Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Dr. Vogler und den Richter Mag. Schmoliner in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A* , geboren am **, Pensionistin, **, vertreten durch Mag. Sascha Flatz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. B* , geboren am **, Zahnarzt, **, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 30.000 sA und Feststellung (EUR 5.000), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 35.000) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18.2.2025, GZ **-39, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.662,52 (darin enthalten EUR 610,42 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war zwischen 2006 und 2021 immer wieder beim Beklagten in zahnärztlicher Behandlung. In diesem Zeitraum fanden mehrfach prothetische und implantologische sowie konservierende Eingriffe und Versorgungen statt.
Die Klägerin hatte bereits vor Behandlungsbeginn umfassende Sanierungen ihres Gebisses durchführen lassen, da dieses stark vorgeschädigt gewesen war. Sie wies bereits vor Beginn der Behandlung durch den Beklagten massive Defizite in ihrer Mundhygiene auf.
Im Zusammenhang mit der Frontzahnbrücke im Oberkiefer wurde die Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt. Dabei besprach der Beklagte mit der Klägerin auch, dass es herausnehmbare Lösungen als alternative Behandlungsmöglichkeiten gegeben hätte. Diese wollte die Klägerin allerdings nicht. Eine herausnehmbare Lösung wäre in medizinischer Hinsicht auch nicht empfehlenswerter als die tatsächlich durchgeführte Behandlung gewesen.
Die Behandlung im Bereich des Unterkiefers links erfolgte 2008 nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst, weil die Implantate in einen bereits deutlich atrophierten Kieferbereich eingesetzt und in der Folge keine Implantitistherapie durchgeführt wurde. Der Beklagte entfernte die Implantate 2013. Im Zuge dessen gestand der Beklagte der Klägerin, dass ihm bei der Behandlung im Unterkiefer links ein Fehler unterlaufen sei, weil er dort in diesen Bereich überhaupt Implantate gesetzt habe. Er bot der Klägerin an, für neue Implantate keine weiteren Kosten zu verzeichnen. Aufgrund des durch die fehlerhaften Implantate erlittenen Vertrauensverlusts wollte sich die Klägerin jedoch an dieser Stelle keine neuen Implantate vom Beklagten mehr einsetzen lassen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Knochen durch die Implantation verschlechtert hätte, zumal schon vor dem Zeitpunkt der Implantation eine Atrophie des Kieferknochens bestand. Die nunmehr fortgeschrittene Atrophie kam nun zusätzlich zustande, weil die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung elf Jahre im Unterkiefer links unversorgt war. Spätfolgen sind aufgrund der fehlerhaften Behandlung im Unterkiefer links nicht zu erwarten und können ausgeschlossen werden.
Im Unterkiefer rechts machte der Beklagte zwischen 26.6.2008 und 2.12.2008 Füllungen an den Zähnen 43 und 47. Im Juli 2008 wurde eine Brücke von Zahn 43 bis Zahn 47 eingesetzt. Die Brücke im Unterkiefer rechts wurde nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt. Sie löste sich im Jahr 2017, wobei dies nicht auf eine mangelhafte Ausführung durch den Beklagten zurückzuführen war, sondern sich im Allgemeinen eine solche Brücke nach einer derart langen Verweildauer lösen kann. Auch die Sanierung der Brücke im Unterkiefer rechts erfolgte nach den anerkannten Regeln der medizinischen Kunst.
Betreffend das Oberkiefer links wurden sowohl die beiden Implantate als auch die Brücke nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst angefertigt und eingesetzt. Zwar bildete sich bei den beiden Implantaten in den Regionen 26 und 27 eine Periimplantitis und ein deutlicher Knochenabbau, diese Umstände sind allerdings nicht auf eine fehlerhafte Einsetzung der Implantate zurückzuführen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten.
Im Oberkiefer rechts wurde im Jahr 2008 der Zahn 14 vom Beklagten regelrecht wurzelbehandelt. Die beiden vom Beklagten eingesetzten Kronen im Oberkiefer rechts wurden lege artis angebracht, und es lagen dabei insbesondere keine undichten Stellen vor. Beide Zähne zeigen oberhalb des Kronenrandes Zahnhalsdefekte bzw beginnende Zahnhalskaries, die jedoch nicht auf eine undichte Krone zurückzuführen sind.
Die Klägerin begehrt EUR 30.000 sA an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Der Beklagte habe die Behandlungen nicht lege artis durchgeführt und seine Aufklärungspflicht verletzt.
Sowohl im Unter- als auch im Oberkiefer sei es aufgrund der nicht lege artis erfolgten Behandlungen zum Knochenschwund gekommen, weswegen nun ein aufwendiger Knochenaufbau erfolgen müsse. Wären die Behandlungen jeweils lege artis durchgeführt worden, wären der Klägerin zahlreiche Schmerzen und Schäden nicht entstanden. Die Komplikationen seien nicht auf eine mangelhafte Mundhygiene der Klägerin zurückzuführen. Die Klägerin habe regelmäßig professionelle Mundhygienesitzungen in Bosnien in Anspruch genommen und auch sonst auf ihre Mundhygiene geachtet.
Der Beklagte habe der Klägerin keine Alternativbehandlung empfohlen und eine diesbezügliche Aufklärung unterlassen, obwohl dies medizinisch indiziert gewesen sei. Zudem habe er es unterlassen, die Klägerin hinsichtlich der durchzuführenden Mundhygiene, insbesondere des einzuhaltenden dreimonatigen Intervalls aufzuklären. Wäre die Klägerin dahingehend ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte sich die gesundheitliche Situation der Klägerin wesentlich besser dargestellt.
Der Beklagte wendet ein, Aufklärung und Behandlung der Klägerin seien lege artis erfolgt. Die Behandlung der Klägerin sei von Anfang an von einer mangelhaften Mundhygiene der Klägerin geprägt gewesen, wodurch es auch zur chronischen Parodontitis gekommen sei. Der Beklagte habe über Jahre hinweg versucht, das Putzdefizit der Klägerin durch Aufklärung und Mundhygienesitzungen auszugleichen bzw zu beseitigen. Die Klägerin sei laufend darauf hingewiesen worden, sich einer professionellen Mundhygiene zu unterziehen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Leistungs- und das Feststellungsbegehren zur Gänze ab.
Es legte seiner Entscheidung zusätzlich zum eingangs zusammengefasst wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt die auf den Seiten 5 bis 9 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die verwiesen wird. Daraus wird hervorgehoben:
„ Bei der Behandlung der Klägerin durch den Beklagten existierte kein schriftliches Behandlungskonzept, aber es wurde mündlich vereinbart, welche Behandlungen bei der Klägerin vorgenommen werden sollten. Vor Behandlungsbeginn wurden vom Beklagten mit der Klägerin auch verschiedene Behandlungsmöglichkeiten besprochen, insbesondere herausnehmbare Lösungen, die die Klägerin allerdings nicht wollte. Sämtliche Behandlungen fanden nach entsprechender Aufklärung auf Wunsch und mit Einwilligung der Klägerin statt. Eine alternative Behandlung war medizinisch nicht indiziert. ( bekämpfte Feststellung 1 )
Die Klägerin wies bereits vor Behandlungsbeginn große Defizite bei ihrer Mundhygiene auf. Auch während der Behandlungszeit bei dem Beklagten zeigten die Zähne der Klägerin wiederholt kariöse Läsionen auf, die teilweise mehrfach mit Füllungen versorgt werden mussten. Dabei wies der Beklagte die Klägerin mehrmals darauf hin, dass sie besser auf ihre Mundhygiene achten müsse und gab ihr auch Putzinstruktionen. Außerdem empfahl der Beklagte der Klägerin im Rahmen seiner Behandlung auch immer wieder die Durchführung von professionellen Mundhygienesitzungen. Diese nahm die Klägerin allerdings nicht an, weil sie die Mundhygiene in Bosnien günstiger durchführen lassen könne. Die Klägerin wusste, dass sie regelmäßig, nämlich zumindest einmal jährlich Mundhygienesitzungen durchführen lassen hätte sollen. Dass die Klägerin in Bosnien tatsächlich Mundhygienesitzungen gemacht hätte, konnte nicht festgestellt werden. ( bekämpfte Feststellung 2 ) “
Rechtlich führte das Erstgericht aus, es sei ausschließlich die Behandlung im Unterkiefer links nicht lege artis durchgeführt worden. Diesen Behandlungsfehler habe der Beklagte bereits 2013 zugestanden und eine kostenlose Sanierung angeboten, sodass allfällige damit im Zusammenhang stehende Schadenersatzansprüche verjährt seien. Sämtliche übrigen Behandlungen seien lege artis erfolgt.
Hinsichtlich der Aufklärung der Klägerin könne dem Beklagten kein Vorwurf gemacht werden. Sie sei über die Möglichkeit von herausnehmbaren Lösungen aufgeklärt worden und habe sich gegen solche entschieden. Auch dass der Beklagte die Klägerin nicht über die Notwendigkeit regelmäßiger professioneller Mundhygiene aufgeklärt habe, sei nicht zutreffend. Vielmehr sei dieser Umstand vom Beklagten mehrfach thematisiert worden, und es habe dennoch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin in der langen Behandlungsdauer überhaupt eine professionelle Mundhygiene durchführen habe lassen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, in eventu , es aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:
1.1. Im Rahmen der Beweisrüge wendet sich die Berufungswerberin gegen den oben durch Unterstreichung hervorgehobenen Teil der Feststellungen des Erstgerichtes.
1.2.1. Anstelle der bekämpften Feststellung 1 begehrt sie folgende Ersatzfeststellung:
„ Die Einwilligung der Klägerin in die vom Beklagten durchgeführten Behandlungen erfolgte nicht nach entsprechender Aufklärung und nicht in Kenntnis jener Risiken und möglichen Folgen, die sich bei derartigen Behandlungen verwirklichen können.“
Das Erstgericht habe bei seiner Beweiswürdigung außer Betracht gelassen, dass die Klägerin bereits einen langjährigen Leidensweg bestritten und somit nachvollziehbar angegeben habe, dass sie sich schon eine alternative Lösung überlegt hätte, wenn sie von Beginn an ganz genau über die Folgen aufgeklärt worden wäre und ihr eingangs gesagt worden wäre, dass ein Implantat im Unterkiefer nicht möglich gewesen wäre.
Die begehrte Ersatzfeststellung folge aus dem Gutachten der Sachverständigen, die erklärt habe, dass herausnehmbare Lösungen auch eine empfehlenswerte Alternative gewesen wären. Es sei zudem allgemein nachvollziehbar, dass die Klägerin insbesondere im Hinblick auf ihre erlittenen Schmerzen und früheren Komplikationen bei Kenntnis sämtlicher Folgen eine alternative Behandlungsmethode gewählt und den Behandlungen durch den Beklagten nicht zugestimmt hätte.
1.2.2. Ob im Vorfeld einer Behandlung eine „entsprechende“ Aufklärung erfolgt ist, ist eine Rechtsfrage, die anhand der dazu erforderlichen Feststellungen zu beantworten ist.
Indem die Berufungswerberin die wesentliche Feststellung, wonach der Beklagte mit ihr besprochen habe, dass es herausnehmbare Lösungen als alternative Behandlungsmöglichkeiten gegeben habe und sie diese allerdings nicht gewollt habe (Seite 6 der Urteilsausfertigung), unbekämpft ließ, gelingt es ihr nicht darzutun, dass sie über alternative Behandlungsmethoden nicht ausreichend informiert oder sonst aus irgendeinem Grund nicht „entsprechend“ aufgeklärt worden sei.
Weder im Rahmen der Beweisrüge noch im erstinstanzlichen Vorbringen konkretisiert die Klägerin, über welche alternativen Behandlungsmethoden sie zusätzlich aufgeklärt werden hätte sollen und für welche Behandlungsmethode sie sich statt der von ihr gewählten entschieden hätte.
Dass eine alternative Behandlung medizinisch indiziert gewesen wäre, ergibt sich im Übrigen gerade nicht aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. C*. Diese führte zwar aus, dass herausnehmbare Lösungen „grundsätzlich“ auch eine empfehlenswerte Alternative gewesen wären, allerdings nicht empfehlenswerter als die tatsächlich durchgeführte Behandlung (ON 37.4, Seite 9).
Der Klägerin gelingt es auch nicht, Zweifel an der vom Erstgericht als glaubwürdig erachteten Aussage des Beklagten, wonach die Klägerin keine herausnehmbare Alternative gewollt habe (ON 19.2, Seite 14), zu erwecken. Sogar die Klägerin selbst führte bloß vage aus, sich eine alternative Lösung überlegt zu haben (ON 37.4, Seite 14), und behauptete weder, über diese Möglichkeit nicht informiert worden zu sein, noch, dass sie eine herausnehmbare Lösung nicht abgelehnt hätte.
1.3.1. Anstelle der bekämpften Feststellung 2 begehrt die Berufungswerberin folgende Ersatzfeststellung:
„ Der Beklagte empfahl der Klägerin im Rahmen seiner Behandlung nicht die Durchführung von professionellen Mundhygienesitzungen im erforderlichen bzw. notwendigen Ausmaß von zumindest vier jährlichen Sitzungen im Intervall von drei Monaten. Die allgemeine Empfehlung zur Durchführung von professionellen Mundhygienesitzungen nahm die Klägerin an und ließ sie die Mundhygiene in Bosnien einmal jährlich zu einem günstigeren Preis durchführen. Die Klägerin wusste jedoch lediglich, dass sie einmal jährlich Mundhygienesitzungen durchführen lassen hätte sollen. “
Das Erstgericht habe übersehen, dass die Sachverständige zur Ansicht gelangt sei, dass die Situation bei der Klägerin besser wäre, wenn sie alle drei Monate eine professionelle Mundhygiene durchführen hätte lassen. Es sei daher nicht ausreichend gewesen, dass der Beklagte der Klägerin ab und an eine Mundhygienesitzung und besseres Putzen empfohlen habe, sondern er hätte auf das erforderliche Intervall von drei Monaten hinweisen müssen. Zu Unrecht habe das Erstgericht der glaubwürdigen Schilderung der Klägerin, in Bosnien Mundhygienesitzungen durchgeführt zu haben, keinen Glauben geschenkt. Sie habe sich keine Rechnungen ausstellen lassen, weil sie vor Beginn dieses Rechtsstreits nicht wissen habe können, solche zu benötigen.
1.3.2. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Berufungswerberin nicht gegen die vom Erstgericht getroffene Feststellung wendet, dass ihr der Beklagte immer wieder die Durchführung von professionellen Mundhygienesitzungen empfohlen habe, die sie nicht angenommen habe.
Soweit sie diese Feststellungen dahingehend ergänzt haben möchte, dass sie der Beklagte nicht über das bei ihr erforderliche Intervall dieser Sitzungen aufgeklärt habe, begehrt sie keine von den Feststellungen des Erstgerichts abweichenden Ersatzfeststellungen, sondern ergänzende Feststellungen, sodass ihre diesbezüglichen Ausführungen nicht dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung zuzuordnen sind, sondern inhaltlich ein sekundärer Feststellungsmangel moniert wird, der jedoch nicht vorliegt (siehe Punkt 2.2.).
Hinsichtlich der bekämpften Negativfeststellung zu in Bosnien durchgeführten Mundhygienesitzungen ist voranzustellen, dass eine Negativfeststellung zu treffen ist, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichtes nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, also das Beweisverfahren ohne subsumtionsfähiges Sachverhaltsergebnis geblieben ist, und die freie Beweiswürdigung zu keinem Ergebnis führt (RS0039903, RS0039872; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 Vor § 266 ZPO Rz 8).
Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich das Gericht für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen auf Grund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RS0043175). Der Richter hat nach eigener freier Überzeugung die aufgenommenen Beweise zu würdigen und nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zu prüfen, ob jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, der es rechtfertigt, die fragliche Tatsache für wahr zu halten ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 272 Rz 1; Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 272 ZPO Rz 2).
Der Berufungswerberin ist es nicht gelungen, stichhaltige Gründe darzutun, die erheblichen Zweifel an der vom Erstgericht in Anwendung des § 272 ZPO unter Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung vorgenommenen Beweiswürdigung rechtfertigen könnten. Das Berufungsgericht hält hingegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts (Seiten 9 bis 13 der Urteilsausfertigung) für überzeugend und zutreffend, sodass gemäß § 500a ZPO darauf verwiesen werden kann.
Insbesondere erscheint es nachvollziehbar, dass jemand, der ein derartiges Defizit bei der täglichen Mundhygiene aufweist, sodass dieses allen Beteiligten in Erinnerung geblieben und auch bei der Befundaufnahme durch die Sachverständige evident war, nicht nur den Putzinstruktionen keine Folge leistete, sondern auch die Empfehlung des Beklagten zur Inanspruchnahme professioneller Mundhygiene ignorierte. Vor diesem Hintergrund hätte wohl sogar die positive Feststellung getroffen werden können, die Klägerin habe keine Mundhygienesitzungen absolviert. In jedem Fall ist die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung nicht durch die Feststellung, die Klägerin hätte jährlich eine Mundhygienesitzung durchgeführt, zu ersetzen.
1.4. Das Berufungsgericht übernimmt somit die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zugrunde.
2. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:
2.1. In ihrer Rechtsrüge führt die Berufungswerberin aus, es würden aus dem Behandlungsvertrag Informations- und Aufklärungspflichten geschuldet, die auch die therapeutische Aufklärung (auch Sicherungsaufklärung) über die vom Patienten zu leistende Mitarbeit umfassten. Der Arzt müsse dem Patienten gegenüber darlegen, was dieser zu beachten habe, damit das Ziel der Behandlung nicht gefährdet werde bzw ein bestmöglicher Heilerfolg eintreten könne. Die therapeutische Aufklärung bzw Anleitung bilde einen Teil der lege artis durchzuführenden therapeutischen Heilbehandlung, sodass deren Verletzung einen ärztlichen Behandlungsfehler bilde. Erkennt der Arzt, dass bestimmte ärztliche Maßnahmen erforderlich sind, habe er den Patienten auf deren Notwendigkeit und die Risiken ihrer Unterlassung hinzuweisen und den Patienten über das richtige Verhalten nach und während der Behandlung und die nachteiligen Folgen einer Nichtbefolgung therapeutischer Anweisungen aufzuklären.
Der Beklagte habe die Klägerin zwar darauf hingewiesen, besser auf ihre Mundhygiene zu achten. Es hätte ihn jedoch die Verpflichtung getroffen, die Klägerin explizit darauf hinzuweisen, dass eine richtige Mundhygiene bei einem Gebiss mit derartig vielen Versorgungen äußerst komplex sei und professionelle Mundhygienesitzungen im Drei-Monatstakt durchzuführen seien, damit sich die Situation bessere und das Ziel der Behandlungen nicht gefährdet werde. Es sei nicht ausreichend, der Klägerin zu zeigen, wie sie ihre Zähne „richtig“ zu putzen habe und ihr Mundhygienesitzungen zu empfehlen, sondern der Beklagte hätte ihr während des gesamten Behandlungszeitraums konkret darlegen müssen, alle drei Monate professionelle Mundhygienesitzungen in Anspruch zu nehmen.
In diesem Zusammenhang moniert die Berufungswerberin das Fehlen folgender Feststellungen:
„ Bei einem Gebiss mit derart vielen Versorgungen ist es äußerst komplex, eine richtige Mundhygiene vorzunehmen. Bei der Klägerin wäre es daher notwendig gewesen, darzulegen und darüber aufzuklären, dass diese während des Behandlungszeitraums alle drei Monate professionelle Mundhygienesitzungen durchführen lässt, damit sich die Situation der Klägerin bessert und das Ziel der Behandlung nicht gefährdet wird bzw. ein bestmöglicher Heilerfolg eintreten kann. Eine solche Notwendigkeit wurde seitens des Beklagten nicht dargelegt. “
Die begehrten ergänzenden Feststellungen ergäben sich aus dem Gutachten der Sachverständigen, insbesondere der mündlichen Erörterung.
2.2. Dem Beklagten ist – abgesehen von der bereits vom Erstgericht konstatierten Fehlbehandlung im Unterkiefer links im Jahr 2008 – weder ein Behandlungsfehler noch eine Verletzung der Aufklärungspflicht und somit kein rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen.
Der Berufungswerberin ist zwar insofern zuzustimmen, als der Beklagte aufgrund des Behandlungsvertrages auch die Pflicht hatte, die Klägerin darüber aufzuklären, dass eine gute Mundhygiene für einen bestmöglichen Behandlungserfolg erforderlich ist bzw eine mangelnde Mundhygiene das Ziel der Behandlung gefährden kann. Ein behandelnder Arzt hat nämlich seinen Patienten grundsätzlich auch auf die Notwendigkeit solcher Begleitmaßnahmen hinzuweisen (RS0026578 [T2]).
Allerdings ergibt sich aus den – größtenteils sogar unbestrittenen – Feststellungen, dass der Beklagte dieser ihm obliegenden Pflicht ausreichend nachgekommen ist: Die Klägerin wies bereits vor Beginn der Behandlung durch den Beklagten massive Defizite bei ihrer Mundhygiene auf (Seiten 5 und 9 der Urteilsausfertigung). Der Beklagte wies die Klägerin „mehrmals“ darauf hin, dass sie besser auf ihre Mundhygiene achten müsse und gab ihr auch Putzinstruktionen (Seite 9 der Urteilsausfertigung). Er empfahl ihr „immer wieder“ die Durchführung von professionellen Mundhygienesitzungen (Seite 9 der Urteilsausfertigung). Die Klägerin wusste, dass sie regelmäßig, nämlich zumindest einmal jährlich, Mundhygienesitzungen durchführen lassen hätte sollen. Unabhängig davon, ob sie entgegen der Empfehlung des Beklagten gar keine oder in Bosnien eine unzureichende Mundhygiene durchführen ließ, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht nur, dass der Beklagte über die Notwendigkeit aufgeklärt hat, sondern auch, dass die Klägerin seiner Empfehlung über viele Jahre hindurch nicht gefolgt ist.
Bereits im Hinblick darauf, dass die Klägerin der Empfehlung des Beklagten, eine professionelle Mundhygiene durchführen zu lassen, gar nicht folgte, bedarf es keiner Feststellungen zum bei der Klägerin erforderlichen Intervall oder zum vom Beklagten empfohlenen Intervall solcher Sitzungen. Der von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel besteht somit nicht.
Weiters ist zu bedenken, dass sich der Umfang der erforderlichen ärztliche Aufklärung nach den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Aufklärungsadressaten richtet (RS0026413 [T11]). Der Klägerin war die Notwendigkeit einer regelmäßigen, zumindest einmal jährlich durchzuführenden, professionellen Mundhygiene bekannt. Der Beklagte musste seine Empfehlung zur Durchführung einer professionellen Mundhygiene sohin nicht bei jedem Zusammentreffen der Streitteile wiederholen, wiewohl ohnehin ein mehrfaches Wiederholen seines Hinweises feststeht.
Über die bei der Klägerin allenfalls in kürzeren Intervallen als üblich erforderlichen Sitzungen wäre sie vom Beklagten nur dann aufzuklären gewesen, wenn sie sich seiner Empfehlung nicht generell widersetzt hätte, sondern zum Beispiel jährlich die von ihm empfohlene Sitzung durchführen hätte lassen. Nur dann käme in Betracht, dass er sie darüber aufklären hätte müssen, dass bei ihrer konkreten Zahnsituation Sitzungen in kürzeren Intervallen erforderlich seien.
3. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO, wobei die Bewertung des Feststellungsbegehrens durch die Klägerin unbedenklich war.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhing.
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