Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, die Richter Dr. Schober und Mag. Marchel sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Natascha Baumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Schnaitt (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. A*, **, 2. B*, _**, und 3. C*, **, sämtliche vertreten durch Dr. Harald Kirchlechner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. D* GmbH, **, und 2. Verlassenschaft nach E*, dieser zuletzt wohnhaft gewesen **, beide vertreten durch Dr. Ulrich Schwab Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, wegen 1. EUR 85.392,96 und Feststellung (Streitwert nach RATG: EUR 15.000), 2. EUR 89.363,94 und Feststellung (Streitwert nach RATG: 15.000) und 3. EUR 910 und Feststellungen (Streitwert nach RATG: EUR 1.000), über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 4.10.2024, ** 32, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 5.160,84 (darin EUR 860,14 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar die erstklagende Partei zu 49% (EUR 2.528,81), die zweitklagende Partei zu 50% (EUR 2.580,42) und die drittklagende Partei zu 1% (EUR 51.61).
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 3.6.2020 erlitt der bei der Erstklägerin unfallversicherte, bei der Zweitklägerin krankenversicherte und der Drittklägerin pensionsversicherte F*, geboren am **, einen Arbeitsunfall. Er ist Absolvent der G*, war ab 17.2.2020 bei der Erstbeklagten, die Erdungs und Blitzschutzanlagen errichtet, angestellt und in deren Filiale in H* als technischer Zeichner beschäftigt. In seinem Dienstvertrag findet sich unter anderem der Passus:
„Die Tätigkeit des Dienstnehmers umfasst im Allgemeinen den Aufgabenbereich eines technischen Angestellten. Die vereinbarte Tätigkeit umfasst aber auch alle mit ihr gewöhnlich und unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des Betriebes sowie des organisatorischen und technischen Umfeldes verbundenen Aufgaben nach Maßgabe der jeweiligen Vorgaben des Arbeitgebers. Dem Arbeitgeber bleibt die vorübergehende Heranziehung zu anderen, auch geringwertigeren Aufgaben, ausdrücklich vorbehalten.“
Für die Organisation von Sicherheitsunterweisungen in der H* Zweigniederlassung war der Filialleiter E* verantwortlich. Dieser war ursprünglich die zweitbeklagte Partei und verstarb am **.
Bei der Erstbeklagten fanden grundsätzlich einmal im Jahr, nämlich Anfang März, Sicherheitsunterweisungen statt. Zusätzlich gab es diese bei Übernahme spezieller Baustellen und bei vorangegangenen (Beinahe )Unfällen. Dabei wurde auf die Gefahren auf Baustellen, bei Arbeiten mit Leitungen und Arbeiten auf Dächern, auf die Sicherungspflicht sowie darauf hingewiesen, dass die persönliche Schutzausrüstung zu verwenden ist. Die Unterlagen dafür wurden in der Unternehmenszentrale in I* erstellt und an die H* Filiale zur Verwendung weitergeleitet. An der regelmäßigen Sicherheitsunterweisung nahmen alle Mitarbeiter teil, die auf Baustellen tätig waren, dh sowohl Monteure als auch Techniker. F* nahm an der regulären Sicherheitsunterweisung nicht teil, weil diese pandemiebedingt nicht im März 2020, sondern erst am 5.6.2020 in der H* Filiale stattfand. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten hatte die Anweisung erteilt, dass den Arbeitnehmern vor jeder Auftragserteilung bekannt gegeben werden muss, worauf bei neu übernommenen Baustellen zu achten ist. Weiters sollte ein unerfahrener Monteur oder Techniker niemals allein, sondern nur gemeinsam mit einem erfahrenen Mitarbeiter auf Baustellen tätig werden.
F* war mit dem Montageleiter der H* Filiale, J*, vor dem 3.6.2020 fünf bis zehn Mal auf verschiedenen Baustellen. Dabei durfte er Dächer ohne Sicherheitseinrichtungen nach ausdrücklicher Anweisung von J* gar nicht betreten und musste im Dachstuhl bleiben. Einmal war ein Flachdach zu besichtigen, auf welches er sich auch nicht begeben durfte; nach Anweisung von J* musste er hinter der Absperrung bleiben. Er war im Übrigen schon früher als technischer Zeichner auf Baustellen in Rohdachstühlen gewesen.
Im Rahmen eines Subauftrags hatte die Erstbeklagte die Elektro und Blitzschutzanlagen am Betriebsstandort der Firma K* in L* zu überprüfen. Etwa zwei Wochen vor dem 3.6.2020 fand zum Zweck der Bestandaufnahme für diesen Auftrag ein Besichtigungstermin vor Ort statt. Filialleiter E* nahm ua F* mit, weil er diesem als Neuling zeigen wollte, worauf bei einer derartigen Überprüfung zu achten ist. F* fertigte technische Zeichnungen in der Halle auf dem Werksgelände an, während E* mit dem Geschäftsführer von K* auf das Dach dieser Halle ging. Der Zugang zu diesem etwa 500 m² großen Flachdach erfolgt durch eine Tür in einer seitlich auf dem Dach befindlichen großen Wellblechhütte. An diese Tür schließt eine trittsichere, etwa drei Meter breite rechteckige Plattform an, an deren Ende zwei ca 10 Meter hohe siloähnliche Gebilde stehen. An die Plattform wiederum schließt sich die restliche Dachfläche an, die großteils in Welleternit ausgeführt ist. In regelmäßigen Abständen ist jeweils eine Welleternitplatte durch eine Polyesterwelldachplatte („Lichtplatte“) ersetzt, um die darunter liegende Halle mit Tageslicht zu versorgen. Verwitterungs und verschmutzungsbedingt sind die Welleternitplatten von den Lichtplatten nur schwer zu unterscheiden. Bei der Besichtigung sah sich E* die Gegebenheiten am Flachdach nicht im Detail an und prüfte auch noch nicht den Zustand der Anlage.
Am 3.6.2020 wies E* M*, einen bei der Erstbeklagten seit Jahren beschäftigten Monteur, an, sich gemeinsam mit F* zur Firma K* zu begeben und die vorhandene Blitzschutzanlage in den Plan einzuzeichnen. M* und F* fragten ihn anhand des vorhandenen unvollständigen Plans, was sie sich genauer ansehen sollten. E* sagte zu F*, er solle „rauf“ und die Blitzschutzanlage einzeichnen. Er meinte damit, dass er auf die Plattform des Dachs hinaufgehen soll. Weitere Anweisungen erteilte er nicht. Er ging davon aus, dass ein Verbleib auf der Plattform zur Anfertigung der erforderlichen technischen Zeichnungen ausgereicht hätte. F* und M* fuhren sodann zum Werksgelände und begaben sich zusammen mit dem Haustechniker von K*, N*, auf das Flachdach der Halle. Weder M* noch F* trugen eine persönliche Schutzausrüstung. Im Dienstwagen, mit dem sie zum Kunden gefahren waren, befanden sich aber je zwei Brustgeschirre und entsprechende Sicherungsseile. Im Rahmen der Begehung des Dachs zum Zwecke der Einzeichnung der Blitzschutzanlage in einen Plan brach F* durch eine nicht durchbruchsichere Lichtplatte, stürzte dabei mindestens sechs Meter in das Innere der Halle zu Boden und verletzte sich schwer. Schutzmaßnahmen gegen einen Absturz durch das Dach infolge Dachbruchs waren keine getroffen worden, insbesondere gab es keine Unterdachkonstruktionen, Fanggerüste oder Auffangnetze. Eine Sicherung durch persönliche Schutzausrüstung (Brustgeschirr und Sicherheitsseile) hätte sich äußerst schwierig gestaltet, weil die vorhandene Altanlage nicht mit entsprechenden Anschlagspunkten zur Befestigung der Seile ausgestattet war; (umständlich) möglich wäre eine solche Sicherung gewesen, zB unter Nutzung der siloartigen Gebilde als Anschlagspunkte. Um die Blitzschutzanlage vollständig in einen Plan einzeichnen zu können, musste man das Dach der Halle betreten; ein Verbleib auf der Plattform hätte nicht gereicht.
E* wurde wegen des Vorfalls vom 3.6.2020 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB iVm § 2 StGB schuldig gesprochen und zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt.
Infolge der Verletzungen des F* erbrachten ihm die Klägerinnen Sach und Geldleistungen in Höhe der erhobenen Leistungsbegehren. Die Erstklägerin gewährte ihm eine Versehrtenrente.
Mit ihrer Klage begehren die Klägerinnen den Rückersatz der dem F* für die Folgen aus seinem Arbeitsunfall vom 3.6.2020 erbrachten Sach und Geldleistungen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für künftige Aufwendungen, die die Klägerinnen F* aufgrund der aus dem Arbeitsunfall resultierenden Dauer- und Spätfolgen zu erbringen haben werden.
Die Erstbeklagte als Dienstgeberin und E* als ein der Dienstgeberin gleichgestellter Vertreter des Unternehmens hätten grob fahrlässig Arbeitnehmerschutzbestimmungen außer Acht gelassen, weder eine arbeitsplatzspezifische Gefahrenevaluierung durchgeführt noch Absturzsicherungen eingerichtet, bevor F* die Anweisung gegeben worden sei, am Dach eines Kunden die bestehende Blitzschutzeinrichtung in einen Plan einzuzeichnen. F* sei zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls erst dreieinhalb Monate im Betrieb der Erstbeklagten beschäftigt gewesen, davon ein Monat in pandemiebedingter Kurzarbeit. Eine Anweisung der Erstbeklagten oder des Machthabers E* an ihn, das Dach im Rahmen der Überprüfung der Blitzschutzanlage nicht zu besteigen, sei nicht erfolgt. Die Erstbeklagte und E* als Filialleiter hätten dabei grob fahrlässig Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) missachtet. Es wäre ihnen oblegen, ein innerbetriebliches Kontroll und Überwachungssystem einzurichten, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf all ihren Arbeitsstätten und Baustellen zu gewährleisten. Dennoch seien keine Sicherheitsunterweisungen durchgeführt worden, um – den in Dacharbeiten unerfahrenen – F* in die Lage zu versetzen, Gefahren bei der Arbeit zu erkennen und sich dementsprechend abzusichern. Sich betreffend die Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Verpflichtungen, insbesondere von Sicherheitsmaßnahmen, auf den Monteur zu verlassen, der am 3.6.2020 zum Betriebsstandort des Kunden mitgeschickt wurde, reiche nicht aus. Dass E* dort im Rahmen einer Bestandsaufnahme zwei Wochen vor dem Arbeitsunfall die umstehenden Personen, darunter auch F*, angewiesen hätte, nicht auf das Dach zu gehen, begründe ebenso wenig eine geeignete Sicherheitsunterweisung. Die Erstbeklagte hafte im Übrigen nicht nur für das grob fahrlässige Verhalten ihrer Organwalter, sondern auch für jenes des E* im Rahmen der Repräsentantenhaftung.
Die Beklagten lehnten ihre Haftung ab, weil weder die Erstbeklagte noch E* grob fahrlässig gehandelt hätten. Im Betrieb der Erstbeklagten und so auch in deren Filialen finde jährlich eine allgemeine Sicherheitsunterweisung statt, die pandemiebedingt im Jahr 2020 nicht im März, sondern erst im Juni abgehalten worden sei. Die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften durch den Geschäftsführer der Erstbeklagten bzw durch den Filialleiter E* vor Ort könnte außerdem nur dann sichergestellt werden, wenn diese bei allen Aufträgen persönlich anwesend wären, was aber weder nach der Betriebsstruktur noch wirtschaftlich möglich wäre. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten habe sich außerdem darauf verlassen können, dass die Verantwortlichen im Betrieb der Zweigniederlassung H* die erforderlichen Handlungsvorgaben an F* machten. Dieser sei im Rahmen des Auftrags für die Firma K* – ua von E* – angewiesen worden, sich nicht aufs Dach zu begeben. Er sei zur tatsächlichen Überprüfung der Blitzschutzanlage ohnedies mit einem erfahrenen Kollegen zum Kunden geschickt worden, habe sich aber in den unsicheren Bereich des Dachs begeben, obwohl weder sein Kollege noch der ebenfalls anwesende Haustechniker des Kunden ihn dazu aufgefordert hätten. Einen vorangegangenen Warnhinweis des Haustechnikers die unsicheren Dachteile betreffend habe er ebenfalls missachtet. Dass er die sichere Plattform am Dach verlassen würde, sei jedenfalls weder für die Erstbeklagte noch E* vorhersehbar gewesen. Jedem einsichtsfähigen Erwachsenen habe bewusst sein müssen, dass das Dach ohne entsprechende Absturzsicherungen nicht betreten werden könne.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es die auf Seiten 4 bis 9 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Auf die bekämpften Feststellungen wird gesondert im Rahmen der Behandlung der Beweisrüge eingegangen.
Rechtlich verneinte das Erstgericht ein grob fahrlässiges Verhalten der Erstbeklagten und des E*, das einen Regressanspruch der Klägerinnen gemäß § 334 Abs 1 ASVG begründet hätte. Dass F* entgegen § 14 ASchG nicht in den für die Arbeiten bei der Erstbeklagten notwendigen Sicherheitsvorkehrungen unterwiesen worden sei, stelle einen Sorgfaltsverstoß dar, der auch nicht durch die Corona Pandemie entschuldigt werden könne. Die konkreten baulichen Begebenheiten am Werksgelände des Kunden Neigung des Dachs der Halle unter 20º, Absturzhöhe von mehr als fünf Metern – hätten Schutzmaßnahmen gegen einen Absturz erfordert. Andererseits habe die Erstbeklagte grundsätzlich Vorsorge für regelmäßige und zusätzliche anlassbezogene Sicherheitsunterweisungen getroffen. Die Verantwortlichen der H* Zweigniederlassung seien angewiesen gewesen, die Sicherheitsunterweisungen in ihrer Filiale durchzuführen. Ein Organisations- oder Kontrollverschulden sei der Erstbeklagten bzw deren Geschäftsführer nicht anzulasten. E* habe im Rahmen der Besichtigung der Werkshalle des Kunden F* vor dem Besteigen des Dachs gewarnt. Er sei bei der Auftragserteilung an F* davon ausgegangen, dass die gesamte Blitzschutzanlage von der Plattform des Dachs aus eingezeichnet werden könne. F* sei außerdem zuvor mit dem Montageleiter der H* Filiale und im Zuge seiner Ausbildung schon mehrmals auf Baustellen in Dachstühlen tätig gewesen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sei der vorliegende objektive Sorgfaltsverstoß E* subjektiv nicht schwerstens vorzuwerfen. Ein grob fahrlässiges Verhalten sei damit nicht gegeben und im Rahmen einer allfälligen Repräsentantenhaftung auch nicht der Erstbeklagten zuzurechnen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Beweisrüge:
1.1. Die Klägerinnen bekämpfen zunächst die nachstehende Feststellung (US 7):
E* sagte an diesem Termin [Anm: ca zwei Wochen vor dem 3.6.2020] zu allen Anwesenden, auch F*, sie dürften nicht auf das Dach „raufkreuln“.
Stattdessen begehren sie als Ersatzfeststellung:
Bei der Bestandsaufnahme, die ca zwei Wochen vor dem Arbeitsunfall vor Ort bei der Firma K* stattgefunden hat, sagte E* an diesem Termin gegenüber F* nicht, dass er nicht auf das Dach „raufkreuln“ sollte, bzw hat F* diese Äußerung nicht wahrgenommen. Sollte E* diese Äußerung an diesem Tag getätigt haben, so haben sie nur andere Leute, wie der Zeuge O* wahrgenommen, jedoch nicht F*.“
Aufgrund seines Ablebens am ** habe das Erstgericht E* nicht mehr persönlich einvernehmen können. Seine Angaben im Strafverfahren im Zusammenhang mit der bekämpften Feststellung seien widersprüchlich gewesen. Selbst wenn er die Aussage, dass niemand auf das Dach „raufkreuln“ dürfe, getätigt habe, habe sie sich nur auf den Tag der Bestandsaufnahme und nicht jenen der tatsächlichen Überprüfung der Blitzschutzanlage etwa zwei Wochen später bezogen. F*, der keine Haftung zu befürchten habe, habe diese Warnung des E* jedenfalls nicht wahrgenommen. Auf der Rückfahrt vom Besichtigungstermin habe E* ihm im Übrigen schon gesagt, sie müssten ohnedies noch einmal dort hinfahren, aufs Dach gehen und dann alles überprüfen. Dass sich die Untersagung des E*, aufs Dach zu steigen, auch auf diesen Überprüfungstermin bezöge, würde außerdem im Widerspruch zu dessen – festgestellter – Anweisung stehen, dass F* am 3.6.2020 „rauf“ müsse, um die Blitzschutzanlage einzuzeichnen.
Vorauszuschicken ist zunächst, dass der bekämpften Feststellung die Bedeutung innewohnt, E* habe vor der Besteigung des Flachdachs der Werkshalle an sich – und nicht der trittsicheren Plattform – gewarnt. Schließlich steht unbekämpft fest (US 8 oben), dass er mit seiner Aufforderung, F* solle am 3.6.2020 „rauf“ und die Blitzschutzanlage einzeichnen, nur die Plattform gemeint hat und davon ausgegangen war, man könne von dort alle Teile der Blitzschutzanlage ersehen und in den Plan einzeichnen. Da er sich – aus seiner Sicht - mit seiner Anweisung vom 3.6.2020, „rauf“ zu gehen, daher nur auf die Plattform bezogen hat, ist diese Feststellung mit der bekämpften Feststellung, die die generelle, „terminunabhängige“ Untersagung der Besteigung des Dachs an sich zum Gegenstand hat, in Einklang zu bringen und steht zu ihr nicht im Widerspruch.
Dessen ungeachtet bestätigte nicht nur der beim Termin zur Besichtigung der Werkshalle anwesende Zeuge O* (ON 16.2 S 14), dass E* es nicht erlaubte, aufs Dach hinaufzusteigen. Auch der Zeuge J* berichtete in seiner Einvernahme davon, dass F* beim Besichtigungstermin von E* vernommen habe, er (F*) dürfe nicht „rauf“ (ON 16.2 S 8). Generell führte dieser Zeuge aus, dass F* ganz genau gewusst habe, „nicht aufs Dach zu dürfen“ (ON 16.2 S 7). Damit kann der Warnhinweis des E*, den er beim Besichtigungstermin etwa zwei Wochen vor dem Unfall auch gegenüber F* abgegeben hat, nicht nur auf dessen
1.2. Statt der Feststellung (US 8):
Als F*, M* und N* oben auf der Plattform standen, sagte M* zu F*, auf die Lichtplatten dürfe er nicht steigen, weil die aus Plastik seien.
begehren die Klägerinnen nachstehende Ersatzfeststellung:
M* hat zu F* nie gesagt, dass er auf die Lichtplatten nicht steigen dürfe, weil diese aus Plastik seien, er hat F* lediglich allgemein gesagt, dass er am Dach aufpassen müsse.
F* wäre seinen eigenen glaubwürdigen Angaben zufolge nicht auf die Dachplatten gestiegen, wenn M* ihn vor dem Betreten der Lichtplatten gewarnt hätte. Im Übrigen hätten die beiden keine andere Wahl gehabt, als auf das Dach selbst zu steigen, weil sie nur dann die Blitzschutzeinrichtung zur Gänze in den Plan hätten einzeichnen können. M* habe daher nur allgemein darauf hingewiesen, F* solle beim Betreten des Dachs aufpassen.
Es ist zutreffend, dass der Zeuge M* in seiner Aussage ebenso wie F* davon ausgegangen war, zur Einzeichnung der Blitzschutzanlage müsse das Dach an sich (im Sinne der Dachplatten) bestiegen werden; niemand habe gesagt, sie sollen sich „vom Dach fernhalten und nur auf der Plattform bleiben“ (ON 16.2 S 10). Umso mehr ist aber davon auszugehen, dass M* F* gerade deshalb ausdrücklich darauf hinwies, nicht auf die Lichtplatten zu steigen (ON 16.2 S 11: „ich soll tot umfallen, wenn es nicht stimmt: Ich habe ihm gesagt, auf diese Platten darf man nicht draufsteigen, weil das dünnes Plastik ist“ ). Im Einklang damit sagte er im Strafverfahren aus, F* „soll aufpassen“, weil man „bei diesen lichtdurchlässigen Platten leicht durchbricht“ (** des BG St. Pölten, ON 13 S 6).
Vor dem Hintergrund dieser schlüssigen Angaben vermag die Berufung zur hier bekämpften Feststellung keine unrichtige bzw bedenkliche Beweiswürdigung des Erstgerichts aufzuzeigen (vgl RES0000012).
1.3. Zuletzt bekämpfen die Klägerinnen nachstehende Feststellungen (US 8):
F* zeichnete von der Plattform aus sämtliche Anlageteile, die von dort aus für ihn sichtbar waren, in den Plan ein, und dann musste er die Plattform verlassen, um auch die in relativer Nähe zur Dachkante gelegenen Klemmen und Verbindungen zeichnerisch zu erfassen.
Nachdem er dies getan hatte, bereits am Rückweg Richtung Plattform, trat F* auf eine Lichtplatte, brach wegen deren nicht ausreichender Belastbarkeit durch, stürzte in die Tiefe auf den Hallenboden der Halle I und verletzte sich schwer.
Stattdessen streben sie als Ersatzfeststellungen an:
F* zeichnete von der Plattform aus zunächst sämtliche Anlageteile, die von dort aus für ihn sichtbar waren, in den Plan ein und beabsichtigte dann, sich auf das Dach zu begeben, um jene Anlageteile, die für ihn von der Plattform aus nicht sichtbar waren, zeichnerisch zu erfassen. Als er die Plattform verließ, brach er kurz darauf, ohne noch weitere Einzeichnungen vornehmen zu können, durch eine Lichtplatte durch und verletzte sich schwer.
Sowohl der Zeuge N* als auch der Zeuge M* hätten ausgesagt, dass F* kurz nach Verlassen der Plattform, mehr oder weniger sofort, auf einer Lichtplatte eingebrochen und abgestürzt sei. Aus keiner der Aussagen ergebe sich, dass er zunächst auf den Dachplatten herumgegangen sei, um Anlageteile zeichnerisch zu erfassen, und erst am Rückweg wieder in Richtung Plattform eingebrochen sei.
Unstrittig ist, dass aus technischer Sicht nicht alle Teile der Blitzschutzanlage von der Plattform aus zeichnerisch erfasst werden konnten. F* führte dazu aus, dass er deshalb auf die Dachplatten treten musste. Wie lange er sich dann bis zu seinem Absturz dort befand, konnte er mangels Erinnerung zwar nicht mehr ausführen. Aus anderen Aussagen erhellt aber, dass er nicht schon unmittelbar nach Betreten des eigentlichen Dachbereichs abstürzte. So führte der Zeuge N* aus (ON 14.2 S 9), dass vom Betreten des Dachs bis zum Unfallzeitpunkt „15 Minuten, vielleicht 20“ vergingen. M* berichtete sowohl im vorliegenden als auch im Strafverfahren davon, dass er und F* sich am Dach zunächst voneinander wegbewegt haben (vgl 16.2 S 10: „Herr F* ist gewissermaßen perspektivisch 90º dort hingegangen“ ; ** des BG St. Pölten, ON 13 S 6: „Herr F* mit dem Plan in die eine Richtung und ich in die andere Richtung“ ). Der Zeuge N* bestätigte die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen der beiden (Strafakt ON 13 S 8 f). Vor dem Hintergrund dieser Aussagen, die das Vergehen eines längeren Zeitraums nach dem „Sich-Voneinander-Wegbewegen“ der Zeugen M* und F* zulassen, ist nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht annahm, F* habe zunächst im eigentlichen Dachbereich Anlageteile zeichnerisch erfasst und sei daher nicht sofort nach Betreten der Dachplatten, sondern erst am Rückweg in Richtung Plattform abgestürzt.
1.4. Das Berufungsgericht übernimmt somit die Feststellungen des Erstgerichts (§ 498 ZPO) und legt sie der weiteren rechtlichen Beurteilung zugrunde.
2. Rechtsrüge:
2.1. Der Berufung zufolge sei von einem grob fahrlässigen Verhalten des E* auszugehen. Seine Warnung beim Besichtigungstermin, es dürfe keiner aufs Dach, sei wenn sie sich überhaupt auf den Tag der tatsächlichen Überprüfung der Blitzschutzanlage bezogen habe keine ausreichende Sicherheitsunterweisung. Derartige Unterweisungen und Schulungen habe F* während seiner kurzen Beschäftigungsdauer nicht erhalten. Es könne E* auch nicht entlasten, dass er F* mit M* einen erfahrenen Monteur beiseite gestellt habe. E* sei vom Geschäftsführer der Erstbeklagten angewiesen gewesen, zusätzlich zur allgemeinen Sicherheitsunterweisung die Arbeitnehmer vor jeder Auftragserteilung baustellenspezifisch in puncto Sicherheit zu schulen, was missachtet worden sei. F* sei auch nicht im Gebrauch der persönlichen Schutzausrüstungen unterwiesen worden und habe nicht einmal Kenntnis von deren Existenz im Firmenwagen gehabt. E* habe gewusst, dass F* keine Erfahrungen mit Arbeiten auf (Wellblech-)Dächern und den dafür notwendigen Sicherungsmaßnahmen gehabt habe. Für Absturzsicherungen und persönliche Schutzausrüstungen am Dach des Kunden sei nicht Sorge getragen worden. All diese Umstände begründeten eine grob fahrlässige Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Die Erstbeklagte hafte dabei aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens ihres Repräsentanten E*.
2.2. Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellter den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht, so hat er den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen (§ 334 Abs 1 ASVG).
Grobe Fahrlässigkeit iSd § 334 Abs 1 ASVG ist dem Begriff der auffallenden Sorglosigkeit iSd § 1324 ABGB gleichzusetzen (RS0030510). Grobe Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (RS0030644). Nicht jede Übertretung von Unfallverhütungsvorschriften bedeutet für sich allein aber bereits das Vorliegen grober Fahrlässigkeit (RS0052197; RS0026555). Andererseits kann aber auch schon ein einmaliger Verstoß gegen Schutzvorschriften grobe Fahrlässigkeit bewirken, wenn ein Schadenseintritt nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls als wahrscheinlich voraussehbar ist (RS0030622). Bei der Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist nicht der Zahl der übertretenen Vorschriften, sondern der Schwere des Sorgfaltsverstoßes und der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts besondere Bedeutung beizumessen (RS0085332; RS0031127 [T22]). Bei der Einschätzung der Schwere des Sorgfaltsverstoßes kommt es insbesondere auch auf die Gefährlichkeit der Situation an (RS0022698). Bei der Bestimmung des jeweils nach Auffassung des Verkehrs als erforderlich zu erachtenden Maßes der Sorgfalt ist also die konkrete Situation zu berücksichtigen, sodass erhöhte Gefahr auch erhöhte Aufmerksameit erfordert (RS0022698 [T1]). § 334 Abs 3 ASVG schließt nicht aus, dass bei der Beurteilung der Frage, ob der auf Ersatz in Anspruch Genommene grob fahrlässig gehandelt hatte, das Verhalten des Versicherten mitberücksichtigt wird (RS0085538).
2.3.1. Soweit die Erstbeklagte von den Klägerinnen in Anspruch genommen wird, ist – entsprechend den Ausführungen des Erstgerichts – zu prüfen, ob diese als Arbeitgeberin in ihrem Verantwortungsbereich liegende Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit ihrer Arbeitnehmer vernachlässigt hat. Für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften ist primär der Arbeitgeber verantwortlich. Die öffentlich rechtlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften, die als öffentlich rechtliche Arbeitsrechtsnormen dem Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung dienen, und sich grundsätzlich an den Arbeitgeber richten, geben die Rahmenbedingungen und die Mindestanforderungen für die Schutzmaßnahmen vor. Jeder Arbeitsunfall, der sich im Betrieb des Arbeitgebers ereignet, und jede Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften sind, unfallversicherungsrechtlich betrachtet, im weitesten Sinn der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Es liegt daher im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers, seinen Betrieb so zu organisieren, dass es zu keinen Gefahren für die in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliederten Arbeitnehmer kommt. Letztlich verfügt nämlich nur der Arbeitgeber über jene innerbetrieblichen Befugnisse, um die Maßnahmen, die aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes erforderlich sind, durch Anordnung umzusetzen. Dieser grundsätzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Betrieb zu sorgen, wird der Arbeitgeber aber nicht schon etwa durch das Zur-Verfügung-Stellen von entsprechenden Sicherheitsausrüstungen oder der bloßen Erteilung der notwendigen Anweisungen, sondern erst dann gerecht, wenn er (auch) ein wirksames innerbetriebliches Kontrollsystem zur Überprüfung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften einrichtet und tatsächliche entsprechende Kontrollhandlungen folgen (vgl 9 ObA 102/22y).
2.3.2. Davon ausgehend hat die Erstbeklagte keine grobe Vernachlässigung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entgegen § 14 ASchG zu verantworten. Die betriebliche Organisation sah vor, dass in den Filialen, so auch in der H* Zweigniederlassung, regelmäßig Sicherheitsunterweisungen stattfanden. Dies war auch für 2020 pandemiebedingt statt im März im Juni dieses Jahres vorgesehen. Federführend verantwortlich für die Sicherheitsunterweisung der Arbeitnehmer der H* Filiale war E*; für die faktische Durchführung war dort ein weiterer Mitarbeiter zuständig. Die Erstbeklagte stellte dafür Unterlagen zur Verfügung. Die Teilnahme aller Mitarbeiter, die auf Baustellen tätig waren, war Pflicht. Anlassbezogen fanden weitere Sicherheitsunterweisungen statt. In der Sphäre der Verantwortlichen der H* Filiale gelegene Umstände (etwa im Sinne habitueller Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften), die der Erstbeklagten im Bereich der Sicherheitsvorkehrungen Anlass zur Sorge hätte geben sollen, sind aus dem Sachverhalt nicht abzuleiten. Eine Haftung der Erstbeklagten kraft eigenen Verschuldens (ihrer Organwalter) ist daher zu verneinen.
2.4. Den Klägerinnen ist darin beizupflichten, dass der damalige Filialleiter der H* Zweigniederlassung missverständliche Aussagen dahin traf, ob F* als erst seit kurzem beschäftigter Arbeitnehmer der Erstbeklagten den eigentlichen Dachbereich der Werkshalle des Auftraggebers betreten dürfe oder nicht. Beim Besichtigungstermin stellte er zwar klar, dass keiner außer ihm aufs Dach dürfe. Als er einige Zeit später F* und M* den Auftrag erteilte, eine Sichtprüfung vor Ort vorzunehmen, um die Blitzschutzanlage in einen Plan einzuzeichnen, unterließ er es jedoch, insbesondere F* genauer darauf hinzuweisen, was er mit seiner Anweisung, er müsse „rauf“, meinte. Selbst ging er dem Sachverhalt zufolge davon aus, dass es genüge, von der trittsicheren Plattform aus die Anlageteile einzuzeichnen, und dass das Dach selbst zu diesem Zweck nicht zu betreten sei. Es war ihm daher bewusst, dass F* noch keine konkreten Sicherheitsunterweisungen erhalten hatte und eine Begehung des eigentlichen Dachbereichs für diesen nicht in Frage kam. Es ist E* nun vorzuwerfen, dass er dementsprechend im Vorfeld keine klare Anweisung gab, F* im Hinblick auf den Sichtprüfungsauftrag am Dach auch keine spezielle Unterweisung zukommen ließ und sich auf den Monteur M* verließ, der zwar erfahren, jedoch für die konkrete Sicherheitsunterweisung eines technischen Zeichners im betrieblichen System der Erstbeklagten nicht verantwortlich war. Andererseits kann aus dem Verhalten des E* auch nicht abgeleitet werden, er habe ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt (vgl RS0030644 [T26]). Subjektiv ging er davon aus, F* ausreichend auf die mit der Begehung des Dachs der Werkshalle verbundenen Gefahren hingewiesen zu haben. Für ihn bestand der Auftrag in der Einzeichnung der Blitzschutzanlage von einer Plattform aus und nicht in – gefahrengeneigteren – Arbeiten direkt am Dach. Er wusste, dass F* bereits mit dem Montageleiter zu Baustellen in Dachstühlen mitgeschickt, somit im Rahmen bisheriger Aufträge auf die Gefährlichkeit von Dachbegehungen aufmerksam gemacht worden war. F* brachte eine gewisse „Baustellenerfahrung“ aufgrund seiner Ausbildung mit.
Bei Bedachtnahme auf all diese Umstände ist die unstrittig vorliegende Verletzung von Pflichten zur Unfallsverhütung dem damaligen Leiter der H* Filiale der Erstbeklagten daher subjektiv nicht schwerstens vorwerfbar (vgl RS0030644 [T31]; RS0031127).
2.5.1. Diese Beurteilung widerspricht auch nicht der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Arbeitsunfällen aufgrund von Abstürzen von Dächern. Zu 8 Ob 161/82 lag die grobe Fahrlässigkeit des Aufsichtspflichtigen darin, dass auf einem Dach nicht weniger als 300 Öffnungen vorhanden waren und die Arbeiter bei ihren Kabelarbeiten rückwärts schritten, ohne auf solche Öffnungen zu achten; diese Tatsache war dem verantwortlichen Baustellenleiter aus früheren Wahrnehmungen auf der Baustelle bekannt. Zu 2 Ob 37/86 verneinte der OGH ein grob fahrlässiges Handeln des beklagten Inhabers eines Glasbaubetriebs, der für Sicherheitsvorkehrungen ausreichend Ausrüstungsmaterial zur Verfügung gestellt und bei der Einstellung eines jeden Monteurs erklärt hatte, was im Bezug auf die Sicherung von Baustellen zu tun sei, jedoch am Unfallstag keine besonderen Anweisungen mehr über die Absicherung der Baustelle für vorzunehmende Verglasungsarbeiten auf einem Flachdach erteilt hatte. Zu 8 ObA 16/07x erblickte der OGH in der vom Berufungsgericht angenommenen groben Fahrlässigkeit keine grobe Fehlbeurteilung: Zu Arbeiten auf einem 10 m hohen Dach, in dem sich alle 5 m ungesicherte Öffnungen für noch einzusetzenden Lichtkuppeln befanden, wurde ua ein Leiharbeitnehmer herangezogen, der noch nie zuvor auf einem Dach gearbeitet hatte und überdies nicht in Sicherheitsvorkehrungen unterwiesen worden war. Zu 2 Ob 110/12h hielt der OGH die Verneinung grober Fahrlässigkeit durch die Vorinstanzen vertretbar, weil es dort eine anfängliche grundsätzliche Unterweisung über einzuhaltende Sicherheitsmaßnahmen gegeben hatte und auf der Baustelle genügend Schutzgitter und Sicherheitsgeschirr vorhanden war. Zu 2 Ob 61/15g stützte der OGH die Bejahung grober Fahrlässigkeit darauf, dass auf einer Baustelle zur Vornahme von Dachdeckerarbeiten nur ein unzureichendes Gerüst vorhanden und der Geschäftsführer des beklagten Arbeitgebers erst wenige Wochen vor dem Unfall wegen der Vernachlässigung von Arbeitnehmerschutzvorschriften mittels Straferkenntnisses bestraft worden war. Vor diesem Hintergrund wiege die Unterlassung der gebotenen Kontrolle, ob Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden, besonders schwer. Zu 8 ObA 34/22s verunfallte ein nicht ausgebildeter Arbeiter im Zuge von Abbrucharbeiten im Bereich eines Dachbodens. Es fehlten eine schriftliche Abbruchanweisung mit Gefahrenhinweisen und Sicherheitsmaßnahmen nach den maßgeblichen Bestimmungen der BauV; jegliche Sicherheitsvorkehrungen waren unterblieben. Dass diese Sorgfaltsverstöße grobe Fahrlässigkeit begründeten, hielt der OGH für vertretbar.
2.5.2. Von diesen Sachverhalten unterscheidet sich der vorliegende Fall vor allem in der Gefahrengeneigheit der in Auftrag gegebenen Arbeiten. Damit soll die Gefährlichkeit von Dachbegehungen – gegenüber Bau- bzw Montagearbeiten am Dach – nicht verharmlost werden; dies hier auch vor dem Hintergrund, dass Sicherheitsunterweisungen und -vorkehrungen entgegen den einschlägigen Bestimmungen (§ 14 ASchG; §§ 87 Abs 2 und 5, 90 Abs 5 BauV) tatsächlich nicht erfolgten. Jedoch zeigt der festgestellte Sachverhalt auch nicht auf, dass der damalige Betriebsleiter der H* Filiale die Gefahren, die mit einer Dachbegehung zum Zwecke der Einzeichnung einer Blitzschutzeinrichtung in einen Plan verbunden sein können, ignoriert hätte. Er selbst und die mit F* zusammenarbeitenden Mitarbeiter hatten diesen immer wieder auf die Gefährlichkeit von Dachbegehungen bzw -arbeiten hingewiesen; auch war F* nicht völlig unerfahren. Damit soll kein Mitverschulden des Verletzten aufgezeigt, sondern nur beurteilt werden, inwieweit dieser Umstand in Zusammenschau mit den anderen genannten Umständen den Arbeitsunfall vorhersehbar machte. Die Unterlassung von Sicherheitsunterweisungen und -vorkehrungen begründet hier zwar eine erhebliche Vernachlässigung von dem Arbeitgeber und seinen Machthabern obliegenden Sorgfaltspflichten. Hinweise auf eine ansonsten habituelle Vernachlässigung von Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer im Betrieb der Erstbeklagten ergaben sich aus dem Sachverhalt aber nicht; aufgrund der Art der im konkreten Fall vorzunehmenden Arbeit, der festgestellten allgemeinen Warnhinweise und der bisherigen Erfahrungen des verletzten Arbeitnehmers war der Arbeitsunfall zudem nur in geringem Maße vorhersehbar. Das Erstgericht hat folglich ein grob fahrlässiges Handeln der Erstbeklagten und des damaligen Leiters der H* Filiale zutreffend verneint.
Entgegen der Berufung kommt es dabei nicht darauf an, ob der Monteur M* genau über die Ausbildungen und Fähigkeiten des F*, insbesondere in puncto „Sicherheit“, Bescheid gewusst habe, weil ohnedies davon auszugehen ist, dass die „bloße“ Begleitung von F* durch einen Monteur kein ausreichender Ersatz für eine (konkrete) Sicherheitsunterweisung ist, und es beim festgestellten Sorgfaltsverstoß durch Unterlassen von Sicherheitsmaßnahmen bleibt. Der in diesem Zusammenhang gerügte sekundäre Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
Dass sich die Warnung des E* bei der Bestandsaufnahme zwei Wochen vor dem Unfall generell auf das Betreten des (eigentlichen) Dachs der Werkshalle bezog, lässt sich aus dem Sachverhalt ableiten. Insofern wurden zu diesem Beweisthema Feststellungen getroffen, die, wenn sie auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, entgegen der Berufung keinen sekundären Feststellungsmangel nach sich ziehen können (vgl RS0053317 [T1, T3]; RS0043480 [T15, T19]).
3. Damit war der Berufung der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 2 ASGG, 41, 50 ZPO. Die als formelle Streitgenossinnen auftretenden Klägerinnen haben den Beklagten nur entsprechend ihrer wertmäßigen Quote am Gesamtstreitwert die anteiligen Kosten zu ersetzen (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.347).
Wegen ihrer Einzelfallbezogenheit kann die Beurteilung des Verschuldensgrads regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (vgl RS0085463 [T6]; RS0026555; RS0085228). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
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