Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren ** (vormals **) des Landesgerichts Krems a.d. Donau erstattete Anzeige der Ausgeschlossenheit durch den Senat ** des Oberlandesgerichts ** (Senatspräsidentin Mag. A* sowie Richterinnen Dr. B* und Mag. C*) den
Beschluss:
Die Senatspräsidentin Mag. A* sowie die Richterinnen Dr. B* und Mag. C* sind im Berufungsverfahren über die vom Angeklagten D* erhobene Berufung (ON 43) ausgeschlossen.
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau vom 18. April 2024 gegen D* wegen § 222 Abs 1 Z 1 StGB (Tierquälerei einer Kuh in einem landwirtschaftlichen Betrieb, siehe ON 6), ausgedehnt wegen § 293 Abs 2 StGB (Fälschung eines Beweismittels, nämlich einer Aufzeichnung des Rinderbestandes, siehe ON 24.4, 14).
Mit Urteil des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 17. Juli 2024 zu (damals) AZ ** (ON 24.5) wurde D* anklagekonform schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
In Stattgebung der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Schuld wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts ** vom 10. Februar 2025, AZ 30 Bs 171/24b (ON 32) das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dabei beurteilte der Berufungssenat mit eigenständiger Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten und diesen belastender Zeugenaussagen durch Bezugnahme auf Beweisergebnisse die Tatfragen mit voller Kognitionsbefugnis und bezog beweiswürdigend Stellung (US 3-7). An der Entscheidung beteiligt waren die Senatspräsidentin Mag. A* sowie die Richterinnen Dr. B* und Mag. C*.
Mit Urteil des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 12. Mai 2025 zu (nunmehr) ** (ON 40.6) wurde D* im zweiten Rechtsgang erneut anklagekonform schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, wogegen sich dessen rechtzeitige Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe richtet (ON 43), die dem Oberlandesgericht ** mit Vorlagebericht vom 16. Juli 2025 (ON 44) vorgelegt wurde.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2025 zeigte der Senat ** (durch die Berichterstatterin Mag. C*) eine allfällige Ausgeschlossenheit des Senats gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO in Hinblick auf die obgenannte Berufungsentscheidung vom 10. Februar 2025 an.
Die Ausgeschlossenheitsanzeige ist inhaltlich berechtigt.
Nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter dann vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn andere als die in Z 1 und 2 leg.cit. genannten Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Juni 2016, AZ 17 Os 4/16s (5/16p, 11/16w) festgehalten (siehe RIS-Justiz RS0130814):
Diese Bestimmung (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) sichert - als einfach-gesetzliche Umsetzung der in Art 6 Abs 1 MRK normierten Garantie - den Anspruch jedermanns darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen Gericht gehört wird, ab. Nach (übereinstimmender) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Obersten Gerichtshofs wird die Prüfung der Unparteilichkeit getrennt in (hier nicht angesprochener) subjektiver und objektiver Perspektive vorgenommen. Letztere stellt darauf ab, ob - einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung des äußeren Anscheins - Umstände vorliegen, die objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unparteilichkeit wecken können. Solche Umstände können sich auch aus der Vorbefasstheit von Richtern eines Rechtsmittelgerichts in der Schuldfrage ergeben (zum Ganzen Lässig, WK-StPO § 43 Rz 13 bis 15 und 31a; Grabenwarter/Pabel, EMRK 6 § 24 Rz 48 ff). Hatte das Rechtsmittelgericht - hier mit eigenständiger Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung der Angeklagten und diese belastender Zeugenaussagen durch Bezugnahme auf Beweisergebnisse sowie mit Hinweis auf Strafbarkeit des angelasteten Verhaltens indizierende Verfahrensergebnisse - im früheren Rechtsgang die Tatfrage mit voller Kognitionsbefugnis zu beurteilen oder hat es dazu - wenngleich bloß aus Anlass einer Rechtskontrolle - (jedenfalls in einer für den Angeklagten nachteiligen Weise) beweiswürdigend Stellung bezogen, liegt Anschein von Befangenheit im Sinn des § 43 Abs 1 Z 3 StPO vor (EGMR 24. 6. 2010, 22349/06, Mancel und Branquart/Frankreich [Z 38 ff]; weiters [mit Hinweisen auf den - nach französischem Strafverfahrensrecht - wesensmäßigen Unterschied von Berufung und Beschwerde an das Kassationsgericht] 10. 2. 2004, 53971/00, D. P./Frankreich [Z 37 ff] und 22. 11. 2005, 65823/01 und 65273/01, Golinelli und Freymuth/Frankreich [Z 41 ff] sowie [zur Befassung mit ähnlichen Fragen in derselben Rechtssache zunächst beim Arbeits- und Sozialgericht und nachfolgend beim Verfassungsgericht] 5. 6. 2014, 50996/08, Hit D. D. Nova Gorica/Slowenien [Z 36 ff]; zur Rechtsprechung des OGH ** ; vgl auch [Ausgeschlossenheit bejahend] ** ; ** und ** ). An einer kassatorischen Entscheidung in Stattgebung einer zum Nachteil des Angeklagten ergriffenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld beteiligte Richter sind daher in einem weiteren Berufungsverfahren ausgeschlossen.
Wie der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. März 2019, 12 Os 11/19p, sowie vom 29. Mai 2019, 15 Os 56/19b, (siehe RIS-Justiz RS0126921) zuletzt konkretisierte, ist bei der Beurteilung der Frage, ob Richter eines Rechtsmittelgerichts nach Urteilsaufhebung im nachfolgenden Rechtsgang im Sinn der (hier einzig in Betracht kommenden) Bestimmung des § 43 Abs 1 Z 3 StPO ausgeschlossen sind, – einzelfallbezogen sowie unter Berücksichtigung des äußeren Anscheins – entscheidend, ob Umstände vorliegen, die objektiv gerechtfertigte Zweifel an deren unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung wecken könnten. Solche Umstände können sich auch aus der Vorbefasstheit von Richtern eines Rechtsmittelgerichts in der Schuldfrage ergeben (vgl zum Ganzen Lässig, WK-StPO § 43 Rz 13 ff und 31a mwN). Wird weder die Tatfrage in voller Kognitionsbefugnis beurteilt noch in den Entscheidungsgründen beweiswürdigend Stellung bezogen, sondern bei der Rechtskontrolle ausschließlich von den im Ersturteil getroffenen Sachverhaltsannahmen ausgegangen, ohne die Verfahrensergebnisse eigenständig zu bewerten, so ist keine Ausgeschlossenheit anzunehmen.
Fallkonkret hatte das Rechtsmittelgericht im früheren Rechtsgang die Tatfragen mit voller Kognitionsbefugnis beurteilt und beweiswürdigend Stellung bezogen, weshalb die an der kassatorischen Entscheidung in Stattgebung der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld beteiligten Senatspräsidentin und Richterinnen daher in einem weiteren Berufungsverfahren ausgeschlossen sind.
Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).
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