Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Koller und den Richter Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Juli 2025, GZ ** 8, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von zwei Jahren, und zwar
1. den unbedingten Strafteil von acht Monaten, einer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2024, rechtskräftig am selben Tag, wegen vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangener strafbarer Handlungen nach §§ 142 Abs 1; 83 Abs 1; 241e Abs 3; 229 Abs 1 StGB einer insgesamt verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten;
2. die aufgrund gleichzeitigen Widerrufs zu vollziehende, zunächst mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 2022, rechtskräftig am selben Tag, AZ **, wegen vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangener strafbarer Handlungen nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall; § 229 Abs 1; § 241e Abs 1 und Abs 3 und § 148a StGB bedingt nachgesehene, Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 11. November 2025. Die zeitlichen Voraussetzung für eine bedingte Entlassung nach zwei Dritteln der Strafzeit waren am 11. März 2025 erfüllt.
Nachdem seine bedingte Entlassung zum Zwei Drittel Stichtag vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 18. Dezember 2024 zu AZ ** nicht Folge gegeben worden war, beantragte der Strafgefangenen mit Schreiben vom 14. Juli 2025, eingelangt am 16. Juli 2025 (ON 2), erneut seine bedingte Entlassung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 28. Juli 2025 (ON 8) lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als weiterhin zuständiges Vollzugsgericht die vom Strafgefangenen begehrte Entlassung ohne Anhörung des Strafgefangenen in Übereinstimmung mit den jeweils aufgrund seines Vorlebens und der getrübten Führung ablehnenden Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft (ON 1.4) und des Leiters der Justizanstalt ** (ON 7.1, 5) aus spezialpräventiven Gründen ab.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 9), der keine Berechtigung zukommt.
Vorauszuschicken ist, dass rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen Sperrwirkung entfalten (vgl etwa Nimmervoll, Beschluss und Beschwerde in der StPO, 30). Auch ein Beschluss, mit dem ein Antrag auf Gewährung der bedingten Entlassung rechtskräftig abgewiesen wird, entfaltet grundsätzlich Einmaligkeitswirkung. Ein Entlassungsantrag kann daher nicht beliebig oft wiederholt werden. Eine dem § 176 Abs 1 Z 2 StPO entsprechende Regelung besteht im Strafvollzugsrecht nicht. Ein auf Grundlage identischer Verhältnisse neuerlich eingebrachter Antrag ist a limine wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Allerdings wohnt ablehnenden Entscheidungen über die bedingte Entlassung die Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus) inne. Eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Umstände erlaubt trotz rechtskräftiger Entscheidung eine neuerliche meritorische Prüfung. Als relevante Umstände kommen insbesondere seit der letzten Entscheidung eingetretene oder dem Gericht bei der letzten Entscheidung unbekannt gewesene, zur Erfüllung der materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung grundsätzlich geeignete neue Tatsachen, eine Änderung der Gesetzeslage oder die einer solchen nahekommenden Änderungen fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze oder wesentliche Veränderungen der zeitlichen Umstände in Betracht ( Pieber in WK 2StVG, § 152 Rz 31 ff).
Fallbezogen sind seit der letzten Entscheidung am 18. Dezember 2024 bis zum Einlangen des zu behandelnden Antrags beim Erstgericht sieben Monate verstrichen, weshalb mit Blick auf das Ausmaß der zu verbüßenden Strafe zumindest eine wesentliche Änderung der zeitlichen Umstände eingetreten ist (vgl Pieber in WK 2StVG § 152 Rz 31, 33).
Gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm §§ 17, 19 Abs 2 JGG ist einem wegen als Jugendlicher bzw junger Erwachsener begangenen Straftat Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat, verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 ausgeglichen werden können (
Die Anwendung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 der Regelfall sein, es sei denn, es steht dieser beim Strafgefangenen ein – die Ausnahme dazu darzustellendes – evidentes Rückfallrisiko ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 17) entgegen.
Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist bei der anzustellenden Prognose von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen, sodass spezialpräventive Aspekte gegen eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen sprechen.
A* verbüßt Freiheitsstrafen aus zwei Verurteilungen unter anderem wegen (schweren) Raubes, sohin strafbare Handlungen gegen die körperliche Integrität und gegen fremdes Vermögen, wobei die ihm gewährte Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht samt Anordnung von Bewährungshilfe (Strafregisterauskunft Punkt 1; AZ **) und der kurzzeitige Vollzug der Untersuchungshaft von zehn Tagen ihre Wirkung für ein normgetreues Verhalten verfehlten, sondern er vielmehr innerhalb offener Probezeit die der Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** zugrunde liegenden strafbaren Handlungen beging.
In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf seine Strafregisterauskunft (ON 4), sondern auch auf die ablehnende Stellungnahme des Anstaltsleiters der Justizanstalt ** (ON 7.1, 5) sowie seine nicht der Hausordnung entsprechende Führung und die damit im Zusammenhang stehenden vier Ordnungswidrigkeiten (ON 7.1, 4; ON 7.2), zuletzt am 16. Mai 2025 wegen Suchtmittelmissbrauchs (Cannabis) hinzuweisen, weshalb auch die Annahme eines durch den bisherigen Strafvollzug eingeleiteten und den Beschwerdeführer im Fall seiner bedingten Entlassung wirksam von einem Rückfall in einschlägige Delinquenz bewahrenden Umdenkprozesses derzeit keinesfalls gerechtfertigt ist.
An dieser negativen Prognose vermögen die Beteuerungen des Strafgefangenen, in Freiheit ein normgetreues Leben führen zu wollen und einen Wohnplatz bei seiner Mutter und Unterstützung durch seine Familie zu erhalten, nichts zu ändern.
Der Einwand des Beschwerdeführers, das Vollzugsgericht habe keine Stellungnahmen von Mitarbeitern des sozialen und/oder psychologischen Dienstes eingeholt, die eine positivere Entscheidung hätten begünstigen können, sowie seine Kritik an der Leitung der Justizanstalt ** im Hinblick auf den Strafvollzug, vermögen die Entscheidungsfindung nicht zu beeinflussen und sind auch nicht geeignet, die von ihm behauptete Läuterung zu belegen.
Das Erstgericht nahm somit unter Verweis auf das getrübte Vorleben des Strafgefangenen im Zusammenhang mit der bisherigen Wirkungslosigkeit von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB von der Gewährung einer bedingten Entlassung zu Recht Abstand.
Mit Blick auf all diese Umstände verbietet sich weiterhin die Annahme, dass die bisher in Strafhaft zugebrachte Zeit ausgereicht hat, um den Beschwerdeführer das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen und eine verhaltenssteuernde Wirkung in Richtung eines deliktsfreien Lebenswandels zu entfalten.
Dem erstgerichtlichen Kalkül der Notwendigkeit des weiteren Strafvollzugs aus spezialpräventiver Sicht ist daher zuzustimmen und der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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