Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Einzelrichter Ing.Mag. Kaml in der Strafsache gegen A* und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB über die Beschwerde der B* (ON 18) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juni 2025, GZ **, den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt 1.) dahingehend abgeändert, dass der Beitrag des Bundes zu den Kosten der Verteidigung der B* mit 600,- Euro bestimmt wird.
Begründung:
Mit Verfügung vom 14. März 2025 (ON 1.11) stellte die Staatsanwaltschaft Wien das zu AZ ** (soweit hier relevant:) auch gegen B* wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO ein. Der Ermittlungsakt des bis dahin etwas mehr als drei Monate andauernden Verfahrens bestand zu diesem Zeitpunkt aus neun Ordnungsnummern, worunter sich eine Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht (ON 5.2) befand. Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung der B* im Beisein eines Verteidigers nahm 35 Minuten in Anspruch (ON 9.7).
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2025 (ON 16.2) beantragte B* sodann unter Anschluss eines Kostenverzeichnisses über eine Gesamtsumme von 3.932,04 Euro brutto – darin enthalten 137,15 Euro an Kosten für den Antrag selbst – die Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 196a StPO.
Diesen Antrag leitete die Staatsanwaltschaft dem Erstgericht mit Verfügung vom 5. Juni 2025 (ON 1.19) weiter.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte die Erstrichterin den durch den Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung der Beschuldigten (gemäß § 196a Abs 1 StPO) mit 300,- Euro.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der B* (ON 18), der im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zukommt.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß (hier:) § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst – neben baren Auslagen – einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO). Das Höchstmaß des Beitrags kann bei Verfahren, die durch außergewöhnlichen Umfang oder besondere Komplexität gekennzeichnet sind, sowie im Falle der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens (§ 108 Abs 1 StPO) um die Hälfte überschritten und im Falle extremen Umfangs des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden (Abs 2 leg cit).
Der Pauschalkostenbeitrag in einem Höchstbetrag der „Grundstufe (Stufe 1)“ in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle jene Verteidigungsfälle zur Verfügung stehen, die – wie der vorliegende – nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Dabei ist es angezeigt, für ein durchschnittliches Verfahren der „Stufe 1“ auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sogenanntes „Standardverfahren“ auszugehen. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass ein durchschnittliches „Standardverfahren“ im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, der Erfolgszuschlag jedoch außer Betracht bleibt (EBRV 2557 BlgNR 27. GP S 5). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Pauschalbeitrag stets nur ein Beitrag sein und nicht die gesamten Verteidigerkosten ersetzen darf (vgl Lendl , WK-StPO § 393a Rz 10 mwN).
Fallbezogen lag unter Bedachtnahme auf den äußerst geringen Umfang der (nur kurzen) Ermittlungen, die geringe Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen (Amtsmissbrauch im Zuge einer Hausdurchsuchung mit anschließender Festnahme, indem die Beschuldigte eine Waffe in einem Abstand von weniger als einen Meter gegen den Kopf des Opfers gehalten habe), die Notwendigkeit von lediglich einer kurzen – Tarifpost 1 des unterfallenden – Eingabe an die Staatsanwaltschaft (Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf elektronische Akteneinsicht), den kurzen Akteneinsichten sowie die nur 35-minütige Beschuldigtenvernehmung zwar ein einfacher, hinter dem „Standardverfahren“ zurückbleibender Verteidigungsfall vor, dennoch erweist sich der dafür durch das Erstgericht zugesprochene Beitrag zu den Kosten der Verteidigung (im Ausmaß von bloß 10 % der „Ausgangsbasis“ von 3.000 Euro) als etwas zu geringfügig bemessen.
Angesichts der genannten Kriterien und unter Berücksichtigung der vom Verteidiger konkret erbrachten Leistungen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, erscheint im konkreten Einzelfall eine Erhöhung des der Beschwerdeführerin zugesprochenen Pauschalkostenbeitrags auf das im Spruch genannte Ausmaß angemessen.
Bleibt anzumerken, dass die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach für einen Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren nach § 196a Abs 1 StPO keine Kosten verzeichnet werden können, zutrifft (vgl Lendl, WK-StPO § 393a Rz 23).
Gegen diese Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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