Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schmied und den Richter Mag. Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, **, vertreten durch Mag. Markus Adam, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. B*, M.B.L.-HSG, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C* GmbH , FN D*, **, wegen Feststellung (Streitwert EUR 35.000 samt Nebengebühren) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. Oktober 2024, **-28, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
„Es wird festgestellt, dass das Versäumungsurteil vom 7.7.2022 im Umfang der Leistungsverpflichtung ipso iure außer Kraft tritt, jedoch die in ihm enthaltene Forderungsfeststellung aufrecht bleibt, sodass dies deklarativ wie folgt festzuhalten ist:
Es wird gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass der klagenden Partei im Insolvenzverfahren der C* GmbH, FN D*, eine Insolvenzforderung im Betrag von EUR 39.583,31 zusteht.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.198,76 (darin EUR 366,46 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Begründung:
Die Klägerin begehrte zunächst mit Mahnklage vom 28.2.2022 die Zahlung von EUR 35.000 samt Nebengebühren. Nach Einspruchserhebung durch die Beklagte erging in der Tagsatzung vom 7.7.2022 über Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil. Mit am selben Tag in die Ediktsdatei aufgenommenem Beschluss des Handelsgerichts Wien zu ** wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet (ON 10).
Mit Schriftsatz vom 14.6.2023 (ON 13) beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens und stellte das Klagebegehren auf Feststellung einer entsprechenden Insolvenzforderung um. Mit Beschluss vom selben Tag (ON 14) setzte das Gericht das Verfahren fort und berichtigte die Parteienbezeichnung auf den Insolvenzverwalter. Das (weiterhin auf Leistung lautende) Versäumungsurteil wurde dem Insolvenzverwalter am 14.7.2023 zugestellt, der dagegen Berufung und Widerspruch erhob. Mit Schriftsatz vom 30.8.2023 (ON 20) wurde die Berufung zurückgezogen. Der Widerspruch wurde mit Beschluss vom 31.8.2023 (ON 21) rechtskräftig zurückgewiesen. Am 2.10.2023 erklärte das Erstgericht das Versäumungsurteil für rechtskräftig und vollstreckbar.
Mit Schriftsatz vom 25.7.2024 (ON 26) beantragte die Klägerin nunmehr, das Versäumungsurteil vom 7.7.2022 dahin zu berichtigen, dass gegenüber der Beklagten das Bestehen einer Insolvenzforderung von (richtig:) EUR 39.583,31 (EUR 35.000 an Kapital, EUR 575,55 an Zinsen bis zur Insolvenzeröffnung und EUR 4.007,76 an Verfahrenskosten) festgestellt werde. Sie habe ihre Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ordnungsgemäß als Insolvenzforderungen angemeldet und das Klagebegehren entsprechend auf Feststellung umgestellt. Nach Bestreitung durch den Insolvenzverwalter sei am 14.6.2023 die Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens beschlossen worden, woraufhin das ursprüngliche Leistungsbegehren – allenfalls von Amts wegen – in ein Feststellungsbegehren umzuändern gewesen wäre. Das gefällte Versäumungsurteil sei zwar unbekämpft in Rechtskraft erwachsen, aber dennoch wie beantragt zu berichtigen, zumal eine Vollstreckbarkeit des Leistungsbefehls in die Masse nicht anzunehmen sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag ab. Rechtlich folgerte es, eine Umstellung des auf Zahlung lautenden Versäumungsurteils auf Feststellung einer Insolvenzforderung sei nicht erfolgt, weil dieses bereits vor wirksamer Insolvenzeröffnung erlassen worden sei. Eine Rechtsgrundlage für die beantragte Berichtigung/Änderung des rechtskräftigen Versäumungsurteils sei zu verneinen. Zwar sei nach § 113 iVm §§ 110, 112 IO der Streitgegenstand von Prüfungsprozessen an sich auf die Feststellung von Insolvenzforderungen beschränkt. Im gegenständlichen Fall sei der Leistungstitel allerdings bereits vor Insolvenzeröffnung erlassen worden und aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Selbstbindung des Gerichts nach Fortsetzung zuzustellen. Ob aufgrund einer entsprechenden Umstellung des Begehrens durch die Klägerin und der damit verbundenen Klagseinschränkung vor Rechtskraft des Versäumungsurteils eine Umstellung von Leistung auf Feststellung erfolgen könne oder müsse, sei gegenständlich nicht zu klären, weil mittlerweile Rechtskraft eingetreten sei. Weshalb das auf Leistung lautende Versäumungsurteil nur hinsichtlich der (impliziten) Feststellung der eingeklagten Forderung in Rechtskraft erwachsen sein solle, sei nicht ersichtlich, zumal sich die fehlende Vollstreckbarkeit bei aufrechtem Insolvenzverfahren ohnehin aus § 10 IO ergebe. Die Forderung müsse analog zu §§ 110 Abs 2 und 131 Abs 4 IO als unbestritten und festgestellt gelten. Ein Fall der Berichtigung gemäß § 419 ZPO liege schon deshalb nicht vor, weil der Ausspruch des Leistungsbefehls bei Erlassung des Versäumungsurteils, die bereits vor den Wirkungen der Insolvenzeröffnung erfolgt sei, dem wahren Entscheidungswillen des Gerichts entsprochen habe.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag der Klägerin – in eventu in amtswegig zu korrigierender Fassung – stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der beklagte Insolvenzverwalter beteiligt sich nicht am Rekursverfahren.
Der Rekurs ist berechtigt .
1.1. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen, auch wenn darüber ein Rechtsstreit anhängig ist, durch Anmeldung gemäß §§ 102 ff IO geltend zu machen. Wird die angemeldete Forderung bestritten, muss deren Bestehen in einem Prüfungsprozess festgestellt werden. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Unterbrochene Verfahren sind daher als Prüfungsprozess vor dem Prozessgericht fortzusetzen.
1.2. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden (1 Ob 170/00g [Pkt 1.]; 8 ObA 104/01d). Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO (RS0041103 [T6]; 3 Ob 82/08t [Pkt e]).
1.3. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Änderung des Leistungsbegehrens in ein Feststellungsbegehren über die Richtigkeit der angemeldeten Forderung über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu erfolgen (8 Ob 341/99a; RS0041103 [T3]).
2. Bereits das Erstgericht hielt zutreffend fest, dass Frauenberger-Pfeiler/Geroldinger (Fortsetzung eines Mahnverfahrens als Prüfungsprozess? ZIK 2007, 112 [115]) zum Zahlungsbefehl die Ansicht vertreten, dass das (insolvenzbedingte) Begehren des Klägers auf Umstellung seines Leistungsbegehrens auf eine Feststellung eine Klageeinschränkung sei (a), dass in deren Umfang – das heißt im Umfang des Leistungsbegehrens – der bereits vor Insolvenzeröffnung ergangene, aber noch nicht rechtskräftige Zahlungsbefehl ex lege außer Kraft trete (b), dass damit allein die Feststellungswirkung hinsichtlich des Anspruchs aufrecht bleibe (c) und dass das Gericht dies aus Gründen der Rechtssicherheit in analoger Anwendung des § 483 Abs 3 ZPO mittels deklarativen Beschlusses festzustellen habe (d). Diese Ansicht wird von Fink (in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 II/3 § 159 ZPO Rz 114/3), Gitschthaler (in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 164–166 Rz 3/2), Jelinek (in KLS § 113 IO Rz 37) und Rechberger/Simotta (Grundriss 9 Rz 545 FN 150) geteilt.
3.1. Dieser Meinung schloss sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 17 Ob 9/21d an, in welcher – wie im vorliegenden Fall – ein klagestattgebendes Versäumungsurteil zu beurteilen war, das aufgrund Insolvenzeröffnung vor Ablauf der Berufungsfrist noch nicht rechtskräftig wurde und bei dem der Kläger gemeinsam mit dem Fortsetzungsantrag die Umstellung von Leistung auf Feststellung beantragte. Es sei ein Gebot der Rechtsklarheit, in Übereinstimmung mit dem Antrag des Klägers festzustellen, dass die Gerichtsentscheidung nicht mehr auf Leistung, sondern auf Feststellung des Anspruchs als Insolvenzforderung laute.
3.2. Auch im vorliegenden Fall lag zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein das Prozessgericht bindendes, bisher unbekämpftes und mangels Ablaufs der Berufungsfrist noch nicht rechtskräftiges Leistungsurteil vor, das – insolvenzrechtlich gesehen – über eine Insolvenzforderung abspricht. Bereits die infolge des mit einer entsprechenden Klageänderung verbundenen Antrags vom 14.6.2023 erfolgte Fortsetzung des Verfahrens am selben Tag führte vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung ex lege dazu, dass das zuvor ergangene Leistungsurteil noch vor Eintritt der Rechtskraft des Versäumungsurteils inhaltlich zu einem Feststellungsurteil wurde. Somit erwuchs das Versäumungsurteil in weiterer Folge lediglich im Umfang des noch aufrechten Feststellungsbegehrens in Rechtskraft, und zwar unabhängig davon, ob das Erstgericht zwischenzeitig eine Berichtigung/Anpassung des Versäumungsurteils vornahm oder nicht.
4.1. Dem stehen auch die vom Erstgericht ins Treffen geführte Selbstbindung an sein Urteil (§ 416 ZPO) sowie die Grenzen der Urteilsberichtigung nicht entgegen, zumal der von der Rekurswerberin begehrte (deklarative) Anpassungsbeschluss nur insofern berichtigende Funktion iSd § 419 ZPO hat, als er der bereits zuvor ex lege eingetretenen Änderung des Leistungsbegehrens in ein Feststellungsbegehren Ausdruck verleiht. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO ist daraus nicht ableitbar.
4.2. Auch der Entscheidung 17 Ob 9/21d lag zugrunde, dass das (dortige) Erstgericht das von ihm selbst erlassene Versäumungsurteil mit nachfolgendem Beschluss dahin berichtigte, dass „das Versäumungsurteil im Umfang der Leistungsverpflichtung ipso iure außer Kraft tritt“ und mit deklarativem Beschluss das Zurechtbestehen von Insolvenzforderungen festgehalten wurde. Dieses Vorgehen wurde vom Obersten Gerichtshof nicht beanstandet. Insbesondere sah er weder in der Selbstbindung des Gerichts noch in Bezug auf die Grenzen der Urteilsberichtigung berücksichtigungswürdige Gründe, welche die vorgenommene Berichtigung des Versäumungsurteils hindern würden.
4.3. Da die von der Rekurswerberin begehrte Urteilsberichtigung jener entspricht, die im Verfahren zu 17 Ob 9/21d erfolgt war, unterscheidet sich der vorliegende Fall nur darin, dass das Versäumungsurteil zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen ist. Es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit dadurch Änderungen im Zusammenhang mit der vom Erstgericht angesprochenen Selbstbindung und den Grenzen der Urteilsberichtigung verbunden wären, die eine von der Entscheidung zu 17 Ob 9/21d abweichende Beurteilung zur Folge haben müssten.
4.4. Die Bindung des Gerichts an seine Entscheidung tritt gemäß § 416 Abs 2 ZPO vielmehr bereits dann ein, sobald diese mündlich verkündet bzw in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben ist. Dass die Entscheidung in weiterer Folge in Rechtskraft erwächst, führt nicht zu einer zusätzlichen Bindung des Gerichts, die einer Berichtigung im vorliegenden Fall entgegen stehen würde. Darüber hinaus wird die Berichtigung nicht durch den Eintritt der Rechtskraft begrenzt (RS0041550).
5.1. In der vom Erstgericht erwähnten Entscheidung des OLG Wien zu 7 Ra 16/07k wurde davon ausgegangen, dass das dortige Erstgericht mangels Einspruchs gegen den zuvor wirksam erlassenen Zahlungsbefehl nicht in der Lage gewesen sei, von Amts wegen auf Feststellung der geltend gemachten Forderung als Konkursforderung zu erkennen. Es sei somit aber auch kein Prüfungsprozess durchgeführt und die Vollstreckbarkeitsbestätigung zu Recht erteilt worden.
5.2. Dem schließt sich der erkennende Senat nicht an, zumal dies die von der Rekurswerberin angesprochene Folge hätte, ihr die Verfahrensteilnahme der geltend gemachten Forderung als Insolvenzforderung vorzuenthalten und insofern – trotz zuerkannter Forderung – Rechtsschutz zu verwehren. Vielmehr waren die zu 17 Ob 9/21d angestellten Überlegungen auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil die zwischenzeitig eingetretene Rechtskraft diesbezüglich keine entscheidungsrelevanten Änderungen bewirkten. Insofern war auch die vom Erstgericht vertretene analoge Anwendung der §§ 110 Abs 2 und 131 Abs 4 IO nicht aufzugreifen.
6. Es war sohin dem Rekurs Folge zu geben und dem Antrag der Klägerin entsprechend (deklarativ) festzustellen, dass die Gerichtsentscheidung nicht mehr auf Leistung, sondern auf Feststellung des Anspruchs als Insolvenzforderung lautet.
Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstands im Prüfungsprozess entspricht der bestrittenen Forderung, deren Feststellung begehrt wird (RIS Justiz RS0113703; 1 Ob 157/13i). Ein Bewertungs ausspruch ist daher nicht erforderlich (OLG Wien 5 R 22/16s).
Der ordentliche Revisionsrekurs ist iSd § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil die Frage, ob eine Berichtigung eines Versäumungsurteils trotz inzwischen eingetretener Rechtskraft erfolgen kann, bislang – soweit ersichtlich - höchstgerichtlich nicht geklärt wurde.
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