Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Robert Igali-Igallfy, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalterin Dr. B*, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs der Eigentümergemeinschaft C*, ** , p.A. D* GmbH Co KG, **, vertreten durch ATEUS Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 21.2.2025, **-68, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Ein Kostenersatz im Rekursverfahren findet nicht statt.
Begründung
Mit Beschluss vom 27.3.2024 eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der A* GmbH ( Schuldnerin ) und bestellte RA Dr. B** zur Masseverwalterin. Ein Gläubigerausschuss wurde ihr nicht beigeordnet.
Bei der Schuldnerin handelt es sich um eine im Jahr 2019 errichtete Projektgesellschaft, die zum Zweck der Abwicklung des Immobilienprojektes C* (Projektliegenschaft EZ **, KG **) gegründet wurde. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung waren bis auf die nach wie vor im Eigentum der Schuldnerin stehende Wohnung Nr. 11 (B-LNr 14) schon alle Wohnungen verkauft. Hinsichtlich dieses Liegenschaftsanteils war beim Bezirksgericht Hernals zu ** bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig. Betreibende Gläubigerin war die E* GmbH mit einer Forderung von EUR 23.846,40.
Am 29.5.2024 meldete die Eigentümergemeinschaft C*, ** ( Gläubigerin ) zu ON 16 rot eine Insolvenzforderung iHv EUR 9.404,93 an. Die Forderung setze sich wie folgt zusammen:
- Betriebskostenakontozahlungen der Monate September 2023 von EUR 322,87, Oktober bis Dezember 2023 von je EUR 405,07 sowie Jänner bis März 2024 von je EUR 437,28;
- Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2022 vom 5.9.2023 von EUR 182,23;
- Versicherungsprämienweiterverrechnung vom 14.12.2023 von EUR 1.019,--;
- Restforderung aus der Stromjahresabrechnung der F* GmbH von EUR 3.982,16, die der Schuldnerin am 31.10.2023 vorgeschrieben worden sei.
In Summe ergebe sich ein Kapitalbetrag in Höhe von EUR 8.033,31, hinzu kämen gesetzliche Verzugszinsen bis zur Insolvenzeröffnung von EUR 114,79. Die Gläubigerin habe aufgrund dieser Forderungen am 15.3.2024 zu G* des Bezirksgerichtes Hernals eine Mahnklage eingebracht und die Anmerkung der Klage gemäß § 27 Abs 2 WEG beantragt. Die Klagsanmerkung sei mit Beschluss vom 20.3.2024 bewilligt worden. Zuzüglich der Verfahrenskosten für die Mahnklage ergebe sich eine Gesamtforderung von EUR 9.404,93.
In der Anmeldung wies die Gläubigerin auf ihr Absonderungsrecht gemäß § 27 WEG hin.
Am 29.1.2025 erfolgte eine weitere Forderungsanmeldung (Insolvenzforderung) einschließlich der Geltendmachung eines Absonderungsrechtes durch die Gläubigerin (ON 61). Dazu brachte sie vor, die Schuldnerin habe die Bauarbeiten am Wohnhaus **, C* zum Teil nicht fertiggestellt bzw hätten diese erhebliche Mängel aufgewiesen. Soweit die Fertigstellungsarbeiten bzw Mängelbehebungen allgemeine Teile der Liegenschaft beträfen, müssten diese nun von der Gläubigerin als Eigentümergemeinschaft fertiggestellt bzw die Mängel saniert werden. Bisher habe die Gläubigerin auf ihre Kosten Ersatzvornahmen im Betrag von insgesamt EUR 17.245,73 vorgenommen, die als weitere unbedingte Insolvenzforderung angemeldet würden. Der Gläubigerin würden aber noch weitere Kosten entstehen, die der Schuldnerin zuzurechnen seien, so beispielsweise die Reparaturkosten der schadhaften Abdichtung der Außenmauer im Gehsteigbereich, Kosten der Fertigstellungsarbeiten im Müllraum und im Keller sowie für die Herstellung einer ordnungsgemäßen Entwässerung und Abdichtung der allgemeinen Teile des Gebäudes, wobei der Aufwand dafür mit ca EUR 54.000,-- brutto geschätzt werde. Dieser Aufwand werde als bedingte Insolvenzforderung angemeldet.
Neuerlich wies die Gläubigerin auf ihr Absonderungsrecht aufgrund der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 20.3.2024 zu ihren Gunsten bewilligten Klagsanmerkung gemäß § 27 WEG hin. Aufgrund der Rangordnung gemäß § 216 Abs 1 Z 3 EO iVm § 27 WEG erachte sie ihre gesamte Forderung als gedeckt (ON 61).
Die von der Gläubigerin zu ON 16 rot angemeldete Insolvenzforderung wurde in der allgemeinen Prüfungstagsatzung vom 13.6.2024 in voller Höhe festgestellt und auch ihr Absonderungsrecht im Anmeldungsverzeichnis vermerkt. Die weitere Forderungsanmeldung vom 29.1.2025 wurde erst nach dem angefochtenen Beschluss in der nachträglichen Prüfungstagsatzung vom 4.3.2023 geprüft.
Mit insolvenzgerichtlicher Genehmigung veräußerte die Insolvenzverwalterin die im Eigentum der Schuldnerin gestandene Eigentumswohnung zum Kaufpreis von EUR 517.000,-- (ON 47, 48). Zur Verteilung des Verkaufserlöses beraumte das Erstgericht mit Beschluss vom 14.1.2025 die Tagsatzung für den 12.2.2025 an. Die Ladung zur Verteilungstagsatzung wurde am 14.1.2025 in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, außerdem ergingen individuelle Ladungen an die Insolvenzverwalterin, die Schuldnerin, den Ersteher sowie die im Antrag der Insolvenzverwalterin vom 14.2.2025 (ON 51) genannten Hypothekargläubiger. Eine individuelle Ladung der Rekurswerberin erfolgte nicht.
Zur Verteilungstagsatzung am 12.2.2025 erschien für die Rekurswerberin niemand. Die Insolvenzverwalterin erhob gegen die Forderungsanmeldung der Rekurswerberin Widerspruch und führte aus, auch Ansprüche nach § 27 WEG müssten angemeldet und durch die Vorlage von Urkunden bescheinigt werden. In der Forderungsanmeldung ON 16 rot über EUR 9.404,93 sei zwar erwähnt worden, dass eine Mahnklage zu G* des Bezirksgerichtes Hernals eingebracht und die Klagsanmerkung nach § 27 Abs 2 WEG beantragt worden sei. Die Mahnklage sei aber weder bei der Anmeldung zur Prüfungstagsatzung noch zur Meistbotsverteilungstagsatzung vorgelegt worden, sodass für diesen Betrag kein Nachweis eines Titels vorliege und daher keine Vorzugsforderung zustehe. Hinsichtlich der weiteren angemeldeten Forderungen werde die Klagsführung nicht einmal behauptet.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht aus dem Meistbot der Insolvenzverwalterin die von ihr beantragten Sondermassekosten nach § 82d IO in Höhe von EUR 4.186,68 und ferner an weiteren Sondermassekosten für einen Nachschlüssel EUR 1.004,40 zu, weitere EUR 273.746,41 wurden in der Reihenfolge der Rangordnung an die bücherlich sichergestellten Pfandgläubiger und der verbleibende Betrag von EUR 243.253,59 als Hyperocha an die allgemeine Masse zugewiesen. Die Forderungen der Rekurswerberin in Höhe von EUR 84.499,45 sowie einer weiteren Buchberechtigten wurden in der Verteilung nicht berücksichtigt. In seiner Begründung hinsichtlich der Forderung der Rekurswerberin schloss sich das Erstgericht der Argumentation der Insolvenzverwalterin an und verwies darauf, dass diese zur Meistbotsverteilungstagsatzung nicht erschienen sei. Auch für den ursprünglich angemeldeten Betrag liege kein Nachweis eines Titels sowie einer Vorzugsforderung vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Eigentümergemeinschaft C*, **, mit dem Antrag, diesen aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, eine neue Meistbotsverteilungstagsatzung anzuberaumen; in eventu diesen dahin abzuändern, dass der Rekurswerberin ein Betrag von EUR 26.650,66, jedenfalls aber ein Betrag von EUR 9.404,93 zugewiesen werde.
Die Rekurswerberin bringt vor, ihr sei keine Ladung zur Verteilungstagsatzung zugestellt worden, sodass sie die erforderlichen Unterlagen zur Anerkennung ihrer Forderungen bei der Meistbotsverteilung nicht mehr vorlegen habe können. Mangels Benachrichtigung sei sie zur Meistbotsverteilungstagsatzung nicht erschienen. Durch den Zustellmangel liege eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs vor, die zur Nichtigkeit des Meistbotsverteilungsbeschlusses führe. Jedenfalls stelle die unterbliebene Zustellung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Hätte die Gläubigerin an der Meistbotsverteilungstagsatzung vom 12.2.2025 teilgenommen, hätte sie dort die Mahnklage vom 15.3.2024 sowie den Beschluss über die Klagsanmerkung vom 20.3.2024 vorgelegt. Auf Grundlage dieser Urkunden wären jedenfalls die im Insolvenzverfahren bereits anerkannte Forderung in Höhe von EUR 9.404,93 und auch die weitere, in der Forderungsanmeldung vom 29.1.2025 angemeldete unbedingte Insolvenzforderung in Höhe von EUR 17.245,73 im Meistbotsverteilungsbeschluss zu berücksichtigen gewesen.
Der Rekurs ist im Sinne einer Aufhebung berechtigt .
1. Bei der außergerichtlichen Verwertung einer mit Absonderungsrechten belasteten Sache bildet der Erlös eine Sondermasse, die durch das Insolvenzgericht zu verteilen ist. Das Insolvenzgericht hat den durch den Masseverwalter erzielten Erlös nach den Verteilungsvorschriften der EO in einer amtswegig durchzuführenden Verteilungstagsatzung aufgrund eines Beschlusses zu verteilen. Dabei sind die Verteilungsvorschriften der EO nicht nur hinsichtlich der Rangordnung (§ 49 Abs 2 IO), sondern überhaupt anzuwenden (RS0003046 [T1]; RS0003381 [T2]; 8 Ob 51/24v ua; Jelinek in KLS² § 120 IO Rz 37; Riel in Konecny/Schubert , InsG § 120 KO Rz 36; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 119 KO Rz 107).
2. Damit kann aber hinsichtlich des Verteilungsverfahrens und im konkreten Fall hinsichtlich der Ladung zur Verteilungstagsatzung nicht auf die Bestimmung des § 257 Abs 2 IO zurückgegriffen werden, sondern ist die hier anzuwendende Norm § 209 EO, nach dessen Abs 2 zur Verteilungstagsatzung neben den Parteien des Verfahrens auch die dinglich Berechtigten zu laden sind, wobei Grundlage für die Ladung eine gemäß § 55a EO beigeschaffte Grundbuchsabschrift ist ( Angst in Angst/Oberhammer , EO³ § 209 Rz 5). Außerdem ist die Anberaumung der Tagsatzung gemäß § 209 Abs 4 EO auch öffentlich bekannt zu machen, zwischen der Aufnahme in die Ediktsdatei und der Tagsatzung soll eine Frist von mindestens vier Wochen liegen. Rechtsnatur und Wirkungen der hier angeordneten öffentlichen Bekanntmachung sind nach § 71 EO zu beurteilen, der eine § 257 Abs 2 IO vergleichbare Zustellfiktion nicht enthält. Demzufolge treten die Wirkungen der in § 209 Abs 2 EO vorgesehenen individuellen Zustellung nicht mit der öffentlichen Bekanntmachung ein, Zustellfehler werden dadurch nicht unbeachtlich (8 Ob 20/03d = JBl 2004, 588 = ZIK 2004/132; Jelinek in KLS² § 120 IO Rz 42 f; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 119 KO Rz 118).
3. Die Aufzählung der nach § 209 Abs 2 EO zu ladenden Personen ist nach hA jedoch nicht taxativ.
3.1. Personen, denen bloß obligatorische privatrechtliche Ansprüche zustehen (wie etwa der Anspruch auf Ersatz von Verwaltungsauslagen im Sinne des § 216 Abs 1 Z 1 oder Anspruch der Wohnungseigentümer oder Mieter auf Ersatz von Aufwendungen gemäß § 216 Abs 1 Z 3 EO) haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Ladung, zu ihrer Information dient die öffentliche Bekanntmachung des Tagsatzungstermin ( Angst in Angst/Oberhammer EO 3 § 209 Rz 5/1). Haben solche Personen ihre obligatorischen Rechte jedoch vor dem Termin der Verteilungstagsatzung angemeldet, haben sie damit Beteiligtenstellung erlangt und gehören zu dem zur Verteilungstagsatzung zu ladenden Personenkreis (3 Ob 81 85/94 = SZ 67/219 = NZ 1997, 45).
3.2. Aber auch im Falle einer Klagsanmerkung nach § 27 Abs 2 WEG 2002 ist der daraus zu entnehmende Forderungsberechtigte zur Verteilungstagsatzung zu laden. Die in § 27 Abs 2 WEG 2002 vorgesehene grundbücherliche Klagsanmerkung bildet zwar nur die Voraussetzung für das Entstehen des gesetzlichen Vorzugspfandrechts und ändert nichts daran, dass der hierdurch gesicherte Anspruch bloß obligatorischer Natur ist - was sich daraus ergibt, dass die Entstehung eines Pfandrechts gemäß § 451 Abs 1 ABGB die Einverleibung voraussetzt und die bloße Anmerkung dieser Eintragung nicht gleichzuhalten ist. Allerdings ist die Klagsanmerkung im Grundbuch der Forderungsanmeldung zur Meistbotsverteilung gleichzuhalten und erlangt der daraus Berechtigte damit ebenfalls Beteiligtenstellung bezüglich der Meistbotsverteilung ( Angst , aaO Rz 6; Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider , EO 17 Anmerkung zu § 209 EO).
4. Im konkreten Fall wäre die Rekurswerberin daher sowohl aufgrund der grundbücherlichen Klagsanmerkung nach § 27 Abs 2 WEG 2002 sowie ihrer bereits anerkannten Insolvenzforderung, in der sie ausdrücklich auf ihr Absonderungsrecht verwiesen hatte, zur Verteilungstagsatzung zu laden gewesen und hätte in dieser die erforderlichen Unterlagen gemäß § 210 EO vorlegen können. Durch das Unterbleiben der Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung wurde ihr diese Möglichkeit genommen und sie damit durch einen ungesetzlichen Vorgang von der Verhandlung über die Verteilung des Meistbots ausgeschlossen, was den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (hier iVm § 252 IO) begründet.
5. In Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Verhandlung und Entscheidung über die Meistbotsverteilung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 254 Abs 1 Z 1 IO, wonach im Insolvenzverfahren grundsätzlich kein Kostenersatz stattfindet. Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren ( Pesendorfer in KLS 2 § 254 IO Rz 2 mwN).
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