Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, den Richter Dr. Schober und die Richterin Mag. a Dr. in Vogler, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. a Woharcik-Binder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. a Sladek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Österreichische Gesundheitskasse , Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A* , geboren am **, Angestellter, **, vertreten durch die Kranebitter Rechtsanwalts GmbH in Wien, und 2. B* , geboren am **, Angestellter, **, vertreten durch Mag. Dinko Knjizevic, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 243.280,46 s.A. und Feststellung (RATG: EUR 6.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 19.12.2024, **-32, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit EUR 4.458 (darin EUR 743 USt) bestimmten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der bei der Klägerin versicherte C* wurde als Dienstnehmer der D* GmbH am 2.11.2020 auf einer Baustelle in der ** bei Arbeiten im Dachgeschoss eines Gebäudes schwer verletzt. Die D* GmbH, deren Geschäftsführer der Erstbeklagte war, war von einem Drittunternehmen mit der Planung und Montage von Stahlträgerelementen auf dieser Baustelle beauftragt. Der Unfall ereignete sich, als eine Stahlträgerkonstruktion auf den Hinterkopf des C* fiel, was in Anwesenheit des Zweitbeklagten geschah.
Der Geschädigte C* war seit September 2018 als Dienstnehmer bei der D* GmbH beschäftigt, während der Zweitbeklagte seit 2019 in der Position eines Parteiführers für die D* GmbH tätig war. Bei der gegenständlichen Baustelle handelte es sich um die zweite, bei der der Zweitbeklagte verantwortlich tätig war.
Am 2.11.2020 morgens erhielten der Zweitbeklagte, der später verunfallte C* und ein weiterer Arbeiter die Pläne im Büro der D* GmbH. Der Erstbeklagte (und Geschäftsführer der D* GmbH) sagte ihnen, wo sie auf der Baustelle beginnen sollten. Der Kranführer E* kam von einer Fremdfirma. Keiner der Anwesenden trug einen Schutzhelm. Es regnete und auf dem Dachboden stand stellenweise Wasser. Der Erstbeklagte gab am Unfalltag im Büro Anweisungen an den Zweitbeklagten, der als Vorarbeiter und Partieleiter für die Montage eingesetzt war. Details zur Reihenfolge der Montage oder zu Sicherheitsmaßnahmen wurden nicht erörtert. Der Zweitbeklagte erhielt lediglich einen 3D-Plan sowie Querschnittspläne, aus denen die konkrete Reihenfolge des Aufbaus nicht hervorging. Der Zweitbeklagte kontaktierte auf der Baustelle den Erstbeklagten, machte ihn auf den Zustand der Baustelle aufmerksam und wies darauf hin, dass der Aufbau der Stahlkonstruktion am geplanten Ort aufgrund der dort befindlichen Baumaterialien anderer Firmen nicht möglich sei. Der Erstbeklagte wies ihn dennoch an, mit der Montage fortzufahren. Daraufhin kontaktierte der Zweitbeklagte den Architekten, um zu versuchen, die Montagereihenfolge festzulegen und die Pläne durchzunummerieren. Mit dem Architekten setzt der Zweitbeklagte eine Nummerierung fest. Der Zweitkläger arbeitete weiter, weil er Angst um seinen Job hatte.
Die Stahlträgerkonstruktion, bestehend aus drei Stahlträgern, wurde daraufhin auf Anweisung des Zweitbeklagten mit einem Autokran in Teilen gehoben, mit Gurten angespannt und zusammengebaut. Die Träger wurden auf dem Boden des Dachbodens miteinander verbunden, wobei zwei der Träger horizontal und einer vertikal positioniert wurden. Zur provisorischen Stabilisierung verwendete der Zweitbeklagte fünf Stützsteher, die jedoch nur schräg aufgestellt und mit der Kante auf dem Boden abgestützt wurden. Dabei wurden die Stahlträger für die Montage weder angebohrt noch angeschraubt. Anschließend ließ der Zweitbeklagte den Kran absenken, um die Ketten abzuhängen und weitere Träger zu montieren. Auf seine Anweisung hin überprüften die Arbeiter, darunter auch C*, durch Rütteln, ob die Konstruktion stabil sei.
Als C* schließlich auf Anweisung des Zweitbeklagten die Gurte des Krans lösen sollte, kippte die provisorische Konstruktion aufgrund der unzureichenden Sicherung um. Einer der Stahlträger, der zuvor gegen einen Schornstein gelehnt war, traf C* am Hinterkopf. Durch die Wucht des Anpralls stürzte C* zu Boden und schlug mit dem Kopf auf einem dort liegenden Stahlträger auf. C* erlitt dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sowie den vollständigen Verlust beider Augenbulbi, was zur Erblindung führte. Er befand sich nach dem Unfall vier Monate in Rehabilitation. Die Ursache des Einsturzes der Stahlträgerkonstruktion waren die fehlende Montagereihenfolge sowie die unzureichende provisorische Sicherung der Konstruktion.
Der Klägerin als Versicherungsträgerin des C* entstand ein Schaden in Höhe von EUR 243.280,46. Spät- und Dauerfolgen sind durch den Unfall, bei dem der Versicherte ein schweres Schädelhirntrauma und die Erblindung erlitt, wahrscheinlich.
Beide Beklagten wurden in einem Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4, 1. Fall StGB zu jeweils einer Geldstrafe von EUR 1.600 verurteilt.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von EUR 243.280,46 zuzüglich Zinsen sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Leistungen, die sie dem C* wegen des Arbeitsunfalls vom 2.11.2020 noch zu erbringen habe. Der Erstbeklagte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D* GmbH und der Zweitbeklagte als Vorarbeiter bei der D* GmbH hätten die Verletzungen des C* grob fahrlässig verursacht und haften ihr daher nach § 334 ASVG. Die Schäden umfassten sowohl die von ihr erbrachten Leistungen als auch die Aufwendungen des Wiener Gesundheitsfonds (WGF) in der geltend gemachten Höhe.
Beide Beklagten wendeten ein, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Der Zweitbeklagte habe auf Weisung des Arbeitgebers gehandelt, ohne über die erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen zu verfügen. Für die Sicherheit auf der Baustelle sei der Erstbeklagte verantwortlich gewesen. Der Unfall sei jedoch weder vorhersehbar gewesen, noch hätten geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, um diesen zu verhindern.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren gegen den Erstbeklagten vollumfänglich Folge, wies hingegen jene gegen den Zweiteklagten ab. Dabei ging es von den eingangs zusammengefassten und den auf den Seiten der 5 bis 8 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, dass der Erstbeklagte als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich gewesen sei. Diese habe er mehrfach verletzt, was als grob fahrlässig einzustufen sei und seine Haftung begründe. Die Haftung des Zweitbeklagten sei zu verneinen, weil er nicht als Aufseher im Betrieb bzw eine dem Erstbeklagten gemäß § 333 Abs 4 ASVG gleichgestellte Person tätig gewesen sei. Zudem sei das Handeln des Zweitbeklagten nicht als grob fahrlässig einzustufen.
Gegen die Abweisung der Klagebegehren gegen den Zweitbeklagten richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung inklusive sekundärer Feststellungsmängel mit dem Antrag, das Urteil auch in Bezug auf den Zweitbeklagten im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Zweitbeklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1. Nach Ansicht der Klägerin sei der Zweitbeklagte aufgrund der getroffenen Feststellungen als Aufseher im Betrieb gemäß § 333 Ab 4 ASVG zu qualifizieren, weil ihm in der Unfallsituation eine gewisse Aufsichtsfunktion zugekommen sei. Er habe dem Verletzten auch Weisungen erteilen können. Vorsichtshalber würden folgende ergänzende Feststellungen begehrt: „Der Zweitbeklagte, B*, war als Parteiführer vom Erstbeklagten eingeteilt und beim Unfall als solcher tätig. Er war gegenüber dem Verletzten, C*, und einem weiteren Dienstnehmer auf der Baustelle weisungsbefugt und übte diese Befugnis am Tag des Unfalls auch tatsächlich aus. Der Zweitbeklagte war sich dieser Weisungsbefugnis und der damit verbundenen Verantwortung bewusst.“ .
1.2. Für die Qualifikation als Aufseher im Betrieb gemäß § 333 Abs 4 ASVG ist im Allgemeinen eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und Selbständigkeit verbundene Stellung zur Zeit des Unfalls erforderlich. Er muss die Verantwortung für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte tragen. Nicht entscheidend ist, ob die Aufsicht ganz unbeschränkt oder mit Unterordnung unter einem Vorgesetzten ausgeübt wird. Eine Dauerfunktion im Betrieb ist nicht erforderlich (RS0085519, RS0088337). Aufseher ist derjenige, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen (auch kleinen) Teil des Betriebs oder einen Betriebsvorgang in eigener Verantwortung zu überwachen hat (RS0085510). Der Geschädigte muss also dem Aufseher im Betrieb wie einem Dienstvorgesetzten, dem Weisungsrechte zustehen, untergeordnet sein (RS0085661).
So hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass der Aufseher im Betrieb auch bei einer Zwei-Mann-Partie derjenige ist, der auch nur bezüglich einer bestimmten, ihm aufgetragenen Arbeit entscheidungsbefugt ist (RS0085612), wobei es ausreicht, dass der ganze Arbeitsgang einer Arbeitspartie auftragsgemäß geleitet wird (RS0085612; 9 ObA 92/93). Demgegenüber erfolgte keine Einstufung als Aufseher, wenn die beiden Arbeiter bloß kameradschaftlich verbunden waren, ohne dass irgendeine konkrete Anordnungsbefugnis (Partieführer) festgestellt werden konnte (9 ObA 60/07z).
1.3. Auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen teilt das Berufungsgericht die rechtliche Einschätzung der Klägerin, dass dem Zweitbeklagten eine Aufseherfunktion im Betrieb des Erstbeklagten gemäß § 333 Abs 4 ASVG zugekommen ist. Es war seine zweite Baustelle, für die er verantwortlich tätig war. Es war seine Aufgabe, Montagen nach Plan durchzuführen. Festgestellt wurde auch, dass der Zweitbeklagte als Vorarbeiter und Partieleiter für die (unfallkausale) Montage eingesetzt war. Der Zweitbeklagte erteilte auch Anweisungen in Bezug auf die Durchführung der Montage der Stahlträger (s näher Seite 6 der Urteilsausfertigung). Somit war der Zweitbeklagte nicht nur formal als Partieführer eingesetzt, sondern hatte in diesem Rahmen auch die Weisungsbefugnis in Bezug auf die Arbeit beider Mitarbeiter, somit auch in Bezug auf den verletzten C*.
2.1. Nach Ansicht der Klägerin sei dem Zweitbeklagten auch eine grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Verursachung des Unfalls anzulasten. Dass tonnenschwere, instabile Stahlbauteile, vor allem im Umfallen hoch gefährlich seien, könne jeder Erwachsene mit Grundkenntnissen der Mechanik und Physik aus dem täglichen Leben erkennen. Das Gleiche gelte für die Instabilität der vom Zweitbeklagten errichteten behelfsmäßigen Stützkonstruktion. Dass der später Verletzte unter dieser Stahlkonstruktion gestanden sei bzw stehen habe müssen, habe der Zweitbeklagte unmittelbar wahrgenommen. Nachdem der Erstbeklagte ihn ungeachtet der Informationen über die ungünstigen Verhältnisse auf der Baustelle angewiesen habe, dennoch mit der Arbeit fortzufahren, habe der Zweitbeklagte selbstständig mit dem Architekten Kontakt aufgenommen, von diesem Informationen über eine Aufstellungsreihenfolge erhalten, dazu eine Vorgangsweise entschieden und eine Hilfskonstruktion konzipiert und errichtet. Er habe in diesen Punkten im Wesentlichen – ausgenommen der allgemeinen Anweisung weiterzuarbeiten – ohne oder teilweise sogar gegen die vorliegenden Anweisungen des Erstbeklagten gehandelt.
Eine schuldmindernde Wirkung seines Handelns könne nicht eintreten. Ohne es ausdrücklich so zu benennen, habe das Erstgericht mit einem entschuldigenden Notstand zur Herabstufung des Grades seiner Sorgfaltslosigkeit argumentiert. Dies könne hier aber nicht greifen, weil im Rahmen einer Güter- und Interessensabwägung die Unversehrtheit des Arbeitnehmers jedenfalls über den möglichen Verlust des Arbeitsplatzes des Zweitbeklagten zu stellen sei.
2.2. Voraussetzung für einen Ersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers nach § 334 ASVG ist ua ein grobes Verschulden des Dienstgebers oder Aufsehers. Dabei müssen der in Anspruch genommene Dienstgeber (oder dessen Vertreter) und/oder der Aufseher den Schaden selber grob schuldhaft verursacht haben. § 334 ASVG schafft keine Haftung für fremdes Verschulden, insbesondere keine Haftung des Dienstgebers für ein grobes Verschulden des Aufsehers oder auch umgekehrt (RS0085245; RS0085276).
Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht bzw Pflicht zur Unfallverhütung vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RS0039644).
Wenn der Arbeitgeber als Adressat der Arbeitnehmerschutzvorschriften nach objektiver Betrachtungsweise ex ante ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat, so bejaht die Rechtsprechung bei ihm grobe Fahrlässigkeit (RS0085228 [T16]; idS auch RS0052197 [T7]). Das Fehlen der Beanstandung einer Gefahrensituation durch das Arbeitsinspektorat schließt die grobe Fahrlässigkeit des Arbeitgebers nicht aus (RS0085228 [T18]). Bei Beurteilung der Pflichten eines Unternehmens sind dabei die Kriterien der Sachverständigenhaftung maßgeblich und ist somit ein erhöhter Diligenzmaßstab anzulegen (RS0026555 [T10]).
Bei einem Aufseher wird eine grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn ihm entweder die konkrete Gefährlichkeit einer Unfallsituation aus früheren Vorfällen bekannt war, oder sein Handeln am Unfallstag selbst eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) darstellte und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (RS0030644). Jedenfalls darf ein Organisationsverschulden des Arbeitgebers dem Aufseher bei der Beurteilung, ob sein Verhalten grob oder nur leicht fahrlässig war, nicht zur Last gelegt werden (8 ObA 109/01i; 8 ObA 78/23p).
2.3. Davon ausgehend ist die – ohnedies rechtskräftige – Bejahung der Haftung des Erstbeklagten wegen seines grob fahrlässigen Verhaltens in Bezug auf den gegenständlichen Unfall zweifelsfrei zutreffend. Ihm ist ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden anzulasten, weil er offenkundig gebotene Vorkehrungen zum Schutz der Arbeitnehmer auf der Baustelle unterlassen hat und dabei auch mehrere Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung verletzt hat.
2.4. Hinsichtlich des Zweitbeklagten ist jedoch eine grobe Fahrlässigkeit seines Handelns zu verneinen.
Die Ursache des Einsturzes der Stahlträgerkonstruktion – und damit des Unfalles – waren „die fehlende Montagereihenfolge sowie die unzureichende provisorische Sicherung der Konstruktion“ (Urteilsausfertigung S 6 unter Verweis auf das Sachverständigengutachten Blg ./T). Offensichtlich ist damit gemeint (und auch im Gutachten näher ausgeführt) das Fehlen einer schriftlichen Montageanleitung, beinhaltend die Montageabfolge der einzelnen Stahlträger sowie erforderliche Montagehilfskonstruktionen (Blg. /T, S 20, 21 und 22).
Zunächst ist festzuhalten, dass dem Zweitbeklagten als Aufseher das – offensichtlich vom Erstbeklagten als Geschäftsführer grob fahrlässig verschuldete - Fehlen der Montageanleitung nicht anzulasten ist (8 ObA 109/01i; 8 ObA 78/23p).
Ebensowenig gibt es einen Hinweis darauf, dass der Zweitbeklagte wegen früherer ähnlicher Vorfälle (Unfälle oder Beinahe-Unfälle) von der konkreten Gefährlichkeit der von ihm gewählten Vorgangsweise wusste.
Es bleibt somit zu prüfen, ob sein Handeln am Unfallstag selbst eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) darstellte und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (RS0030644).
Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
Der Berufung führt soweit noch zutreffend aus, dass der Zweitbeklagte eine Gefahrensituation bei der vorzunehmenden Montage der Stahlträger erkannt hat. Er hat sodann den Erstbeklagten auf den Zustand der Baustelle (es regnete und auf dem Dachboden stand teilweise Wasser) aufmerksam gemacht und er wies darauf hin, dass der Aufbau der Stahlkonstruktion am geplanten Ort aufgrund der dort befindlichen Baumaterialien anderer Firmen nicht möglich sei. Da der Erstbeklagte ihn lediglich anwies, mit der Montage fortzufahren, kontaktierte er in weiterer Folge den Architekten, um eine Montagereihenfolge festzulegen und die Pläne durchzunummerieren. Auch dabei wurde ihm die Notwendigkeit einer bestimmten Absicherung der Stahlträger beim Aufbau nicht mitgeteilt. Der Architekt gab ihm nur die Montagereihenfolge (Nummerierung der Stahlträger) bekannt. Sodann verwendete er als selbst gewählte Stabilisierungsmaßnahme fünf schräg aufgestellte Stützsteher, wobei die Arbeiter auf seine Anweisung hin auch prüften, ob diese stützende Konstruktion stabil sei. Erst im Zuge der weiteren Arbeit kippte diese provisorische Sicherungskonstruktion.
Insgesamt betrachtet kann das Handeln des Zweitbeklagten nicht als grob fahrlässig beurteilt werden: er hat die Gefahrenlage erkannt, er hat den Geschäftsführer darauf aufmerksam gemacht, er hat nach der aufgetragenen Fortsetzung der Arbeiten den Architekten kontaktiert und auch von diesem keine konkreten Anweisungen für bestimmte Sicherungsmaßnahmen erhalten; er hat solche sodann nach eigenem Ermessen, wenn auch unzureichender Art gesetzt. Weder ist sein Verhalten insgesamt als außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht zur Unfallverhütung zu betrachten, noch kann der Zusammenbruch der provisorisch abgesicherten Stahlträgerkonstruktion hier als wahrscheinlich beurteilt werden.
Auf das weitere Argument des Erstgerichts, der Zweitbeklagte und seine Kollegen hätten die Arbeit trotz der bekannten Sicherheitsmängel aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes fortgesetzt, kommt es zur Beurteilung des Verschuldens des Zweitbeklagten nicht mehr an.
Im Ergebnis hat der Zweitbeklagte somit nicht grob fahrlässig als Aufseher nach § 333 Abs 4 ASVG gehandelt.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 2 ASGG und 41, 50 ZPO. Der in der Berufungsbeantwortung des Zweitbeklagten verzeichnete Streitgenossenzuschlag war jedoch zu streichen, da sich die Berufung der Klägerin allein gegen den Zweitbeklagten richtete.
4. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Frage des Ausmaßes des Verschuldens nur an Hand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden kann und somit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist (§ 502 Abs 1 ZPO).
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