Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Pscheidl und MMag. Klaus in der Firmenbuchsache der A* GmbH in Liquidation , FN **, **, wegen Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2023, über den Rekurs des Liquidators B*, **, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.4.2025, **-6, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die verhängte Zwangsstrafe auf EUR 350,- herabgesetzt wird.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Die A* GmbH in Liquidation ( Gesellschaft ) mit Sitz in ** ist seit 7.9.2013 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Zuletzt wurde am 17.11.2023 der Jahresabschluss zum 31.12.2022 beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung eingereicht.
Infolge Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit (Beschluss des Erstgerichts vom 7.6.2023 zu **) ist die Gesellschaft mittlerweile aufgelöst und befindet sich in Liquidation. Liquidator der Gesellschaft ist B*, geboren am **.
Mit Zwangsstrafverfügungvom 3.4.2025 (ON 2) verhängte das Erstgericht über den Liquidator eine Zwangsstrafe von EUR 700,- wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung, gemäß den §§ 277 ff UGB die Unterlagen für die Rechnungslegung (Jahresabschluss etc) der Gesellschaft zum 31.12.2023 bis zum 30.9.2024 (Stichtag der Zwangsstrafverfügung) vollständig beim Firmenbuchgericht einzureichen.
Dagegen erhob der Liquidator Einspruch und brachte vor, der Konkurs über die Gesellschaft sei bereits abgeschlossen, aber trotz mehrmaliger Urgenz sei die Gesellschaft vom Firmenbuchgericht noch immer nicht gelöscht worden. Auch über das Vermögen des Liquidators sei das Konkursverfahren eröffnet worden und im April 2024 ein Zahlungsplan abgeschlossen worden.
Dem Einspruch schloss er das Formular UGB Form 2 („Offenzulegender Auszug aus der Bilanz der kleinen GmbH“) an, wobei er zu sämtlichen Aktiva und Passiva des aktuellen und vorangegangenen Geschäftsjahres eine „0“ einsetzte.
Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht im ordentlichen Verfahren eine Zwangsstrafe von EUR 1.500,- über den Liquidator. Bei dem vorgelegten Formular handle es sich um keine ordnungsgemäße Bilanz, weil weder Vorjahreszahlen, noch Stammkapital oder Verbindlichkeiten ausgewiesen seien. Es sei nicht Aufgabe des Firmenbuchgerichts, das Unternehmen zu löschen. Vielmehr habe der Liquidator nach der Konkursabweisung das Liquidationsverfahren durchzuführen und danach die Löschung aus diesem Grund zu beantragen. Gerade aufgrund des Interesses der Gläubiger, die finanzielle Situation der Gesellschaft zu kennen, sei die Offenlegung des Jahresabschlusses zu erzwingen, weshalb die Strafe empfindlich zu erhöhen gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Liquidators mit dem Antrag auf dessen ersatzlose Aufhebung und die Einstellung des Zwangsstrafverfahrens.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt .
1.Der Liquidator bringt vor, dass das Firmenbuchgericht gemäß § 40 FBG die Gesellschaft nach Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens aufgrund ihrer Vermögenslosigkeit löschen hätte müssen. Die Nullbilanz sei erstellt worden, weil die Gesellschaft nicht mehr existiere – sie verfüge über keinerlei Vermögen. Der Rekurswerber habe einen Zahlungsplan zu bedienen, sodass er die verhängte Strafe nicht bezahlen könne.
2.1Gemäß § 277 Abs 1 UGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften die in den §§ 277 bis 279 UGB angeführten Unterlagen spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung einzureichen. Für die Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2023 endete diese Frist daher mit 30.9.2024.
2.2Ziel der Offenlegungsvorschriften ist die Unterrichtung Dritter über geschäftsrelevante Umstände, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können (RS0113090).
2.3Nach § 283 Abs 2 UGB ist, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgte, mit Strafverfügung eine Zwangsstrafe von EUR 700,-, bei Kleinstkapitalgesellschaften (§ 221 Abs 1a UGB) von EUR 350,- zu verhängen, und zwar über den/die Geschäftsführer (§ 283 Abs 1 UGB) und über die Gesellschaft selbst (§ 283 Abs 7 UGB). Mit der rechtzeitigen Erhebung eines begründeten Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung außer Kraft. Über die Verhängung der Zwangsstrafe ist dann im ordentlichen Verfahren mit Beschluss zu entscheiden. Ist nicht mit Einstellung des Strafverfahrens vorzugehen, so kann – ohne vorherige Androhung – eine Zwangsstrafe von EUR 700,- bis EUR 3.600,-, bei Kleinstkapitalgesellschaften von EUR 350,- bis EUR 1.800,- verhängt werden (§ 283 Abs 3 UGB).
3.1Die Frage, ob die Offenlegungspflicht nach § 277 UGB für ein (langjährig) geschlossenes, im Abwicklungsstadium nach Konkursaufhebung wegen § 123a IO befindliches Unternehmen nicht (mehr) bestehe, zumal der Warnfunktion der Offenlegung keine Bedeutung zukomme, hat der OGH zu 6 Ob 230/20x wie folgt beantwortet:
1. Nach § 285 Abs 1 Satz 1 UGB idF RÄG 2014 sind während der Dauer eines Insolvenzverfahrens keine Zwangsstrafverfügungen nach § 283 UGB zu erlassen. Die ErläutRV (367 BlgNR 25. GP 20) verweisen dabei darauf, dass „eine zentrale Funktion der Offenlegung, nämlich rechtzeitig sowohl den Unternehmer wie auch den Gläubiger und Dritte vor einer Verschlechterung der Vermögenslage zu warnen, gegenstandslos [sei]," sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wird das Unternehmen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgeführt, lebe die Offenlegungspflicht wieder auf, „nicht jedoch, wenn das Insolvenzverfahren zur Abwicklung und letztendlich zur Löschung des Unternehmens führt". Nach Zib (in Zib/Dellinger, UGB § 285 Rz 5) „können" nach Ende des Insolvenzverfahrens wieder Zwangsstrafverfügungen gegen die Organvertreter, und zwar auch zur Erzwingung der Offenlegung über Zeiträume während des Insolvenzverfahrens, verhängt werden, „sofern der Rechtsträger fortbesteht (zB Sanierung)".
2. Dass auch die Liquidatoren einer Gesellschaft nach deren Auflösung für die Offenlegung früherer Jahresabschlüsse verantwortlich sind, entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 152/02z; 6 Ob 176/llt; 6 Ob 197/16p).
3. Die zitierten Gesetzesmaterialien beziehen sich ersichtlich auf den Fall, dass das Vermögen der Gesellschaft während des Insolvenzverfahrens verwertet wird. Allenfalls können unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Informationsbedürfnisses darunter auch noch Fälle subsumiert werden, in denen an das Insolvenzverfahren eine Liquidation anschließt, sofern diese in unmittelbarem zeitlichem Anschluss an das Insolvenzverfahren abgeschlossen wird. Der bloße Zusatz „in Liquidation" zum Firmenwortlaut begründet jedoch keinen Entfall des Informationsbedürfnisses von Gläubigern, Geschäftspartnern und der Allgemeinheit, zumal dieser Zusatz für sich genommen eine (vorübergehende) Fortführung (vgl dazu RS0127629) oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit keineswegs ausschließt.
4.1. In dem der Entscheidung 6 Ob 197/16p zugrunde liegenden Sachverhalt haben die Gesellschaft und die Geschäftsführerin sich darauf berufen, dass aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens sich nunmehr die amtswegige Löschung der Gesellschaft anschließe. Im vorliegenden Fall haben die Gesellschaft und der Liquidator - wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal behauptet, dass die Voraussetzungen für eine Amtslöschung nach § 40 FBG vorliegen.
4.2. Die Behauptung, die Gesellschaft habe kein Anlage- oder Umlaufvermögen, wurde erstmals im Rekurs erhoben. Damit wird im Übrigen keine Ausnahme von der gesetzlichen Offenlegungspflicht zur Darstellung gebracht. Gerade wenn kein Anlage- oder Umlaufvermögen vorhanden ist und das Unternehmen - wie dies im vorliegenden Fall behauptet wird - bereits längere Zeit geschlossen ist, sollte die Erstellung der Jahresabschlüsse keinen besonderen Aufwand nach sich ziehen (vgl 6 Ob 33/09k; 6 Ob 160/12s). Damit kann aber, abgesehen davon, dass auch dies im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet wurde, keine Rede davon sein, dass die Erfüllung der Rechnungslegungspflicht im konkreten Fall wegen Unmöglichkeit, Unwirtschaftlichkeit oder Untunlichkeit entfallen wäre.
4.3. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung kann aus dem Umstand, dass das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben wurde, nicht verlässlich abgeleitet werden, dass keinerlei Anlage- und Umlaufvermögen mehr vorhanden ist. Im Übrigen war das Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt der Erlassung der Zwangsstrafverfügungen des Erstgerichts bereits nahezu ein Jahr beendet, sodass keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass die Gesellschaft zwischenzeitig Vermögen erworben hat.
3.2Zusammengefasst folgt daraus, dass nach Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens die Rechnungslegungspflicht gemäß § 277 UGB grundsätzlich wieder auflebt. Nur dann, wenn das Insolvenzverfahren zur Abwicklung und letztendlich zur Löschung des Unternehmens führt, lebt die Offenlegungspflicht nicht wieder auf (6 Ob 197/16p).
3.3 Im vorliegenden Fall berief sich der Liquidator im Einspruch lediglich darauf, dass der Konkurs seit 2022 abgeschlossen sei und die Gesellschaft trotz mehrmaliger Urgenz noch nicht gelöscht sei. Dass die tatsächliche Abwicklung bereits erfolgt bzw ein Löschungsverfahren eingeleitet worden sei, behauptete er dagegen nicht. Damit liegt aber der von den ErläutRV erwähnte Ausnahmefall einer Abwicklung und Löschung der Gesellschaft nicht vor (vgl 6 Ob l97/16p).
4.Der Umstand, dass ein Insolvenzverfahren über ein Organ der Gesellschaft eröffnet wurde, hat keinerlei Auswirkungen auf die Vorlagepflicht des Organs, sodass dieses durch Zwangsstrafverfügungen zur Vorlage des Jahresabschlusses zu verhalten ist (vgl 6 Ob 20/17k).
5. Das Erstgericht ist daher zu Recht vom Bestehen der Offenlegungspflicht ausgegangen.
6.Ob die vom Liquidator eingereichte „Nullbilanz“ den Anforderungen des § 277 UGB entspricht, kann hier dahingestellt bleiben.
6.1Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgt aus § 283 Abs 6 UGB, dass eine nachträgliche Einreichung die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren nach § 283 Abs 1 UGB nicht mehr verhindern kann, wenn der Jahresabschluss nicht längstens bis zum Tag vor Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde (RS0126978, insb [T2]).
6.2 Hier wurde die „Nullbilanz“ erst mit dem Einspruch und damit nach Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingebracht. Das Erstgericht hat daher zu Recht eine Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren verhängt.
7 . Gegen die Strafhöhe wendet der Liquidator ein, dass die Gesellschaft über keine Mittel verfüge und er selbst einen Zahlungsplan zu bedienen habe, sodass er die verhängte Strafe nicht bezahlen könne. Er habe bereits im Einspruch auf das über sein Vermögen eröffnete Insolvenzverfahren hingewiesen.
7.1 Aufgrund des Einwands, dass die Gesellschaft über keinerlei Mittel verfüge, ist die Einordnung als Kleinstkapitalgesellschaft zu berücksichtigen.
7.2Eine Gesellschaft ist gemäß § 283 Abs 1 UGB als Kleinstkapitalgesellschaft anzusehen, wenn sie die gesetzlichen Vertreter zuletzt - also anlässlich der Einreichung des Jahresabschlusses - in plausibler Weise als solche eingestuft haben (§ 277 Abs 4 UGB), es sei denn, es liegen Hinweise vor, dass die Schwellenwerte mittlerweile überschritten wurden. Ansonsten wird eine Kleinstkapitalgesellschaft nur über rechtzeitigen Einwand der Partei als solche behandelt.
7.3Kleinstkapitalgesellschaften sind kleine Kapitalgesellschaften, die keine Investmentunternehmen oder Beteiligungsgesellschaften sind und mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: EUR 350.000 Bilanzsumme; EUR 700.000 Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; im Jahresdurchschnitt 10 Arbeitnehmer (§ 221 Abs 1a UGB).
Ist dem Firmenbuchgericht nicht bekannt, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Kleinstkapitalgesellschaft handelt, wird zunächst eine Strafverfügung in voller Höhe erlassen; die Gesellschaft hat dann ihre Eigenschaft als Kleinstkapitalgesellschaft bei erster Gelegenheit einzuwenden und gegebenenfalls zu bescheinigen ( Schuster in WK-UGB II/3³ § 283 Rz 3; Zib in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 283 Rz 48 je mwN).
7.4Im konkreten Fall hat der Liquidator bereits im Einspruch auf die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft hingewiesen. Laut der zuletzt veröffentlichten Bilanz zum 31.12.2022 wurden alle drei Schwellenwerte nach § 221 Abs 1a UGB nicht überschritten. Es ist daher vom Vorliegen einer Kleinstkapitalgesellschaft auszugehen.
7.5 Laut Insolvenzdatei wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15.5.2024 zu ** der Zahlungsplan des Liquidators rechtskräftig bestätigt. Demnach erhalten die Gläubiger eine Quote von 10%, die Zahlungsfrist endet am 21.4.2031. Aufgrund dieses Umstandes ist die Strafe im untersten Bereich anzusetzen.
8. In teilweiser Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluss daher dahin abzuändern, dass die verhängte Zwangsstrafe auf EUR 350,- zu mindern war.
9.Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 15 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne der letztgenannten Bestimmung waren nicht zu beantworten.
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