Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, die Richterin MMag. Pichler und den Richter Dr. Nowak in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, **, vertreten durch Mag. Alexander Tupy, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei B* Ltd. , **, Malta, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 19.891,16 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 25.3.2025, **-16, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht und hat ihren Sitz in **, Malta. Sie untersteht der Aufsicht und Kontrolle der Malta Gaming Authority, verfügt über eine Glücksspielkonzession nach maltesischem Recht, jedoch nicht nach dem österreichischen Glücksspielgesetz. Sie betreibt im Internet unter ** eine Plattform, auf der Glücksspiele auch in Österreich angeboten werden. Der Kläger eröffnete auf der Website der Beklagten ein Spielerkonto und verspielte von 18.2.2015 bis 15.8.2024 EUR 19.891,16 bei von ihr angebotenen Slot-Spielen, die realen Walzenspielen ähneln, und bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich vom Zufall abhängen. Der Kläger spielte von Österreich aus im Internet bei der Beklagten zu privaten Zwecken.
Der Klägerfordert den Gesamtspielverlust aus dem Glücksspiel in Höhe von EUR 19.891,16 samt 4 % Zinsen seit 15.8.2024, gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung und Schadenersatz. Die geschlossenen Verträge seien unwirksam, weil die Beklagte über keine Konzession nach dem GSpG verfüge.
Die Beklagte wandte – soweit für das Berufungsverfahren relevant – die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols ein. Die österreichischen Glücksspielregelungen seien in ihrer Gesamtheit inkohärent.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt. Es traf dazu neben dem eingangs bereits zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt die auf Urteilsseite 3 wiedergegebenen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
Rechtlich bejahte das Erstgericht die Rückforderbarkeit der auf Grundlage unerlaubter und folglich unwirksamer Glücksspielverträge an die konzessionslos agierende Beklagte geleisteten Beträge. Das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem sei unionsrechtskonform. Der Kläger begehre keine Zinsen, die vor mehr als drei Jahren vor Klagseinbringung angefallen seien, sondern nur seit 15.8.2024. Diese Zinsen seien nicht verjährt und stünden ihm wegen der bereicherungsrechtlichen Rückforderung zu.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Klage abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
1.1. Als Stoffsammlungsmangel rügt die Beklagte die unterbliebene Einholung der beantragten Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Marketing und Werbung, wodurch unter Beweis hätte gestellt werden können, dass das österreichische Glücksspielmonopol nicht die vom EuGH als legitim anerkannten Ziele (zB Verbraucherschutz, Suchtprävention und die Eindämmung des Glücksspielmarktes) verfolge. Das Erstgericht habe keinerlei Feststellungen in Bezug auf das österreichische Glücksspielmonopol und dessen Auswirkungen, insbesondere auch nicht zum Markt- und Werbeverhalten des österreichischen Monopolisten getroffen.
1.2. Falls aufgrund eines primären Verfahrensmangels, etwa der Zurückweisung von Beweisanträgen, andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt wurden, ist dies mit Mängelrüge geltend zu machen ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 57). Hat es das Erstgericht unterlassen, trotz entsprechenden Tatsachenvorbringens für die rechtliche Beurteilung relevante Feststellungen zu treffen, so liegt ein mit Rechtsrüge geltend zu machender sekundärer Feststellungsmangel vor ( Pimmer, aaO Rz 58).
1.3. Das Erstgericht hat in Zusammenhang mit diesem Themenbereich nur folgende Feststellung getroffen:
Von 2015 bis 2024 stellt und stellte Spielsucht in Österreich ein relevantes Problem dar. Das illegale Glücksspielangebot, vor allem im Online-Bereich, ist in den vergangenen Jahren zusehends gewachsen, was aus Spielerschutzperspektive eine Gefahr für die Verbraucher darstellt. Diesem Problem kann mit einer gezielten Lenkungspolitik hin zum legalen Angebot abgeholfen werden. Dazu ist auch die von der Konzessionarin durchgeführte Werbung angemessen und notwendig (UA S 3).
1.4. Die ersten drei Sätze dieser Feststellung betreffen zwar Tatsachen, aber zu den ersten beiden Sätzen erstattete die Beklagte kein entgegengesetztes Vorbringen. Der dritte Satz zur Lenkungspolitik ist mit „kann“ derart allgemein formuliert, dass auch er nicht im Widerspruch zum Vorbringen der Beklagten in ON 3 S 42 steht, das sie mit dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Marktforschung verband (dasselbe gilt hinsichtlich der weiteren SV-Anträge in ON 3 S 9 ff, 42 und ON 11 S 4 ff). Beim letzten Satz, nämlich zur Frage der Angemessenheit und der Notwendigkeit, handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung.
1.5. Die Berufungswerberin bringt daher keinen primären Verfahrensmangel zur Darstellung.
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. Die Beklagte stützt sich darauf, dass die österreichische Glücksspielregelung unionsrechtswidrig sei.
Der OGH geht aber in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des VfGH (E 945/2016) und des VwGH (Ro 2015/17/0022).
2.2.Insbesondere wegen der durch den Verfassungsgerichtshof zu G 259/2022 ausgesprochenen Teilaufhebung des § 25 Abs 3 GSpG hält die Beklagte eine Neubewertung für geboten.
Der OGH hat sich damit jedoch bereits befasst und an seiner Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems festgehalten. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft iSd § 25 Abs 2 GSpG den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Glücksspielrecht als Ganzem nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (1 Ob 25/23t [8] mwN).
2.3. Auch die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.
Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagte die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RS0129945).
Nach der Rsp des EuGH sind zwar auch die tatsächlichen Auswirkungen der nationalen Regelungen in die Kohärenzprüfung einzubeziehen (vgl C 390/12, Pfleger, Rn 56), der Begriff „tatsächlich“ ist aber nicht dahin auszulegen, dass die nationalen Gerichte angeleitet werden, „empirisch mit Sicherheit“ das Vorhandensein von bestimmten Auswirkungen der nationalen Regelung nach ihrem Erlass festzustellen (C-464/15, Admiral Casinos Entertainment AG ua,Rn 29). Der Rechtsprechung des EuGH lässt sich gerade nicht entnehmen, dass die Kohärenz jeder einzelnen Differenzierung im nationalen Glücksspielrecht durch eine empirische Studie untermauert werden müsste (3 Ob 72/21s mwN).
Der EuGH setzte sich in der Entscheidung C-920/19, Fluctus/Fluentum, neuerlich mit dem österreichischen Glücksspielmonopol auseinander und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen.
Tatsächliche Umstände, die in der umfangreichen Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems (vgl RS0130636) nicht schon berücksichtigt worden wären und die eine geänderte Beurteilung nahelegen könnten, zeigt die Beklagte in ihrem Vorbringen nicht auf.
Auf die von der Beklagten auf S 3 ihrer Berufung vermisste Feststellung, dass sie im klagsgegenständlichen Spielzeitraum in Österreich kein Glücksspiel beworben hat , kommt es ebenfalls nicht an, weil dies keine Auswirkungen auf die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols hat.
2.4.Soweit die Beklagte insbesondere Tatsachenfeststellungen zu den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielsystems im gegenständlichen Zeitraum vom Februar 2015 bis August 2024 fordert, ist darauf hinzuweisen, dass die zitierte Rsp des OGH auch diesen Zeitraum abdeckt (vgl zB 6 Ob 50/22d; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 198/23b).
2.5. Zuletzt wendet sich die Berufungswerberin gegen den Zinsenzuspruch des Erstgerichts. Voraussetzung für den Beginn des Zinsenlaufes sei die Fälligstellung der Forderung, was erst mit der Zustellung der Klage erfolgt sei.
Dabei verkennt die Berufungswerberin jedoch, dass der Bereicherungsschuldner nach ständiger Rechtsprechung die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben hat (4 Ob 46/13p; 7 Ob 10/20a), sodass auch der Zinsenzuspruch durch das Erstgericht nicht zu beanstanden ist. Es ist zwar richtig, dass in vereinzelten Entscheidungen von Rechtsmittelgerichten (so wie in der Berufung zitiert: OLG Innsbruck 5 R 70/22s; OLG Wien 16 R 205/22t) ein anderer Standpunkt vertreten wurde. Die oben referierte Rechtsansicht – der sich das Berufungsgericht anschließt – entspricht jedoch der völlig überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (so zB: OLG Wien: 16 R 4/23k, 16 R 220/22y, 16 R 183/22g, 13 R 228/22b, 12 R 137/22b, 12 R 30/22a; OLG Graz: 2 R 212/22x; OLG Linz: 15 R 161/22i, 2 R 154/22p, 4 R 174/22v). Bei der in der Berufung zitierten Entscheidung 5 Ob 115/23g waren nur mehr Zinsen ab Klagszustellung klagsgegenständlich.
Die Berufungswerberin behauptet auch die Unschlüssigkeit des Zinsenbegehrens. Das Erstgericht hielt jedoch auf UA S 2 unbekämpft fest, dass der Kläger von 18.2.2015 bis 15.8.2024 bei der Beklagten EUR 19.891,16 verspielte. Er begehrt somit nicht Zinsen ab jedem von ihm getätigten Einsatz, sondern erst ab seinem letzten Einsatz und zwar für den von ihm verlorenen Gesamtbetrag. Damit ist das Zinsenbegehren schlüssig.
2.6. Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
2.7.Die Anregung der Beklagten auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die relevanten Prüfungskriterien vom EuGH bereits ausreichend festgelegt wurden und zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (vgl ua 1 Ob 78/24p).
3.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
4.Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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