Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Reden und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG , vertreten durch die Biedermann Belihart Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei B* , **, wegen EUR 7.000,- s.A., hier wegen Verhängung einer Mutwillensstrafe, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30.12.2024, ** 7, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben .
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig .
Begründung:
Mit von ihrer Rechtsvertreterin eingebrachter Mahnklage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines Teilbetrags von EUR 7.000,- aus einem (laut Vorbringen) mit insgesamt EUR 24.589,36 aushaftenden Kredit samt Zinsen und als ausgewiesene Nebenforderung Kosten der Beiziehung eines Inkassoinstituts von EUR 2.941,38.
Zu diesen Kosten brachte sie vor:
„ Inkassoinstitute sind nach § 118 GewO zur Einziehung einer fremden Forderung grundsätzlich berechtigt. Es besteht keine zwingende gesetzliche Bestimmung, die eine sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts vorschreibt. Eine exakte Beurteilung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlicher Betreibungsschritte ist unmöglich. Das Inkassoinstitut ist bloßer Dienstleister und kann natürlich nicht für die Einbringung der Forderungen garantieren. In diesem Sinne, wie soll bitte die klagende Partei beurteilen, ob (ex ante) das Inkassoinstitut erfolgreich sein wird?!
Die Leistungen des Inkassobüros wurden im Rahmen der einschlägigen 141. Verordnung des ** vom 27.3.1996 (valorisiert) verrechnet.
Zur Verhältnismäßigkeit der Höhe der Inkassokosten zur Höhe der Klagsforderung wird auf den gesamten noch aushaftenden Darlehensbetrag von EUR 24.589,36 hingewiesen.
Zur Rechtsansicht des Gerichts auf Nachweis der bezahlten Inkassokosten erlauben wir uns auf 4 Ob 139/16v vom 12.7.2016 hinzuweisen.
[…]
Hinsichtlich der unter Position 10 bezeichneten Inkassospesen besteht mit dem Schuldner die Vereinbarung die aufgelaufenen Inkassokosten zu bezahlen und werden diese zusätzlich aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht.“
Diesem Vorbringen folgte eine Aufschlüsselung der Inkassospesen.
Mit Beschluss vom 12.11.2024 (ON 2) trug das Erstgericht der Klägerin die Verbesserung der unter einem zurückgestellten Mahnklage binnen 14 Tagen auf durch:
1. Vorlage der Vereinbarung mit dem Schuldner, die aufgelaufenen Inkassokosten zu bezahlen;
2. Angabe, aus welchen individuellen Gründen im vorliegenden Einzelfall die Beauftragung eines Inkassounternehmens bezüglich jedes einzelnen Inkassoschritts nötig und zweckmäßig war.
Daraufhin legte die Klägerin die Mahnklage ohne auf die ihr aufgetragene Verbesserung einzugehen erneut vor, diesmal ohne Geltendmachung von Inkassokosten (ON 3).
Mit Beschluss vom 14.11.2024 räumte das Erstgericht der Klägerin die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Verhängung einer Mutwillensstrafe nach § 245 Abs 1 ZPO binnen 14 Tagen durch Erfüllung des Verbesserungsauftrags ein (ON 4).
Daraufhin teilte die Klägerin mit, in Einzelfällen hätten sie [die Klagevertreter] das Pouvoir, auf die Inkassokosten zu verzichten, was jedoch nicht bedeute, dass diese nicht entstanden sind (ON 5).
Mit dem angefochtenen Beschlussverhängte das Erstgericht über die Klägerin eine Mutwillensstrafe gemäß § 245 ZPO von EUR 1.000,-. Dies mit der Begründung, die Klägerin bringe schon länger Mahnklagen wegen unberichtigter Kredite samt Zinsen und Inkassokosten ein. Teilweise würden diese Zahlungsbefehle erlassen, teilweise ergingen Verbesserungsbeschlüsse zur Frage der Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und teilweise auch zur Angemessenheit der Inkassokosten. Der Klägerin sei bekannt, dass von ihr immer wieder konkretes Vorbringen zu diesen Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der Inkassokosten verlangt werde und sie dieses nicht erbringen könne.
Die Klägerin wisse auch, dass das Gericht bei Missachtung der Verbesserungsaufträge keine Zahlungsbefehle erlasse, sondern den Beklagten die Beantwortung der Klage auftrage und bei Nichterstattung einer Klagebeantwortung ein beantragtes Versäumungsurteil nur hinsichtlich des Kapitals erlasse und die Inkassokosten abweise.
Der Klägerin sei auch bewusst, dass sie nach der Judikatur keinen Anspruch auf die jeweils geltend gemachten Inkassokosten habe, weil sie auch wisse, dass sie die im Verbesserungsauftrag gestellten Fragen nicht beantworten kann.
In mehreren nur beispielhaft [unter Angabe der jeweiligen Aktenzahlen] aufgezählten Verfahren habe die Klägerin dem Verbesserungsauftrag keine Folge geleistet und die Klagsforderung kommentarlos um die Inkassokosten eingeschränkt.
Das Verhalten der Klägerin habe dahingehend System, mit jeder neu eingebrachten Mahnklage zu versuchen, einen Zahlungsbefehl auch hinsichtlich der Inkassokosten zu erlangen. Dies im Bewusstsein, einem entsprechenden Verbesserungsauftrag nicht Folge leisten zu können und der Strategie, ausschließlich in diesen Fällen entweder die Inkassokosten fallen zu lassen oder ein diesbezüglich abweisendes Urteil nicht zu bekämpfen. Der Klägerin sei auch bewusst, dass nicht alle Richter und Richterinnen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien Verbesserungsaufträge erteilen, sondern einige von ihnen Zahlungsbefehle samt Inkassokosten erlassen.
Dabei sei zu beachten, dass die Klägerin diese Vorgehensweise ausschließlich bei Vertretung durch die im Kopf des Beschlusses ersichtliche Klagevertreterin wähle; in allen anderen Verfahren der Klägerin würden von Beginn an keine Inkassokosten begehrt.
In seiner ausführlichen rechtlichen Begründung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, das Verhalten der Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 245 Abs 1 ZPO wegen versuchter Erschleichung eines Zahlungsbefehls über die Inkassokosten.
Aus general- und spezialpräventiven Erwägungen – bereits mehrere Kreditinstitute agierten wie die Klägerin – müsse mit EUR 1.000,- eine spürbare Mutwillensstrafe verhängt werden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben.
Der (in diesem Verfahrensstadium einseitige) Rekurs ist berechtigt.
1.1.Das Gericht hat nach § 245 Abs 1 ZPO eine Mutwillensstrafe von mindestens EUR 100,- über eine Partei zu verhängen, die durch unrichtige oder unvollständige Angaben in der Klage die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls über eine oder mehrere Forderungen samt Zinsen oder bestimmter Kosten erschlichen oder zu erschleichen versucht hat, insbesondere durch die Geltendmachung einer Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN als Teil der Hauptforderung, ohne dies gesondert anzuführen.
§ 245 ZPO soll damit die Einhaltung der bestehenden Gliederungsvorschriften über die Geltendmachung von Zinsen und Kosten sicherstellen, wobei das Erfordernis der gesonderten Anführung von Nebengebühren nicht nur der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs dient, sondern auch der Ermöglichung der Überprüfung der Angemessenheit des Betreibungsaufwands im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung, der Überprüfung (der Plausibilität) der tatsächlichen Richtigkeit der entsprechenden Angaben bei der Prüfung nach § 245 ZPO und nicht zuletzt der Erhöhung des „Auffälligkeitswerts“ für den Beklagten, sodass dieser in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls einen Teileinspruch zu erheben. Die Aufschlüsselung ist daher sowohl für die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit als auch für die Information des Schuldners, der ja gegebenenfalls einen Teileinspruch erheben kann, erforderlich. Ein Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften rechtfertigt eine Mutwillensstrafe ( G. Kodek in Fasching/Konecny 3§ 245 ZPO Rz 5 ff).
1.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Klägerin in der ursprünglichen Mahnklage die Inkassokosten korrekt gesondert als Nebenforderung ausgewiesen und sie betragsmäßig auch aufgeschlüsselt hat, sodass nicht von einer Verschleierung der Kosten – indem sie etwa als Teil der Hauptforderung geltend gemacht worden wären – auszugehen ist. Zur Verhältnismäßigkeit hat sie die Höhe der Inkassokosten in Relation zur gesamten aushaftenden Forderung gesetzt. Zudem hat die Klägerin vorgebracht, die Geltendmachung der Inkassokosten stütze sich auch auf eine Vereinbarung mit der Beklagten, nach der diese die Kosten zu zahlen habe, sowie auf Schadenersatz.
Ein Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften liegt damit nicht vor.
1.3. Auch bei – wie hier – ordnungsgemäßer Anführung der im Klagsbetrag enthaltenen Nebengebühren kommt eine Mutwillensstrafe in Betracht, wenn die diesbezüglichen Behauptungen zwar formell ordnungsgemäß, aber inhaltlich unrichtig bzw unvollständig sind ( G. Kodek aaO Rz 8).
Die Verhängung einer Mutwillensstrafe setzt dabei voraus, dass die Erschleichung bzw der – ebenfalls strafbare – Versuch einer Erschleichung eines Zahlungsbefehls erwiesen ist. Sowohl objektive als auch subjektive Tatseite müssen erfüllt sein ( Kellner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 245 Rz 5). Das Gericht kann dabei beispielsweise auf die Erfahrungen mit dem Kläger in vergleichbaren Verfahren zurückgreifen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 245 ZPO E 2).
1.4. Der bloße Umstand, dass in einer Mahnklage hohe, aber aufgeschlüsselte Inkassokosten geltend gemacht werden, rechtfertigt – auch wenn dies nach dem amtlichen Wissen des Richters in mehreren Verfahren geschieht – jedoch noch nicht die Verhängung einer Mutwillensstrafe (vgl OLG Wien 16 R 226/10p [unveröffentlicht]). Gleiches hat – wie bereits in den jüngst ergangenen Entscheidungen 16 R 3/25s und 10 R 3/25x ausgeführt wurde – auch für den Umstand zu gelten, dass die Klägerin nach Erteilung des Verbesserungsauftrags das Klagebegehren um die Inkassokosten eingeschränkt hat. Beides reicht nicht dazu aus, eine Erschleichung des Zahlungsbefehls oder deren Versuch als erwiesen anzunehmen: Wie das Erstgericht selbst einräumt, erteilen nicht alle Richter und Richterinnen Verbesserungsaufträge. Das bedeutet entgegen den Ausführungen des Erstgerichts aber nicht zwangsläufig, dass jene Richter und Richterinnen, die keine Verbesserungsaufträge erteilen, Zahlungsbefehle „ungeprüft“ erließen, was im Übrigen gesetzwidrig wäre (vgl G. KodekaaO § 244 ZPO Rz 27 ff).
Möglich ist auch, dass einzelne Richter die Angaben in der Mahnklage hinsichtlich der Angemessenheit und Notwendigkeit der Mahnspesen als ausreichend für die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls erachten.
Gerade aufgrund dieser unterschiedlichen Vorgangsweisen von Richtern und Richterinnen des Erstgerichts musste der Klägerin nicht bewusst sein, dass ihr die Inkassokosten nicht zustehen. Dass sie nach Erteilung des Verbesserungsauftrags auf deren weitere Geltendmachung verzichtete, ist nicht zwingend ein Eingeständnis, dass ihr die Inkassokosten von Anfang an nicht zugestanden wären (oder sie dies zumindest ernstlich für möglich halten musste). Durchaus denkbar ist auch, dass sie auf deren Geltendmachung verzichtete, um sich eine weitere – zeitintensive – Auseinandersetzung mit dem Erstgericht zu ersparen.
Ist aber die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Klagsangaben nicht erwiesen, kommt die Verhängung einer Mutwillensstrafe nicht in Betracht.
2. Da der angefochtene Beschluss schon aus diesem Grund ersatzlos aufzuheben ist, kommt es auf die Frage, ob die Partei für das Verhalten ihres Rechtsanwalts bestraft werden kann (dafür: EFSlg 85.309; kritisch G. Kodek aaO § 245 Rz 12; ablehnend Kellner aaO § 245 Rz 6) nicht maßgeblich an; sie kann daher unbeantwortet bleiben.
3. Im Verfahren über die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt ein Kostenersatz – auch im Rechtsmittelverfahren – nicht in Betracht ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 245 Rz 6; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.83; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack , ZPO-Taschenkommentar § 245 Rz 4).
4.Zwar ist die vorliegende Entscheidung eine abändernde und keine aufhebende Entscheidung iSd § 527 Abs 2 ZPO (vgl OLG Wien 7 Ra 142/05m), dennoch ist der Revisionsrekurs in der vorliegenden Konstellation nicht zulässig: Die Beklagte ist am Verfahren bislang nicht beteiligt und daher zur Erhebung eines Rechtsmittels nicht legitimiert (vgl RS0039200); die mit ihrem Rekurs erfolgreiche Klägerin ist durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert, ein Rechtsmittel von ihrer Seite wäre daher zurückzuweisen (vgl RS0006880 ua).
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