Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, die Richter Mag. Schmoliner und Mag. Marchel sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Oberzaucher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Elisabeth Schubert (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Franjo Schruiff, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, **, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 9.10.2024, GZ ** 30, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin absolvierte eine HBLA für wirtschaftliche Frauenberufe und ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.5.2008 bis 30.4.2023) erwarb sie 89 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, davon 88 Beitragsmonate pflichtversichert als Angestellte und ein Beitragsmonat pflichtversichert als Arbeiterin, sowie 91 Monate der Pflichtversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG. Die Klägerin übte zuletzt eine Tätigkeit als Buchhalterin aus. Sie übte in diesem Zeitraum jedoch nicht zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate hindurch eine Berufstätigkeit in einem erlernten oder angelernten Beruf oder als Angestellte aus.
Der Klägerin ist eine Tätigkeit als Buchhalterin auch im Rahmen einer Halbzeitbeschäftigung nicht weiter zumutbar, da das für sie näher festgestellte medizinische Leistungskalkül hierbei überschritten wird. Dem Leistungskalkül entsprechen jedoch noch am allgemeinen Arbeitsmarkt Berufstätigkeiten wie beispielsweise als Abwäscherin in Großküchen oder als Reinigungskraft im Bereich der Unterhaltsreinigung, auszuüben im Rahmen einer Halbzeitbeschäftigung.
Mit Bescheid vom 30.10.2023 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 1.5.2023 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Vorliegens dauernder Berufsunfähigkeit ab und sprach aus, dass auch keine vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vorliege, kein Anspruch auf medizinische Rehabilitation bestehe und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien.
In der dagegen erhobenen Klage brachte die Klägerin vor, dass sie in den letzten 15 Jahren überwiegend als Buchhalterin beschäftigt gewesen sei. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen (bipolare affektive Störung, depressive Episoden, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Arthrose) sei sie berufsunfähig.
Die Beklagtewendete ein, dass die Klägerin innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt habe und noch imstande sei, eine am Arbeitsmarkt bewertete Tätigkeit auszuüben.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen und den Inhalt des angefochtenen Bescheids wiederholt. Den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nicht zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate hindurch eine Berufstätigkeit als Angestellte oder in einem erlernten oder angelernten Beruf ausgeübt habe. Das Verweisungsfeld sei daher mit dem gesamten Arbeitsmarkt ident. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt würden noch Berufstätigkeiten im Rahmen einer Halbzeitbeschäftigung existieren, die die Klägerin mit ihrem eingeschränkten medizinischen Leistungskalkül ausüben könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Klägerin bekämpft in ihrer Berufung ausschließlich die Feststellung, dass sie im Beobachtungszeitraum (1.5.2008 bis 30.4.2023) 89 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, davon 88 Beitragsmonate als Angestellte und ein Beitragsmonat als Arbeiterin, erworben hat. Stattdessen begehrt sie die Feststellung, dass sie in diesem Zeitraum 91 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, davon 90 Beitragsmonate als Angestellte und ein Beitragsmonat pflichtversichert als Arbeiterin, wobei sie auch in diesem Monat als Angestellte tätig gewesen sei, erworben und damit zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate hindurch eine Berufstätigkeit als Angestellte oder in einem erlernten oder angelernten Beruf ausgeübt habe.
2. Wieviele Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit für eine:n Versicherte:n zu einem bestimmten Stichtag vorliegen, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, basierend auf konkret festgestellten Beschäftigungszeiten und Zeiten eines anderweitigen Leistungsbezuges als Sachverhaltsgrundlage.
Diese Sachverhaltsgrundlage steht hier jedoch unstrittig fest, bezieht sich doch die Berufungswerberin ebenso wie die Beklagte und das Erstgericht auf die Beschäftigungs- und sonstigen Bezugsdaten in den vorgelegten Versicherungsdatenauszügen (Unverdichtete Basisdaten Beil./6; Verdichteter Versicherungsverlauf Beil./8). Dabei zeigt sich, dass die Qualifikation der Monate November 2019 und Mai 2021 als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit strittig ist.
3. Im November 2019 war die Klägerin ab einschließlich 18.11.2019 beschäftigt; davor bezog sie Notstandshilfe und Überbrückungshilfe (Beil./6, Seite 13). Im Mai 2021 war sie bis einschließlich 12.5.2021 beschäftigt, für den 13.5.2021 bestand eine Pflichtversicherung aufgrund des Bezuges einer Urlaubsersatzleistung, ab dem 14.5.2021 bezog sie Arbeitslosengeld.
§ 232 Abs 1 ASVG regelt, wie zur Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung und der Überweisungsbeträge Versicherungszeiten und Beitragsmonate zusammenzufassen sind bzw welche Arten von Versicherungsmonaten aus verschiedenartigen Versicherungszeiten entstehen. Der einzelne Versicherungsmonat gilt als Beitragsmonat der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, Beitragsmonat der Freiwilligenversicherung, Ersatzmonat oder Monat einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG, je nachdem, ob Beitragszeiten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, Beitragszeiten der freiwilligen Versicherung, Ersatzzeiten oder Zeiten der Pflichtversicherung nach in dem betreffenden Monat das zeitliche Übergewicht haben. Daraus folgt, dass bei zeitlichem Überwiegen einer Kategorie von Beitragsmonaten die Zeiten der jeweils anderen Kategorie verdrängt werden bzw verloren gehen. Liegen etwa zehn Tage einer Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor und 20 Tage einer Pflichtversicherung nach , gilt der (gesamte) Beitragsmonat als Monat einer Pflichtversicherung nach (10 ObS 85/14v).
Für den konkreten Fall bedeutet das, dass sowohl im Monat November 2019 als auch im Monat Mai 2021 aufgrund des Bezuges von Notstandshilfe und Überbrückungshilfe (November 2019) bzw aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld (Mai 2021) jeweils überwiegende Zeiten der Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG vorgelegen sind. Beide Monate sind daher nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, sondern als Monate einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zu werten.
Zutreffend ist das Erstgericht daher nur vom Vorliegen von 89 und nicht 91 Pflichtversicherungsmonaten aufgrund Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum ausgegangen.
4. Weitere Berufungsgründe werden nicht vorgebracht. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
5.Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG werden in der Berufung nicht vorgebracht und sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.
6.Da eine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu beurteilen war, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen (§ 502 Abs 1 ZPO).
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