Das Oberlandesgericht Wien fasst als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vor- sitzenden, den Richter Dr. Schober und die Richterin Mag. a Felbab in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Landesgesundheitsagentur, Stattersdorfer Hauptstraße 6/C, 3100 St. Pölten, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen zuletzt Feststellung (Streitwert EUR 5.000), über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 31.3.2025, ** 64 (Rekursinteresse EUR 3.810,98), in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 7.918,99 (darin EUR 876,15 USt und EUR 2.662,03 Barauslagen) bestimmte erstinstanzliche Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 241,72 (darin EUR 40,29 USt) bestimmte Rekursbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die Klägerin erhielt während ihrer stationären Behandlung im Universitätsklinikum B* am 13.4.2021 von einem Mitarbeiter des Krankenhauses eine mit heißem Wasser gefüllte Wärmeflasche, die auf ihrem Körper zerplatzte, wodurch sie Verbrennungen erlitt. Die Beklagte ist Trägerin des Universitätsklinikums B*. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten anerkannte eine Haftung für künftige Schäden aus diesem Vorfall dem Grunde nach mit der Wirkung eines Feststellungsurteils und leistete der Klägerin vorprozessual bereits eine Zahlung von EUR 2.500 an Verunstaltungsentschädigung, EUR 10.080 an Schmerzengeld sowie EUR 630 an Ersatz für Pflegeaufwand.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 28.6.2024 zu C* wurde die Haftpflichtversicherung der Beklagten zur Zahlung von weiteren EUR 3.100 (davon EUR 3.000 an weiterem Schmerzengeld und EUR 100 für pauschale Unkosten) samt Zinsen an die Klägerin schuldig erkannt. Sie leistete aufgrund dieses Urteils am 7.8.2024 eine Zahlung von EUR 3.372,80 (Kapital EUR 3.100, Zinsen EUR 272,80) an die Klägerin.
Im gegenständlichen Verfahren begehrte die Klägerin von der Beklagten zunächst EUR 15.000 an weiterem Schmerzengeld und EUR 100 an pauschalen Unkosten. Sie dehnte das Klagebegehren mit Schriftsatz vom 26.9.2022 (ON 7) um ein mit EUR 5.000 bewertetes Feststellungsbegehren aus, das die Haftung der Beklagten für künftige Schäden umfassen sollte. Nach Erhalt der Zahlung seitens der Haftpflichtversicherung der Beklagten aufgrund des Urteils im Verfahren C* des LG St. Pölten schränkte die Klägerin – unter Aufrechterhaltung des Feststellungsbegehrens – das Leistungsbegehren zunächst mit Schriftsatz vom 13.9.2024 (ON 53) auf EUR 13.054,32 sA und sodann mit weiterem Schriftsatz vom 9.10.2024 (ON 57) auf EUR 11.727,20 sA ein. Schließlich schränkte sie aufgrund der das soeben genannte erstinstanzliche Urteil bestätigenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien im Verfahren 10 R 40/24m und aufgrund des Ergänzungsgutachtens ON 55 das Klagebegehren weiter ein und hielt (ausschließlich) das Feststellungsbegehren aufrecht.
Mit dem nun angefochtenen Urteil Urteil gab das Erstgericht dem Feststellungsbegehren statt und verpflichtete die Beklagte zum Ersatz von EUR 7.247,88 an Verfahrenskosten an die Klägerin.
Bei der Kostenentscheidung bildete das Erstgericht aufgrund der erfolgten Klagsausdehnungen und -einschränkungen Verfahrensabschnitte. Auf Basis der Einwendungen der Beklagten sah es die Schriftsätze vom 29.12.2022 (richtig: 19.12.2022), 29.1.2024 sowie vom 17.4.2024 nicht als für die Rechtsverfolgung zweckentsprechend notwendig an. Die mehrfachen Klagseinschränkungen mit den Schriftsätzen vom 13.9.2024, 9.10.2024 und 17.1.2025 wären zu verbinden gewesen, wodurch lediglich ein Schriftsatz (nämlich der vom 13.9.2024) mit TP2 zu honorieren sei. Die verzeichneten Barauslagen seien von Amts wegen zu kürzen gewesen, weil die erlegten Kostenvorschüsse nicht zur Gänze verbraucht worden seien.
Gegen diese Kostenentscheidung wendet sich der vorliegende Kostenrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihr weitere Verfahrenskosten von EUR 3.810,98 (insgesamt daher EUR 11.058,86) zuzuerkennen.
Die Beklagte stellt in der Kostenrekursbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt .
1. Nach Ansicht der Klägerin dienten folgende Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung:
Das Erstgericht habe zudem keine Kosten für die Verhandlung vom 18.6.2024 (ON 40) zugesprochen, die 2/2 Stunden gedauert habe und auf Basis von TP 3A RATG auf einer Bemessensgrundlage von EUR 8.100 zu entlohnen sei.
2. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Inhalt des Schriftsatzes vom 19.12.2022 bereits in der Tagsatzung vom 1.12.2022 oder spätestens in der Tagsatzung vom 18.4.2023 inhaltlich hätte vorgetragen werden können. Auch der Beweisantrag vom 29.1.2024 hätte zu einem früheren Zeitpunkt gestellt werden können, zumal die Einvernahme der Psychotherapeutin der Klägerin beantragt worden sei, die die Klägerin bis August 2022 behandelt habe. Beim Beweisantrag vom 17.4.2024 handle es sich um einen Antrag, der nach der vorbereitenden Tagsatzung erstattet worden sei und keinesfalls zur Vorbereitung der Tagsatzung gedient habe. Die Klagseinschränkungen vom 13.9.2024, 9.10.2024 und vom 17.1.2025 hätten – so wie das Erstgericht zutreffend angeführt habe - in einem Schriftsatz erfolgen können, weshalb nur ein Schriftsatz zu honorieren sei. Da der Schriftsatz vom 26.9.2022 nicht zu honorieren sei, gebühre auch kein ERV Zuschlag.
Das angegebene Rekursinteresse von EUR 3.810,98 sei nicht nachvollziehbar. Addiere man die monierten Positionen, ergebe das EUR 2.657,95. Nur auf dieser Basis wären Rekurskosten zuzusprechen.
3. Vorauszuschicken ist, dass die Klägerin teilweise Positionen beanstandet, die vom Erstgericht ohnedies richtig berücksichtigt wurden. Darauf wird daher mangels Beschwer nicht weiter eingegangen. Dies gilt für die Klageseinschränkung vom 13.9.2024 und für die Kostenvorschüsse. Letztere wurden entsprechend ihres Verbrauchs berücksichtigt, wobei das Erstgericht ohnedies festgehalten hat, dass von den erlegten Kostenvorschüssen noch EUR 1.402 rücküberwiesen werden.
4. Primäre Voraussetzung für den Kostenersatzanspruch ist, dass die an sich ersatzfähigen Kosten auch zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung – kumulativ – notwendig und zweckmäßig aufgewendet wurden. Der Grundsatz der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit besagt, dass Kosten überhaupt nur unter diesen Voraussetzungen ersatzfähig sind (9 Ob 104/00k; RS0035774).
4.1. Den Schriftsatz vom 19.12.2022 (ON 11) hat das Erstgericht sichtlich nicht als notwendig und/oder zweckmäßig beurteilt. Dieser Beurteilung ist nicht entgegenzutreten, zumal der Schriftsatz kein Vorbringen enthält, das zum einen in der Tagsatzung vom 1.12.2022 nicht ohnedies schon protokolliert und erörtert wurde; auch der mit dem Schriftsatz gestellte Sachverständigenbeweisantrag wurde in dieser Tagsatzung schon gestellt. Zum anderen hat er keine Ersparnis an Verfahrensaufwand bewirkt (vgl
4.2. In Bezug auf die Beweisanträge vom 29.1.2024 (ON 33) und vom 17.4.2025 (ON 38) teilt das Rekursgericht nur in Bezug auf den Antrag vom 17.4.2025 die Ansicht des Erstgerichts, dass dieser in der darauffolgenden Tagsatzung hätte gestellt werden können.
Mit Beweisantrag vom 29.1.2024 wurde die Zeugin D* beantragt, welche in der (nächsten) Tagsatzung am 18.6.2024 auch vernommen wurde. Auf Basis der in dieser Tagsatzung gewonnenen Beweisergebnisse wurde die Sachverständige aus dem Fachgebiet der Neurologie-Psychiatrie Dr. E* bestellt (S 7 in ON 40.2). Der Beweisantrag ist zwar sinnvoll gewesen, er hätte aber im Sinne der Prozessförderungspflicht (§ 178 ZPO) früher gestellt werden können, ohne die verzeichneten Mehrkosten zu verursachen. Im Ergebnis ist daher auch dieser Verfahrensaufwand in Bezug auf seine Honorierung als nicht notwendig und nicht zweckmäßig einzustufen.
4.3. In Bezug auf die Klagseinschränkungen vom 9.10.2024 (ON 57) und 17.1.2025 (ON 69) ist Folgendes anzuführen: Die Klagseinschränkung vom 9.10.2024 bezieht sich inhaltlich auf die ohnedies vom Erstgericht honorierte Klagseinschränkung vom 13.9.2024 (ON 53). Dass die Zahlung der Haftpflichtversicherung von EUR 3.372,80 (EUR 3.100 Kapital und EUR 272,80 Zinsen) von der Klägerin zunächst nicht entsprechend gewidmet wurde, liegt in ihrer Sphäre; zwei Schriftsätze wären dazu nicht erforderlich gewesen.
Für die letzte Klagseinschränkung wäre die Eingabe vom 17.1.2025 nicht erforderlich gewesen, weil die Einschränkung - ohne eine Verursachung von Mehrkosten - am Beginn der darauffolgenden Tagsatzung vom 28.1.2025 erfolgen hätte können.
4.4. Zutreffend ist, dass das Erstgericht keinen Kostenzuspruch für die Tagsatzung vom 18.6.2024 vorgenommen hat. Gegen dieses Versehen wendet sich auch die Beklagte inhaltlich nicht. Diese Kosten gebühren ihr jedenfalls in Höhe von EUR 665,47 (darin EUR 110,91 USt).
4.5. Gleiches gilt für die (vergessenen) ERV-Zuschläge für die Schriftsätze vom 26.9.2022 (gegen eine Nicht-Honorierung dieses Schriftsatzes hat sich weder das Erstgericht noch die Beklagte inhaltlich ausgesprochen) und vom 13.9.2024. Beide Schriftsätze dienten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, womit einmal EUR 2,10 und einmal EUR 2,60 an verzeichnetem ERV-Zuschlag zuzusprechen gewesen wären.
5. Im Ergebnis gebühren der Klägerin daher an weiteren Verfahrenskosten EUR 671,11 (darin EUR 111,85 USt). In teilweiser Stattgebung des Rekurses war die angefochtene Kostenentscheidung daher entsprechend abzuändern.
6. Die Kostenentscheidung des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat mit rund 20% obsiegt; sie hat daher der Beklagten 60 % ihrer Rekursbeantwortungskosten zu ersetzen.
Beim Rekursinteresse orientierte sich die Klägerin an der Differenzsumme der Verfahrenskosten zwischen den bereits zugesprochenen EUR 7.247,88 und den letztlich begehrten EUR 11.058,86. Sie trägt das Kostenrisiko, wenn sie zu dem von ihr genannten Rekursinteresse inhaltlich zu wenig ausführt.
7. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
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