gegen eine solche Obliegenheit könnte (lediglich) zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen (vgl 7 Ob 41/04m), nimmt dem Versicherungsnehmer aber nicht die Sachherrschaft über den Anspruch. Dasselbe gilt für die Frage, ob Vergleiche bedingt abgeschlossen werden müssen.
5.2.2 In der Sache zielt die Klage daher auf die Feststellung ab, dass im Abschluss eines unbedingten Vergleichs ohne Genehmigung der Beklagten keine Obliegenheitsverletzung liegt. Dabei handelt es sich um eine bloße Vorfrage bei der Beurteilung, ob sie (dennoch) Rechtsschutzdeckung gewähren müsste. Es soll ein einzelnes Element des gesamten Versicherungsrechtsverhältnisses festgestellt werden, was nach der Rechtsprechung ( ←5.2 ) nicht zulässig ist.
Auf § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB kommt der Berufungswerber nicht mehr zurück. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Die Bewertung des Streitgegenstands beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO und folgt der unbedenklichen Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger.
Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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