Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Falmbigl und Dr. Nowak in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei B* , **, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen EUR 44.612,87 samt Nebengebühren und Feststellung (Streitwert EUR 5.000; Gesamtstreitwert daher EUR 49.612,87), über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 18.181,89) gegen die im Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 30. Jänner 2025, **-44, enthaltene Kostenentscheidung, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass sie lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 13.641,03 (darin EUR 1.478,60 USt und EUR 4.769,44 saldierte Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 461,36 (darin EUR 76,89 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
B e g r ü n d u n g:
In ihrer Klage begehrte die Klägerin zunächst Schmerzengeld in Höhe von EUR 12.880, den Ersatz von Pflegekosten von EUR 6.000, Kinderbetreuungskosten von EUR 6.000, Kosten einer Haushaltshilfe von EUR 6.000, Heilungskosten von EUR 3.465 und Verunstaltungsentschädigung von EUR 4.500, gesamt sohin EUR 38.845, sowie Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden, welches Begehren sie mit EUR 5.000 bewertete.
In der Tagsatzung vom 21.5.2024 dehnte die Klägerin das Klagebegehren um Kosten für Physiotherapiestunden in Höhe von EUR 1.260 aus.
Im Schriftsatz vom 2.7.2024 schränkte die Klägerin das Klagebegehren wegen mittlerweile erfolgter Kostenrückerstattung von Heilungskosten um EUR 762,13 von EUR 3.465 auf EUR 2.702,87 ein.
In der Tagsatzung vom 20.11.2024 dehnte die Klägerin das Klagebegehren um weitere EUR 6.530 an Schmerzengeld auf insgesamt EUR 19.410 an Schmerzengeld aus.
Mit dem in der Hauptsache in Rechtskraft erwachsenen Urteil gab das Erstgericht der Klage im Betrag von EUR 30.729,16 samt Nebengebühren sowie in Ansehung des Feststellungsbegehrens statt.
Das begehrte Schmerzengeld sprach es der Klägerin in voller – zuletzt begehrter – Höhe (EUR 19.410) zu.
Bei einem optimalen Heilungsverlauf wären zehn Einheiten Physiotherapie notwendig gewesen, deren Kosten von der Beklagten nicht zu ersetzen seien. Die Beklagte habe der Klägerin aus diesem Grund EUR 1.386,83 zu zahlen.
Auch bei den Kosten für Schmerzmittel seien nur jene zu berücksichtigen, die nicht auch bei einem optimalen Heilungsverlauf entstanden wären, sohin EUR 310.
Die Kosten für orthopädische Hausschuhe von EUR 115, die MRT-Untersuchung (EUR 195), den Chiropraktiker (EUR 80) und die Psychologenkosten (EUR 232,33) seien voll zuzusprechen gewesen.
Was den begehrten Ersatz der von den Parteien so bezeichneten „Pflegeleistungen“ (Pflegekosten, Kinderbetreuungskosten und Kosten einer Haushaltshilfe) betreffe, sei zu bedenken, dass auch diesbezüglich nur jene Leistungen zu berücksichtigen seien, die im Falle einer ordnungsgemäßen Erstversorgung nicht angefallen wären. Daher seien bloß EUR 9.000 (also die Hälfte des eingeklagten Betrages) zuzusprechen gewesen.
Eine Verunstaltungsentschädigung gebühre der Klägerin schon dem Grunde nach nicht.
Mit der im Urteil enthaltenen und nun angefochtenen Kostenentscheidung sprach das Erstgericht die Beklagte schuldig, der Klägerin deren mit EUR 8.813,31 (darin enthalten EUR 806,51 USt und EUR 3.974,26 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung gründete das Erstgericht auf § 43 Abs 1 ZPO.
Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Klägerin ein höherer Kostenersatz zugesprochen werde: Es sei hier die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO geboten gewesen, weshalb der Klägerin ein Kostenersatzanspruch in Höhe von insgesamt EUR 26.995,20 zustehe; in eventu sei – bei Anwendung des § 43 Abs 1 ZPO – ein Kostenersatzanspruch der Klägerin in Höhe von insgesamt EUR 13.688,18 anzunehmen.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Dem Rekurs kommt teilweise Berechtigung zu.
1. Das Urteil ist in der Hauptsache – mitsamt der unterlassenen Abweisung des Mehrbegehrens durch das Erstgericht – bereits in Rechtskraft erwachsen.
Dies vermag für die Entscheidung über den Kostenrekurs an der zu ermittelnden Obsiegensquote nichts zu ändern, weil das Erstgericht bei der Kostenentscheidung davon ausging, es sei ein Zahlungsmehrbegehren von EUR 13.883,71 abgewiesen worden – ebenso wie die Parteien im vorliegenden Rechtsmittel und in der Rechtsmittelgegenschrift.
2. Die Rekurswerberin moniert, das Erstgericht habe zu Unrecht die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO unterlassen.
Die Klägerin habe zwar bei drei Klagspositionen nur teilweise obsiegt, nämlich bei den Pflegeleistungen (Pflege, Kinderbetreuung, Haushaltshilfe), der Schmerzmedikation und der Physiotherapie.
Es sei für die Klägerin vorab jedoch nicht ermittelbar gewesen, welcher Anteil an Pflegeleistungen, Schmerzmedikation und Physiotherapie auch bei ordnungsgemäßer Erstversorgung angefallen wären.
Das nur teilweise Obsiegen der Klägerin sei daher darauf zurückzuführen, dass der Forderungsbetrag von der Feststellung durch richterliches Ermessen und der Ausmittlung durch Sachverständige abhängig gewesen sei.
Die geltend gemachte Verunstaltungsentschädigung sei der Klägerin nicht zugesprochen worden. Auch auf die Verunstaltungsentschädigung sei das Kostenprivileg nach § 43 Abs 2 ZPO anzuwenden, weil es sich um einen Fall des richterlichen Ermessens handle.
2.1. „Das Gericht kann jedoch auch bei solchem Ausgange des Rechtsstreites der einen Partei den Ersatz der gesammten, dem Gegner und dessen Nebenintervenienten entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Theile seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist [erster Fall, Anm] , oder wenn der Betrag der von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen [zweiter Fall, Anm] , von der Ausmittlung durch Sachverständige [dritter Fall, Anm] , oder von einer gegenseitigen Abrechnung abhängig war.“ (§ 43 Abs 2 ZPO).
2.1.1. Das kostenunschädliche teilweise Unterliegen darf immer nur die Höhe des Anspruchs, nicht aber dessen Grund betreffen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 , Rz 1.156; RW0001024), worauf die Rekursgegnerin in der Rechtsmittelgegenschrift zutreffend hinweist.
2.1.2. Die Verunstaltungsentschädigung gebührt schon dem Grunde nach nicht, sodass sich weitere Erwägungen dazu erübrigen.
2.1.3. Der Grund des Anspruchs ist bei der Ausmittlung durch Sachverständige auch dann betroffen, wenn Sowiesokosten miteingeklagt werden (
2.1.4. Im vorliegenden Fall ließ die Klägerin außer Acht, dass ihr die Beklagte nur jene Kosten zu ersetzen hat, die durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ihres Erfüllungsgehilfen (kurz: Übersehen der Sehnenverletzung zufolge nicht ordnungsgemäßer Wundinspektion) verursacht wurden, nicht aber auch jene, die der Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Erstversorgung ohnehin entstanden wären.
2.1.5. Die nicht zugesprochenen Kosten für die Pflegeleistungen (Pflege, Kinderbetreuung, Haushaltshilfe) und für die Physiotherapie sind also solche, die auch den Grund des Anspruchs betreffen, und unterfallen daher nicht dem Kostenprivileg des § 43 Abs 2 dritter Fall ZPO.
Der zweite Fall des § 43 Abs 2 ZPO ist bei diesen Ansprüchen nicht einschlägig, weil – ohne Anwendung richterlichen Ermessens in Form einer Schätzung der Höhe der Klagsforderung gemäß § 273 ZPO – durch Feststellungen geklärt ist, dass der verletzte Fuß der Klägerin auch im Idealfall über sechs Wochen schlecht beweglich und belastbar gewesen wäre und die Klägerin auch bei idealem Heilungsverlauf zehn Einheiten Physiotherapie benötigt hätte.
2.1.6. In Bezug auf die Schmerzmedikation ist der Klägerin zuzugeben, dass das Erstgericht nominell richterliches Ermessen in Form einer Schätzung gemäß § 273 ZPO walten ließ (siehe Seite 7 der Urteilsausfertigung).
Auch hier ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin nicht auf Kausalitätserwägungen Bedacht nahm (siehe schon Punkt 2.1.3. der Rechtsmittelentscheidung), also nicht auf den Umstand, dass sie auch bei ordnungsgemäßer Erstversorgung Medikamente einnehmen hätte müssen, und solcherart auch der Grund des Anspruchs betroffen ist.
Im vorliegenden Fall hat dies auch in Betreff dieses Anspruchs zur Verneinung der Anwendbarkeit des Kostenprivilegs des § 43 Abs 2 ZPO zu führen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 , Rz 1.173).
2.2. Insgesamt ist also die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO auf die abgewiesenen Klagsforderungen nicht geboten, weil das Erstgericht durchgehend kostenschädliche, also nicht privilegierte Ansprüche oder Teile davon abwies.
3. „In eventu“ releviert die Rekurswerberin, sie habe nicht zu 62 Prozent obsiegt, sondern zu 72 Prozent, sodass ihr jedenfalls 44 Prozent der Kosten und 72 Prozent der Barauslagen zu ersetzen seien, der Beklagten bloß 28 Prozent der Barauslagen.
3.1. Damit ist sie im Recht , weil EUR 13.883,71 rund 28 Prozent von EUR 49.612,87, dem Gesamtstreitwert, darstellen, sodass die Klägerin zu 72 Prozent obsiegte, und nicht bloß zu 62 Prozent.
3.2. Das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz zu legende Kostenverzeichnis ist der Kostenentscheidung zugrundezulegen (§ 54 Abs 1a ZPO). Dass die Klägerin in der Parallelrechnung in Punkt 3. des Rekurses für die den Verdienst betreffenden Ansätze nun jeweils eine andere Bemessungsgrundlage als die in ihrem Kostenverzeichnis angenommene zugrundelegt, ist daher unzulässig.
3.3. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Kostenrekurs ziffernmäßig bestimmt erhoben werden, dh er muss erkennen lassen, was angefochten und welche Abänderung beantragt wird. Dies ist erforderlich, weil ansonsten nicht ersichtlich ist, in welchem Umfang Teilrechtskraft der erstgerichtlichen Kostenentscheidung eingetreten ist. Die begehrten oder bekämpften Kosten sind im Rekurs rechnerisch darzulegen (alternativ zu berechnen); das Fehlen dieser Darlegung ist ein nicht verbesserungsfähiger Inhaltsmangel (3 Ob 159/02g; 1 Ob 2049/96x).
Es muss dabei klar erkennbar sein, inwieweit sich eine Quotenkompensation verändern soll, bei welchen zuerkannten Honoraren es bleiben soll, und es ist zudem nachvollziehbar darzulegen, welche Honorarpositionen aus welchen konkreten Gründen für nicht ersatzfähig befunden werden sollen (vgl Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 55 ZPO Rz 6 [Stand 9.10.2023, rdb.at]; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.88, jeweils mwN).
3.4. Auf die unterbliebene Bildung von Verfahrensabschnitten wird von der Rekurswerberin im Rekurs nicht einmal hingewiesen, geschweige denn stellt sie eine entsprechende Alternativrechnung an. Dies hindert das Rekursgericht an der Wahrnehmung dieses Umstands.
3.5. Das Rekursgericht ermittelt eine Nettoverdienstsumme der Klägerin von EUR 16.801,65, wobei die Differenz zur Rechnung des Erstgerichts von 60 Cent netto darauf zurückzuführen ist, dass der nach TP2 zu honorierende Schriftsatz vom 2.7.2024 aufgrund einer geringfügig anderen Bemessungsgrundlage als jener vom 12.3.2024 zu einem Ansatz von EUR 499,40 führt, nicht zu einem solchen von EUR 499,80, sodass sich mit Einheitssatz eben jene Differenz von 60 Cent netto ergibt (40 plus 40/2).
Aufgrund des Verbots der reformatio in peius ( Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 50 ZPO Rz 6 [Stand 9.10.2023, rdb.at]) hat dies aber auf sich zu beruhen, sodass ein Nettoverdienst von EUR 16.802,25 heranzuziehen ist.
3.6. Dem Rekurs war daher teilweise Folge zu geben, weil dem Erstgericht ein Rechenfehler unterlief, was die Obsiegensquote der Klägerin betrifft.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO iVm § 11 RATG.
Gemäß § 11 Abs 1 RATG ist Bemessungsgrundlage im Kostenrekursverfahren der Betrag, dessen Zuerkennung im Kostenrekurs beantragt wurde, hier also EUR 18.181,89. Das rekursgegenständliche „Eventualbegehren“ der Rekurswerberin hat keine eigenständige kostenrechtliche Bedeutung, weil es voll im „Hauptbegehren“ aufgeht und daher keinen echten Eventualantrag darstellt (vgl RS0037601).
Die Rekurswerberin obsiegte zu rund 27 Prozent.
Die Rekursgegnerin hat daher Anspruch auf 46 Prozent der Kosten ihrer Rekursbeantwortung.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
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