Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden, den Richter Mag. Eilenberger-Haid und den Kommerzialrat Mag. Lintner, in der Rechtssache der klagenden Partei A* gmbh , FN **, **, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei B* AG , **, Schweiz, vertreten durch Mag. Armin Posawetz, Rechtsanwalt in Gratwein-Straßengel, wegen EUR 25.694,66 samt Zinsen, über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 23.194,66) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31.3.2025, **-25, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.482,62 (darin EUR 413,77 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte beauftragte die Klägerin zum Projekt **, mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie, wofür ein Honorar von EUR 2.500 vereinbart wurde, sowie mit der Erbringung von Generalplanerleistungen, darunter auch die Erstellung von Verkaufsplänen. Als Anzahlung für die Generalplanerleistungen sollte die Beklagte an die Klägerin EUR 14.677,51 leisten. Nach ordnungsgemäßer Erstellung der Machbarkeitsstudie und der Verkaufspläne legte die Klägerin an die Beklagte vereinbarungsgemäß Honorarnoten über EUR 2.500 bzw EUR 8.517,15 sowie hinsichtlich der vereinbarten Anzahlung. Trotz Fälligkeit leistete die Beklagte keine Zahlungen an die Klägerin.
Die Klägerin begehrte zuletzt (ON 23.4, S 2) EUR 25.694,66 samt Zinsen mit der Begründung, die in Rechnung gestellten Beträge seien fällig. Die Klägerin habe alle Leistungen ordnungsgemäß erbracht.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Klägerin habe die Leistungen weder ordnungsgemäß erbracht noch vereinbarungsgemäß abgerechnet. Die Beklagte habe die Honorarnoten auch nicht anerkannt. Bis auf die „Machbarkeitsstudie“ habe die Klägerin keine Leistungen für die Beklagte erbracht. Diese Studie sei für die Beklagte aber nicht brauchbar gewesen. Die Klägerin sei auch nicht berechtigt, Akontozahlungen von der Beklagten zu begehren. Der Klägerin stehe das Entgelt für die geltend gemachten Rechnungen nicht zu.
In der Tagsatzung am 16.12.2024 (ON 23.4) anerkannte die Beklagte den Betrag von EUR 2.500 für die Machbarkeitsstudie, woraufhin das Erstgericht antragsgemäß ein Teilanerkenntnisurteil verkündete.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte ( 1. ) - in Ausfertigung des verkündeten Teilanerkenntnisurteils - zur Zahlung von EUR 2.500 samt Verzugszinsen von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.9.2023, ( 2. ) zur Zahlung von EUR 23.194,66 samt Verzugszinsen von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 14.677,51 von 21.9.2023 bis 26.11.2023 und aus EUR 23.194,66 seit 27.11.2023 sowie ( 3. ) zum Kostenersatz.
Dabei traf es die oben zusammengefasst wiedergegebenen sowie die auf Seiten 3 bis 10 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte schulde aus dem mit der Klägerin abgeschlossenen Werkvertrag die geltend gemachten Beträge, weil die Klägerin ihre Leistung ordnungsgemäß erbracht habe und der Werklohn sowie die Anzahlung auch fällig seien.
Gegen Spruchpunkt 2. und 3. des Urteils, das in seinem Spruchpunkt 1. in Rechtskraft erwuchs, richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das Klagebegehren in seinen Punkten 2. und 3. abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Das Erstgericht beraumte am 8.10.2024 (ON 20) eine Tagsatzung für den 16.12.2024 an, für die auch die Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten, C* ( GdB ), vorgesehen war; die Ladung wurde dem GdB über die Kanzlei des Beklagtenvertreters am 9.10.2024 zugestellt. Zur der Tagsatzung am 16.12.2024 erschien der Geschäftsführer nicht. Der Beklagtenvertreter gab – als einzige Erklärung dazu – zu Protokoll, der GdB sei für ihn nicht mehr erreichbar; der Antrag auf seine Einvernahme bleibe aufrecht (ON 23.4, S 3, S 8).
Die Erstrichterin vernahm die beiden Geschäftsführer der Klägerin und schloss die Streitverhandlung ohne Vernehmung des GdB, weil keine ordnungsgemäße Entschuldigung vorliege und somit § 381 ZPO zur Anwendung gelange (ON 23.4, S 8).
Im nun angefochtenen Urteil würdigte die Erstrichterin das Fernbleiben des GdB gemäß § 381 ZPO (US 11) und traf dem Prozessstandpunkt der Beklagten zuwiderlaufende Feststellungen.
2. In ihrer Mängelrüge macht die Beklagte geltend, das Unterbleiben der Vernehmung des GdB stelle einen Verfahrensmangel (Stoffsammlungsmangel) dar. § 381 ZPO dürfe nur angewendet werden, wenn sich der GdB „fortlaufend entschuldigt hätte“. Seine einmalige Nichtanwesenheit führe (noch) zu keiner Säumnis.
3. Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der behauptete Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern. Der Rechtsmittelwerber hat die abstrakte Eignung darzutun, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS0043049 [T 6]). Er muss in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar ausführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (RS0043039 [T 4, T 5]). Wird die Mängelrüge mit dem Ziel einer Änderung der Sachverhaltsgrundlage vorgetragen, dann muss die Berufungswerberin aufzeigen, welche neuen oder abweichenden Feststellungen das Erstgericht ohne Verfahrensmangel getroffen hätte (7 Ob 213/18a [Pkt. 2.]; 1 Ob 61/18d [Pkt. 4.] ua; vgl RS0043039 [T4, T5]).
Die Berufungswerberin unterlässt es hier anzugeben, welche für sie günstigen Verfahrensergebnisse durch die Einvernahme des GdB zu erwarten gewesen wären. Das Vorbringen, die Vernehmung des GdB hätte bewiesen, dass die Leistungen der Klägerin nicht ordnungsgemäß erbracht und nicht vereinbarungsgemäß abgerechnet worden seine, geht über eine bloße Rechtsfolgenbehauptung nicht hinaus. Die Verfahrensrüge ist damit schon aus diesem Grund nicht gesetzgemäß ausgeführt.
4.1 Der GdB wurde – wie angeführt - zur Parteienvernehmung für die Tagsatzung am 16.12.2024 geladen. Die Ladung, in der über die Folgen des Nichterscheinens zur Parteienvernehmung belehrt wurde, erfolgte ordnungsgemäß mittels Zustellung an seinen Vertreter (vgl
4.2 Die Nichteinvernahme einer Partei kann dann, wenn das Erstgericht zu Unrecht von der Vernehmung Abstand genommen hat, einen Verfahrensmangel begründen ( Spenling aaO § 381 ZPO Rz 14; RS0040709). Von der Einvernahme einer ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Partei kann Abstand genommen werden, wenn diese nicht ausreichend entschuldigt ist. Ihr Nichterscheinen ist sodann im Sinne des § 381 ZPO zu würdigen ( Spenling aaO § 376 ZPO Rz 2, § 380 ZPO Rz 9 je mwN). Ob das Gericht wegen des Ausbleibens der Partei berechtigt war, von der Vernehmung der Partei Abstand zu nehmen und ihr Verhalten gemäß § 381 ZPO zu würdigen, ist eine Verfahrensfrage. Die unrichtige Anwendung des § 381 ZPO verwirklicht daher einen Verfahrensmangel. Wie das Gericht das Verhalten der Partei würdigt, die ohne genügenden Grund nicht erschienen ist bzw die Aussage verweigert hat, ist hingegen eine Frage der Beweiswürdigung ( Spenling aaO § 381 ZPO Rz 14; RS0040679). Das Nichterscheinen der Partei kann nur dann gewürdigt werden, wenn es „ohne genügende Gründe“ erfolgt. Aus der Formulierung des § 381 ZPO („ohne genügende Gründe“) ergibt sich, dass das Gesetz an die Obliegenheit der Partei zum Erscheinen vor Gericht zur Ablegung der Aussage strenge Anforderungen stellt. Es ist daher nicht bloß darauf abzustellen, ob unter Hinweis auf Hinderungsgründe eine entsprechende Entschuldigung erfolgt, sondern zu prüfen, ob die vorgetragenen Gründe unter Berücksichtigung der der Partei obliegenden Verpflichtung, alles vorzukehren, um einen klaglosen und verzögerungsfreien Ablauf des Verfahrens sicherzustellen, das Nichterscheinen rechtfertigen ( Spenling aaO § 381 ZPO Rz 8). Die Gründe für das Nichterscheinen der Partei sind schlüssig zu behaupten und über Verlangen des Gerichtes zu bescheinigen. Das Gericht kann die Angaben der Partei durch geeignete Erhebungen überprüfen. Die Entschuldigung kann formlos erfolgen. Daher muss das Gericht auch einen von einem Dritten vorgebrachten Entschuldigungsgrund auf seine Stichhältigkeit überprüfen ( Spenling aaO § 381 ZPO Rz 10 mwN).
Vom Beklagtenvertreter wurden im erstgerichtlichen Verfahren auch bei weitherziger Beurteilung keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht, warum der Geschäftsführer nicht zur Parteienvernehmung erschienen, insbesondere ob und wodurch er daran gehindert war. Auch in der Berufung wird dazu nichts ausgeführt. Unter Beachtung vorgenannter Grundsätze und mangels schlüssiger Behauptung von Gründen im erstgerichtlichen Verfahren, die das Nichterscheinen des GdB zu seiner Parteienvernehmung rechtfertigen könnten, unterblieb die Vernehmung des Erstklägers zu Recht.
5. Ein Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Der Berufung war nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO liegen nicht vor.
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