Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Viktorin und den Kommerzialrat DI Fida in der Rechtssache der klagenden Partei A*, ** , vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Nikolaus Humpel, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B* GmbH Co KG , **, 2. Dipl.Ing. C*, geb. **, **, und 3. D* GmbH, **, alle vertreten durch die Tucek Stocker-Schellander Rechtsanwälte GesbR in Graz, wegen EUR 127.264 samt Nebengebühren, über die Berufung der beklagten Parteien gegen das Versäumungsurteil des Handelsgerichts Wien vom 9. April 2025, **-8, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.603,69 (darin EUR 767,28 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründ e:
Mit Klage vom 24.2.2025 begehrte der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 127.264 auf ein näher bezeichnetes Treuhandkonto sowie die Zahlung von Zinsen, nämlich von der Erst- und Drittbeklagten in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz und vom Zweitbeklagten von 4 %, jeweils aus EUR 127.264 seit 5.12.2024. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, von der Erstbeklagten mit Kauf- und Bauträgervertrag vom 5.9.2022 die Wohnung Top 03 im Erdgeschoß auf der Liegenschaft „**“ um EUR 397.700 gekauft zu haben. Gemäß Kaufvertrag hätten die Vertragsparteien eine Auszahlung des Kaufpreises nach Ratenplan B iSd § 10 BTVG vereinbart. Der Kläger sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass am 5.12.2024 die Baufortschrittsraten „Rohinstallationen“ und „Fassade und Fenster“, sohin ein Gesamtbetrag von EUR 127.282, an die Erstbeklagte ausbezahlt worden sei. Bei einem Augenschein am 7.1.2025 habe der Kläger feststellen müssen, dass die Baufortschritte nicht erreicht seien. Die Fassade sei immer noch eingerüstet, Fenster bzw Fenstertüren würden fehlen und seien nicht eingebaut. Es sei kein Estrich verlegt, weshalb die Leitungen der Fußbodenheizung noch nicht hergestellt worden sein könnten. Es seien auch keine Rohinstallationen vorhanden. Diese Erkenntnisse hätten sich im Rahmen einer gerichtlichen Beweissicherung am 10.2.2025 zu ** des Bezirksgerichts Hernals bewahrheitet. Obwohl nicht erklärlich sei, wie es unter diesen Umständen zu einer „positiven Baufortschrittsmeldung“ kommen habe können, liege eine solche „positive Baufortschrittsmeldung“ des Zweitbeklagten vor. Aufgrund dieser unrichtigen Baufortschrittsmeldung seien die Baufortschrittsraten „Rohinstallationen“ und „Fassade und Fenster“ vor Fälligkeit ausbezahlt worden. Die Baufortschrittsbestätigungen seien unrichtig. Die Auszahlungen seien daher rechtswidrig erfolgt. Gegenüber der Erstbeklagten stütze sich der Kläger auf § 14 Abs 1 BTVG. Die Drittbeklagte hafte als Komplementärin für Gesellschaftsverbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern persönlich und unbeschränkt. Der Zweitbeklagte hafte als Baufortschrittsprüfer dem Kläger gegenüber für den Verlust der Absicherung für die Fertigstellung des betreffenden Bauabschnitts durch eine unrichtige Baufortschrittsmeldung. Der Zweitbeklagte habe daher Schadenersatz in Form von Naturalrestitution durch Wiederauffüllung des Treuhandkontos auf den Stand vor der durch ihn verursachten vertragswidrigen Auszahlungen zu leisten.
Mangels Erstattung einer Klagebeantwortung durch die Beklagten erließ das Erstgericht auf Antrag des Klägers (ON 7) das angefochtene Versäumungsurteil , mit dem es dem Klagebegehren stattgab.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Die Berufungswerber wenden die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ein, weil kein Solidarschuldverhältnis vorliege und ein auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gestützter Zahlungsanspruch nicht gleichzeitig gegen die Beklagten geltend gemacht werden könne.
2. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516).
2.1. Bei einer Solidarschuld haben alle Schuldner mit ihrem gesamten Vermögen für die Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit einzustehen, wobei jeder Schuldner für das Ganze haftet. Voraussetzung für die Annahme einer Gesamtschuld ist die Identität der geschuldeten Leistung. Eine Gesamtschuld setzt ein persönliches Verpflichtungsverhältnis mehrerer voraus, das jedoch nicht gleichzeitig und aus demselben Rechtsgrund begründet werden muss (vgl RS0017315; Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 891 Rz 1; Gamerith/Wendehorst in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 891 Rz 2 f). Der Gläubiger kann die Solidarschuldner nach seiner Wahl bis zur vollständigen Befriedigung beliebig in Anspruch nehmen ( Kodek aaO Rz 17, Gamerith/Wendehorst aaO Rz 15).
2.2. Dass die behauptete Haftung der Beklagten auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruht, nämlich einerseits bereicherungsrechtlich nach § 14 Abs 1 BTVG und andererseits schadenersatzrechtlich, steht einer Solidarhaftung nicht entgegen. Die Verschiedenheit der Anspruchsgrundlagen betrifft lediglich die haftungsbegründenden Voraussetzungen, nicht aber die Identität der Leistung oder die rechtliche Möglichkeit, diese Ansprüche gemeinsam geltend zu machen. Ebenso wenig schadet es, dass die Ansprüche nicht dasselbe rechtliche Schicksal teilen würden, zumal sich dies nicht auf die Frage des Bestehens einer Solidarhaftung auswirkt, sondern lediglich eine Folge der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe darstellt. Inwieweit die gleichzeitige Geltendmachung eines auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhenden Zahlungsanspruchs gegenüber mehreren Personen unzulässig wäre, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und wird auch von der Berufung nicht näher ausgeführt.
3. Entscheidungsgrundlage eines Versäumungsurteils ist das tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei; dieses ist „für wahr zu halten“ (§ 396 Abs 1 und 2 ZPO).
3.1. Der Kläger brachte vor, von der Erstbeklagten eine näher bezeichnete Wohnung gekauft und dabei eine Auszahlung des Kaufpreises nach Ratenplan B iSd § 10 BTVG vereinbart zu haben. Obwohl die vereinbarten Baufortschritte nicht erreicht gewesen seien, seien aufgrund einer unrichtigen Baufortschrittsmeldung des Zweitbeklagten Baufortschrittsraten im Gesamtbetrag von EUR 127.282 an die Erstbeklagte ausbezahlt worden.
3.2. Entgegen den Behauptungen der Berufungswerber lässt sich die begehrte Rechtsfolge ohne weiteres aus dem Klagsvorbringen ableiten, zumal der Erwerber gemäß § 14 Abs 1 BTVG alle Leistungen, die er oder der Treuhänder für ihn entgegen den Bestimmungen des BTVG erbracht hat, zurückfordern kann. Eine Haftung der Erstbeklagten wäre demnach evident. Die (solidarische) Haftung der Drittbeklagten beruht nach dem Klagsvorbringen auf deren persönlicher und unbeschränkter Haftung als Komplementärin der Erstbeklagten. Der Zweitbeklagte wiederum wird unter Bezugnahme auf die von ihm stammende unrichtige Baufortschrittsmeldung schadenersatzrechtlich in Anspruch genommen. Aus welchem Grund der Zweitbeklagte nicht solidarisch haften sollte, lässt sich der Berufung nicht entnehmen und ist auch angesichts der Klagsbehauptungen nicht nachvollziehbar, wonach die unrichtige Baufortschrittsmeldung des Zweitbeklagten die zu Unrecht erfolgte Auszahlung der Baufortschrittsraten ausgelöst habe. Das Klagebegehren ist demnach keineswegs unschlüssig.
3.3. Soweit die Berufungswerber die inhaltliche Richtigkeit des Klagsvorbringens in Zweifel zieht und das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestreitet, ist festzuhalten, dass derartige Einwände bei der Beurteilung der Schlüssigkeit im Rahmen der Erlassung eines Versäumungsurteils außer Betracht zu bleiben haben. Vielmehr ist der Entscheidung lediglich das (schlüssige) Vorbringen zugrunde zu legen.
4. Schließlich monieren die Berufungswerber, dass der Kläger von der Erst- und Drittbeklagten Zinsen von 8 % über dem Basiszinssatz und vom Zweitbeklagten Zinsen von 4 % (jeweils) aus EUR 127.264 begehre. Hierdurch würde der Kläger jedoch bereichert werden, zumal er doppelt entschädigt werden würde. Das Zinsbegehren sei daher nicht schlüssig.
4.1. Der Argumentation der Berufungswerber ist zwar insofern beizupflichten, als die Formulierung der Spruchpunkte 2. und 3. mangels Bezugnahme auf eine (bis zu einer Zinshöhe von 4 %) solidarische Haftung der Beklagten zu einer unzulässigen „doppelten“ Inanspruchnahme von Zinsen führen könnte. Dies allerdings nur, sofern in einem allfälligen Exekutionsverfahren die Akzessorietät der Zinsen zur Hauptschuld außer Acht gelassen werden würde.
4.2. Dieser Umstand begründet jedoch keine Unschlüssigkeit, zumal sich beide Zinsbegehren aus dem Klagsvorbringen ableiten lassen (vgl RS0037516): In Bezug auf die Erst- und Drittbeklagte gründete der Kläger sein Zinsbegehren auf § 14 Abs 1 BTVG (iVm § 161 UGB), der in seinem zweiten Satz „für Rückforderungsansprüche Zinsen ab dem Zahlungstag in einer den jeweiligen Basiszinssatz um acht Prozentpunkte übersteigenden Höhe“ vorsieht. Gegenüber dem Zweitbeklagten beruht der Anspruch auf Verzugszinsen auf § 1000 ABGB, der in seinem Abs 1 den allgemeinen gesetzlichen Zinssatz mangels gesonderter Bestimmung der Zinshöhe mit 4 % festlegt.
4.3. Entgegen der Ansicht der Berufungswerber sind die geltend gemachten Zinsen aus dem Vorbringen des Klägers ableitbar, weshalb die Voraussetzungen eines schlüssigen Klage- und Zinsbegehrens erfüllt sind. Die (auslegungsbedürftige) Formulierung der Spruchpunkte 2. und 3. berührt die Frage der Schlüssigkeit nicht.
Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision beruht auf § 500 Abs 2 Z 3 ZPO. Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO waren im Berufungsverfahren nicht zu lösen, zumal der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0116144).
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