Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die Kommerzialrätin Ing. Mag. Übellacker in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Lic. Oec (HSG) B* , **, Tschechische Republik, vertreten durch die Beer Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, wegen zuletzt EUR 211.815,31 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30.7.2024, ** 96, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 4.320,42 (darin EUR 720,07 USt) bestimmte Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die C* Ltd. (nunmehr D* Ltd; in der Folge C* genannt) war eine 1997 gegründete Gesellschaft mit Sitz in ** auf der Kanalinsel **. Am 21.11.2002 erfolgte der Börsengang der C* mit Notierung an der ** Börse. Dabei wurden keine Aktien, sondern aktienvertretende Zertifikate ausgegeben, welche von der Österreichischen Kontrollbank gehaltene Namensaktien der C* vertraten.
Die E* AG (nunmehr F* AG [in der Folge E*]) war ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Sitz in **. Sie fungierte als Depotbank und war für die Platzierung der C*-Zertifikate an der ** Börse zuständig. Der Beklagte war seit den 1980er Jahren bis Ende 2007 Vorstandsvorsitzender der früheren E* AG und in der Folge deren Aufsichtsratsvorsitzender. Bei der C* hatte er keine Organfunktion. Über das Vermögen der E* wurde mit Wirkung vom 3.3.2020 das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger kaufte am 5.4.2006 9.344 C*-Zertifikate zum Kurs von EUR 15,51 um EUR 149.997,83 (inklusive EUR 5.072,39 Spesen) sowie am 1.2.2007 15.194 Stück C*-Zertifikate zum Kurs von EUR 19,70 um EUR 299.321,80.
Aufgrund eines mit der D* Ltd. abgeschlossenen Teilvergleichs erhielt der Kläger EUR 83.467,03, an Dividenden bekam er EUR 79.687,16 ausgezahlt. Am 10.2.2022 wurden alle 24.538 Zertifikate eingezogen, wobei der Kläger dafür noch EUR 74.350,14 erhielt.
Der Kläger begehrt vom Beklagten EUR 211.850,31 an Schadenersatz wegen der restlichen Investitionsverluste, die er wegen der irreführenden Werbung, der Marktmanipulationen, der Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht sowie wegen arglistiger Irreführung erlitten habe. Die unter Mitwirkung des Beklagten erstellten und diesem bekannten Werbebroschüren hätten den Eindruck vermittelt, es handle sich bei der Investition in C* um eine sichere, mit der Investition in Immobilien vergleichbare Veranlagung. Der Beklagte habe als Vorstand der E* den Kurs durch geheim gehaltene Zertifikatsrückkäufe manipuliert, indem unter seiner Mitwirkung und mit seinem Wissen von der E* mit Mitteln der C* über die Gesellschaft G* (in der Folge G*) Wertpapiere aufgekauft worden seien, die bei den Kapitalerhöhungen der C* nicht am Markt hätten platziert werden können. Dennoch seien vom Beklagten genehmigte Ad-hoc Meldungen über die volle Platzierung der Kapitalerhöhungen veröffentlicht worden. Dem Beklagten sei es darauf angekommen, Anleger durch irreführende Werbung und falsche Ad-hoc Meldungen zu Investitionen in C* zu verleiten. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte er nicht in C* investiert. Die Verjährung sei aufgrund des Privatbeteiligtenanschlusses gehemmt. Er habe keinen Vergleich mit der E* über den geltend gemachten Anspruch geschlossen und zwar weder im Zusammenhang mit der Rahmenvereinbarung noch mit der Ergänzungsvereinbarung. Ein Vergleichsanbot an die E* habe er nicht übermittelt.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandte im Wesentlichen ein, er habe keinen Einfluss auf die Tätigkeit der C* gehabt, weder durch faktische Beherrschung noch durch Machtausübung. Er sei auch für die Erstellung von Ad-hoc-Mitteilungen nicht zuständig gewesen. Überdies seien die Kapitalerhöhungen der C* nicht gescheitert. Die Platzierung eines Teils mancher Kapitalerhöhungen bei G* sei wegen der starken Nachfrage zur Deckung des bekannten Bedarfs von Kunden der H* AG (H*) erfolgt. Die E* habe zu keinem Zeitpunkt C*-Zertifikate zurückgekauft oder ein Rückkaufprogramm der C* beschlossen. Der Kläger habe mit der E* einen Vergleich über seinen Anspruch geschlossen. Entscheidend für den Vergleichsabschluss sei angesichts der Ergänzungsvereinbarung zur Rahmenvereinbarungen allein der Zeitpunkt des Einlangens einer zustimmenden Willenserklärung des Anlegers beim Klagevertreter oder bei der AdvoFin. Die Unterlassung der Information durch die AdvoFin oder des Klagevertreters stelle einen Bruch der Ergänzungsvereinbarung dar; vor dem 3.3.2020 beim Klagevertreter oder der AdvoFin abgegebene oder eingelangte Willenserklärungen zum Vergleichsabschluss seien wirksam, die Nichtweiterleitung der Willenserklärungen an die E* sei der Sphäre des Anlegers zuzurechnen, sodass ein Vergleich zustande gekommen sei. Sollte kein Vergleich zustande gekommen sein, liege in der Nichtannahme des Vergleichsanbots im Rahmen der nachgebesserten Ergänzungsvereinbarung ein Verstoß gegen die den Kläger treffende Schadensminderungspflicht. Der Anspruch sei zudem verjährt, die Privatbeteiligung im Strafverfahren unterbreche die Verjährung mangels ausreichender Individualisierung nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs angeführten und die auf den Seiten 4 bis 19 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht - zusammengefasst und soweit für das Berufungsverfahren relevant - aus: Auf Basis der Feststellungen sei es zu keinem Vergleichsabschluss zwischen dem Kläger und der E* im Rahmen der Ergänzungsvereinbarung gekommen. Es sei keine entsprechende darauf gerichtete Willenserklärung bei der E* eingelangt. Die Nichtannahme des Vergleichsanbots stelle auch keine Verletzung der Schadensminderungspflicht oder einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Der Kläger hätte durch den Vergleichsabschluss mit der E*, der den Ersatz von 75 % seines Schadens zur Folge gehabt hätte, die nunmehr gegen den in ehemaliger Organfunktion tätigen Beklagten geltend gemachten Ansprüche verloren. Die Schadenersatzansprüche seien auch nicht verjährt. Der Kläger habe sich am 23.7.2010 als Privatbeteiligter dem Strafverfahren angeschlossen. In Übereinstimmung mit der Judikatur des OGH sei damit die Unterbrechungswirkung in Bezug auf die Verjährung gegeben.
Eine Außenhaftung eines Organs einer juristischen Person komme nach dem allgemeinen Deliktsrecht in Betracht, wenn durch das Handeln des Organs auch Normen zum Schutz der Gläubiger verletzt worden seien. Die Bestimmungen des BörseG zur Ad-hoc Publizitätspflicht und zu den marktmanipulativen Handlungen seien Schutzgesetze, die auch den einzelnen Anleger davor schützen sollen, nicht auf unrichtige Informationen zu vertrauen. Die Werbebroschüren seien grob irreführend gewesen und hätten suggeriert, die investierten Gelder würden in Immobilien investiert. Tatsächlich hätten die Anleger aber Anteile an einem Unternehmen erworben, deren Preis an der Börse gebildet werde. Die Anleger seien darüber getäuscht worden, dass nicht in Immobilien mit einem grundsätzlich nachweisbaren Verkehrswert investiert worden sei, sondern das Investment den Schwankungen des Aktienmarktes unterliege. Der Beklagte habe die Irreführungseignung gekannt und gewusst, dass die Werbung für die Anlageentschlüsse der Käufer entscheidend sei. Die tatsächlichen Ad-hoc Meldungen seien unrichtig und irreführend gewesen. Feststehe, dass bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2005 50 %, bei jener im Frühjahr 2006 37,8 %, bei der im Herbst 2006 29,3 % und im Februar 2007 44 % der neu ausgegebenen Zertifikate nicht bei Drittanlegern am Markt platziert habe werden können, hingegen in den Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 mitgeteilt worden sei, dass die Kapitalerhöhungen jeweils erfolgreich abgeschlossen worden seien. Der Beklagte habe in seiner Funktion als Mitglied des Vorstands der E* die Ad-hoc Meldungen über die Kapitalerhöhungen genehmigt und habe damit im Sinne der Judikatur des OGH die Letztverantwortlichkeit für die veröffentlichten Texte übernommen. Dabei sei ihm das tatsächliche Ausmaß der Platzierungen der Kapitalerhöhungen stets bekannt gewesen; ebenso, dass die veröffentlichten Ad-hoc Meldungen unrichtig und insofern geeignet gewesen seien, Anleger in die Irre zu führen. Diese Handlungsweise sei als kausaler Tatbeitrag bei der Verletzung der nach dem BörseG vorgeschriebenen Ad-hoc Publizitätspflichten zu beurteilen; damit sei unter Hinweis auf den nach den Feststellungen gegebenen Vorsatz die Haftung des Beklagten aufgrund des § 48 BörseG zu bejahen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Feststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte bekämpft auch die Kostenentscheidung und beantragt, dem Kläger nur EUR 28.288,84 an erstinstanzlichen Verfahrenskosten zuzusprechen.
Der Kläger stellt in seiner Berufungsbeantwortung den Antrag, der Berufung sowohl in der Hauptsache als auch im Kostenpunkt nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Zur Mängelrüge:
1.1 Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte, dass er als Partei sowie die beantragte Zeugin I* nicht einvernommen worden seien. Die Aufnahme dieser Beweise wäre geeignet gewesen, in wesentlichen Punkten, insbesondere was das Wissen und die Beweggründe des Beklagten im Zusammenhang mit der Werbung und den Ad-hoc Meldungen betreffe, zu anderen Sachverhaltsfeststellungen und somit auch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu gelangen.
Das Erstgericht hat die Parteienvernehmung des Beklagten aufgrund dessen wiederholter Entschuldigung „aus gesundheitlichen Gründen“ gemäß § 279 Abs 1 ZPO in der mündlichen Verhandlung vom 25.1.2024 präkludiert, falls er zur nächsten Streitverhandlung am 15.5.2024 nicht erscheint. Der Beklagtenvertreter entschuldigte den Beklagten am 15.5.2024 neuerlich wegen Erkrankung, legte ein ärztliches Attest vom 10.5.2024 in slowakischer Sprache samt nicht beglaubigter Übersetzung sowie ein Foto zeigend einen positiven Covid 19 Schnelltest vor, wonach bestätigt werde, dass der Beklagte Kunde in der Kurkura und Suisse Medical Care sei und ihm aufgrund seines ansteckenden Gesundheitsszustandes geraten worden sei, bis 23.5.2024 in häuslicher Umgebung zu ruhen.
Wie schon in anderen Verfahren konnte auch hier der Kläger darlegen, dass der Beklagte seit seiner letzten Einvernahme am 5.8.2021 vor dem Handelsgericht Wien keinen Ladungen Folge geleistet hat und seither zu 28 Tagsatzungen in unterschiedlichen Verfahren nicht erschienen ist. Davon ausgehend und in Berücksichtigung des sowohl inhaltlich als auch zeitlich unzureichenden Entschuldigungsnachweises (Attest stammt vom 10.5.2024) begegnet die Präklusion der Parteienvernehmung des Beklagten keinen Bedenken.
1.2 Der Beklagte habe der Verlesung der Einvernahmen der Zeugin I* nicht zugestimmt. Die Vernehmung der Zeugin wäre relevant gewesen, weil aus iher Aussage sich ergeben hätte, dass die Ad-hoc Meldungen zu den Kapitalerhöhungen von Herrn J* entworfen worden seien, sie keine Informationen zu der Kapitalerhöhung vom Beklagten erhalten habe, sie verneint hätte, dass der Beklagte festgelegt hätte, zu welchen Themen Ad-hoc-Meldungen veröffentlicht werden, der Beklagte nur bei wenigen Ad-hoc Meldungen eingebunden gewesen sei und sie verneint hätte, dass im Falle einer Einbindung des Beklagten von diesem eine Rückmeldung notwendig gewesen wäre, dass die Meldung veröffentlicht werde.
Auch in Bezug auf die Vernehmung der Zeugin I* wurde eine Frist bis zur Verhandlung vom 15.5.2024 gesetzt, zu der sie nicht gekommen ist. Diese Präklusion wird vom Beklagten nicht beanstandet.
Somit konnten die Angaben dieser Zeugin in das Verfahren einfließen. Wenn das Erstgericht aufgrund zahlreichen Parallelverfahren die Rolle von I* als gerichtsbekannt berurteilt, hat es in diesem Zusammenhang auch auf die E-Mail-Korrespondenzen Beilage ./J, ./I, ./AR und ./AV und ./BV verwiesen. Daraus ersah es, dass nicht nur eine sprachliche Überprüfung des Textes von Ad-hoc Meldungen, sondern auch inhaltliche Abstimmungen mit dem Beklagten und die Einhaltung seiner Freigabe erfolgt sind.
1.3 Die behaupteten Verfahrensmängel liegen somit nicht vor.
2. Zur Beweisrüge:
2.1 Der Beklagte bekämpft die auf den Urteilsseiten 14 bis 15 angeführten Feststellungen im Zusammenhang mit der Beratung und den Gründen für die Kaufentscheidung des Klägers (sichere Veranlagung) sowie dessen Alternativveranlagung bei richtigen Ad-hoc-Mitteilungen mit der Begründung, dass die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Klägers und des Zeugen K* schon aufgrund des langen zurückliegenden Zeitraums in Frage zu stellen sei. Die Aussagen des Klägers seien auch in sich widersprüchlich; sein faktisches Verhalten zeige, dass er bereit gewesen sei, für einen höheren Ertrag ein gewisses Risiko einzugehen. Der Zeuge K* habe über die Gespräche mit dem Kläger kaum Konkretes mehr sagen können, sondern habe in erster Linie mitgeteilt, was sein Wissensstand und seine Informationen zu C* gewesen seien und was er allgemein zu Kunden gesagt haben soll.
Bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Erstgericht in diesem Zusammenhang entsprechende Negativfeststellungen treffen müssen, weil sich nicht mehr rekonstruieren lasse, was tatsächlich die Informationen und die Annahmen beim Erwerb der C*-Zertifikate gewesen seien.
Das Erstgericht hat in der Beweiswürdigung ausführlich und schlüssig begründet, wie es zu den Feststellungen gekommen ist. Dabei konnte es nicht nur auf die Ergebnisse einer Vielzahl von Entscheidungen in gleichgelagerten Anlegerfällen aufbauen, sondern sich auch auf den OeNB-Bericht und andere unbedenkliche Urkunden stützen. Wenn es dann die damit im Einklang stehenden Aussagen des Klägers und des Zeugen K* als glaubwürdig einstuft, ist das im Rahmen des dem Erstgericht durch die freie Beweiswürdigung eingeräumten Ermessensspielraums gedeckt und seitens des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
Dass eine breit gestreute Immobilieninvestition mit „guten Mietern“ verteilt auf mehrere Länder für Anleger und Berater ein sicheres Investment darstellt, ist nachvollziehbar. Wesentlich ist dabei aber, dass im Zuge der Beratungen gerade eine aus mehreren Gründen irreführende Werbebroschüre verwendet wurde, die diesen (falschen) Eindruck vermittelte. Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe nicht seine tatsächlichen, sondern bloß „an mediale Berichterstattung und Vorbereitungsgespräche mit dem Rechtsanwalt angepasste“ Erinnerungen wiedergegeben, überzeugt nicht und findet in den Verhandlungsprotokollen sowie auch in den sonstigen Akteninhalten keine Grundlage.
2.2 Der Beklagte bekämpft die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Wissen des Beklagten zum Inhalt der Werbebroschüre und dass damit bei Anlegern der falsche Eindruck der Sicherheit geweckt wurde sowie er es in Kauf nahm, dass Anleger deswegen eine Anlageentscheidung trafen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten. Er begehrt diesbezüglich entsprechende Negativfeststellungen.
Auch in diesem Punkt kann auf die ausführliche Beweiswürdigung des Erstgerichts verwiesen werden. Auch wenn es nicht auf die vom Kläger in der Berufungsbeantwortung angeführte Entscheidung des OLG Wien zu 5 R 76/24v explizit Bezug nahm, sind die Argumente zur Kenntnis des Beklagten in Bezug auf die Werbung und seinen bedingten Vorsatz, die Anleger in die Irre führen zu wollen, im Wesentlichen gleich gelagert. Die wirtschaftlichen und personellen Beziehungen, die Doppelfunktionen sowie auch die Gestaltung der Werbebroschüre selbst lassen nur den Schluss zu, dass die Werbemaßnahmen durch die E* und C* gemeinsam koordiniert wurden, was auch Punkt 3.8 des PMMA (Beilage ./S) entspricht. Zu Recht hat das Erstgericht angemerkt, dass die Annahme lebensfremd wäre, der Beklagte hätte als jahrzehntelanges Mitglied des Vorstands der E* die Werbung nicht einmal gekannt. Das Erstgericht konnte sich auch auf Urkunden stützen, die die grundsätzliche persönliche Involvierung des Beklagten in Marketingmaßnahmen untermauert haben (Beilagen ./C, ./O etc.).
Der Beklagte hält den beweiswürdigenden Bezug des Erstgerichts auf die allgemeine Lebenserfahrung insbesondere deshalb für problematisch, weil es nicht zur allgemeinen Lebenserfahrung zähle, Vorstandsmitglied einer Bank oder überhaupt einer Aktiengesellschaft zu sein. Das überzeugt schon deshalb nicht, weil die richterliche Überzeugungsbildung ganz wesentlich in der Prüfung der nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Wahrscheinlichkeit für eine Tatsachenbehauptung besteht (vgl Rechberger in Fasching/Konecny 3 § 272 ZPO Rz 19). Um die Realitätsnähe eines vorgebrachten Sachverhalts beurteilen zu können, ist es aber nicht erforderlich, jede dabei in Betracht kommende Erfahrung in eigener Person gemacht zu haben. Innere seelische Zustände (wie Kenntnisse oder Absichten), die einem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich sind, können – beruhend auf einer Wertung der Beweise – durch logische Schlussfolgerungen aus äußeren Umständen festgestellt werden (vgl RS0043196). Daher hat das Erstgericht methodisch zutreffend nach Erfahrungssätzen, die der allgemeinen Lebenserfahrung entnommen sind, aus Indizien auf den festgestellten Sachverhalt geschlossen.
Vor diesem Hintergrund kann auch die Behauptung nicht nachvollzogen werden, dass kein einziger Beweis vorliegen soll, dass der Beklagte in die Erstellung der Werbebroschüren in irgendeiner Weise involviert gewesen sei. Dem Erstgericht kann auch beigepflichtet werden, dass die Annahme, der Beklagte als Erbe der B*-Dynastie und jahrzehntelanger Vorstandsvorsitzender der E* hätte die Werbung für C* nicht einmal gekannt, insbesondere angesichts der massiven Werbung mit seinem Familiennamen und seiner Person lebensfremd ist.
2.3 Der Beklagte bekämpft weiters die Feststellungen in Bezug auf die Kapitalerhöhungen 2005 und 2006 und die damit zusammenhängenden Ad-hoc-Mitteilungen und behauptet, dass die G* als „echter“ Dritter anzusehen sei. Daher hätten die Ad-hoc-Meldungen über die vollständige Platzierung sehr wohl den Tatsachen entsprochen.
Die im Zusammenhang mit den Ad-hoc-Mitteilungen vom Erstgericht herangezogenen Urkunden zum Kenntnisstand des Beklagten und zu dessen Involvierung (Seite 22 f der Urteilsausfertigung) geben über das jeweilige Einzelereignis hinaus Aufschluss über die bei den Kapitalerhöhungen praktizierte Vorgangsweise und wurden aufgrund der hohen Anzahl gleichartiger Verfahren als gerichtsbekannt zugrunde gelegt. Die vom Erstgericht daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind zulässig und nach der dargelegten Beweislage auch überzeugend.
Zudem verknüpft der Beklagte mit seinen Ausführungen unzulässigerweise rechtliche Beurteilungsaspekte, wenn er behauptet, die Kapitalerhöhungen seien „vollständig gezeichnet“ worden. Die Ad-hoc-Meldungen waren nach den Konstatierungen des Erstgerichts unrichtig, weil der Umstand verschwiegen wurde, dass die Kapitalerhöhungen der C* nicht vollständig bei Drittanlegern platziert worden waren und die C* den Erwerb eigener Zertifikate durch die G* finanzierte. Unter Vorgriff auf die rechtliche Beurteilung ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nach der Rechtsprechung des OGH um eine veröffentlichungspflichtige Insider-Information iSd § 48a Abs 1 Z 1 iVm § 48d Abs 1 BörseG gehandelt hätte (10 Ob 86/14s).
Keinen Bedenken begegnet es auch, wenn das Erstgericht, ausgehend von den Feststellungen zum Kenntnisstand des Beklagten, in seiner Gesamtschau auf Basis der Sachkunde und Erfahrung auf das Vorliegen eines Eventualvorsatzes des Beklagten schloss. Es hat daher bei den getroffenen Feststellungen zu bleiben, die vom Beklagten in diesem Zusammenhang wiederum begehrten Negativfeststellungen stehen denen klar entgegen.
2.4 Soweit der Beklagte noch die Feststellungen betreffend die Auswirkungen anders lautender Ad-hoc-Mitteilungen auf den Kurs der C* bekämpft und Negativfeststellungen begehrt, ist er darauf zu verweisen, dass sich dies aus den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage ergibt. Wäre die richtige Information erteilt worden, dass die Nachfrage hinter dem Angebot zurückblieb, so wäre der Preis der Wertpapiere und somit der Kurs gesunken. Wie das Erstgericht zutreffend ausführte, stellt alleine die unvollständige Platzierung einer Kapitalerhöhung ein Warnsignal für Anleger dar. Das von den Beklagten (auszugsweise) vorgelegte Sachverständigengutachten Beilage ./75 steht dem nicht entgegen. Es ergibt sich daraus nicht mehr, als dass der Sachverständige den konkreten Einfluss der einzelnen Sachverhalte auf den Börsenkurs bei isolierter Betrachtung wegen der Vielzahl kursbestimmender Faktoren nicht zahlenmäßig bestimmen konnte.
Das Berufungsgericht übernimmt daher sämtliche bekämpfte Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zugrunde (§ 498 ZPO).
3. Zur Rechtsrüge:
Vorauszuschicken ist, dass das Rechtsmittelgericht die ausführliche, mit umfassenden Judikaturzitaten belegte rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zur Haftung des Beklagten teilt, sodass gemäß § 500a ZPO darauf verwiesen werden kann. Den Ausführungen in der Berufung ist ergänzend noch zu entgegnen:
3.1 Nach Ansicht des Beklagten sei ein Vergleich mit bereinigender Wirkung mit dem Kläger zustande gekommen. Gemäß dem festgelegten Annahmeprocedere sei für die Information der Anleger durch die AdvoFin die Verwendung von Musterschreiben inklusive eines Musterantragsformulars vereinbart worden, wonach Anleger für den Fall der Annahme des Angebots das Formular nur hinsichtlich der Kontoverbindung ausfüllen müssten. In diesem Schreiben sei mehrfach davon die Rede, dass die Anleger das Vergleichsanbot annehmen oder nicht annehmen können. Dies zeige deutlich, dass es nur mehr der Annahme durch den Anleger bedurft hätte. Das Fehlen von Feststellungen zum Inhalt der Musteranschreiben werde als sekundärer Feststellungsmangel gerügt.
Die AdvoFin und der Klagevertreter hätten sich vorab bereits zum Vergleichsabschluss nach den Konditionen der Ergänzungsvereinbarung verpflichtet, wenn die Anleger der verbliebenen Restgruppe die Annahme der verbesserten Konditionen gegenüber der AdvoFin/dem Klagevertreter erklären. Daher sei mit der Mitteilung des Klägers an den Klagevertreter/AdvoFin, dass er einen Vergleich abschließen möchte, ein Vergleich mit bereinigender Wirkung für dieses Verfahren zustande gekommen.
Bei diesem Berufungsvortrag übersieht der Beklagte, dass das vom Kläger unterfertigte Formular mit dem Auftrag zum Vergleichsabschluss niemals in die Sphäre (in den Machtbereich) der F* (E*) gelangt ist. Dass es sich bei der Annahme des Formulars nicht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handeln soll, behauptet der Beklagte ohnedies nicht.
Im Übrigen ist der Ergänzung zur Rahmenvereinbarung, deren Inhalt vom Erstgericht festgestellt wurde, zu entnehmen, dass der Kläger zunächst den Abschluss eines Vergleichs anbietet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, warum der Inhalt des Musteranschreibens des Klagevertreters Beilage ./66 hätte festgestellt werden sollen, zumal unstrittig der F* (E*) – unabhängig, ob man sie als Einladende zur Angebotslegung oder als Angebotslegerin ansieht – das Angebot oder die Annahme des Angebots niemals zugegangen ist. Dass der Klagevertreter nicht der Sphäre der F* (E*) zuzurechnen ist, hat das Erstgericht nachvollziehbar erklärt.
Soweit der Beklagte noch das Fehlen entsprechender Feststellungen zu den Hintergründen, die für die korrekte Interpretation der Bestimmungen der Rahmenvereinbarung/Ergänzungsvereinbarung erforderlich wären, als sekundären Verfahrensmangel rügt, ist er darauf zu verweisen, dass das Erstgericht zu diesem Thema ohnedies Feststellungen getroffen hat.
3.2 Der Beklagte stützt sich rechtlich darauf, dass das Erstgericht keine aktive Beteiligungshandlung des Beklagten an der irreführenden Werbung und daher kein Bewirken des Vertrags im Sinne des § 874 ABGB festgestellt habe. Die bloße Kenntnis vom Inhalt der Werbebroschüren könne keine Haftung des Beklagten begründen. Ein Unterlassen sei nicht relevant, weil keine Verpflichtung zu einem Tun bestanden habe.
Das Berufungsgericht hat schon in mehreren Entscheidungen die Haftung des Beklagten wegen der Unterlassung des Einschreitens gegen die irreführende Werbung bejaht (vgl insb 4 R 50/22k, 1 R 134/23t, 5 R 76/24v ua) und dabei insbesondere an der Rechtsprechung zur Haftung gesellschaftsrechtlicher Organe für Wettbewerbsverstöße in Unternehmen ihrer Kapitalgesellschaft angeknüpft. Demnach haften diese Organe nicht nur im Hinblick auf § 18 UWG, sondern nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen deliktisch nicht nur für Wettbewerbsverstöße, die sie selbst begangen haben oder an denen sie beteiligt waren, sondern auch wenn sie diese Wettbewerbsverstöße trotz Kenntnis nicht abgestellt haben (RS0079521, insbesondere [T6]; OLG Wien 5 R 128/20k).
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Demnach traf den Beklagten wegen seiner Vorstandsfunktion für die E*, die irreführende Werbeunterlagen zu vertreten hat, jedenfalls bei gegebener Kenntnis die Pflicht, der Irreführung durch diese Werbeunterlagen entgegen zu wirken. Den Beweis, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen wäre, gegen die Rechtsverletzung (durch Mitarbeiter oder andere Vorstandsmitglieder) einzuschreiten (vgl RS0079521), hat der Beklagte nicht angetreten. Weil die Unterlassung von einem entsprechenden (Eventual-)Vorsatz getragen war, haftet der Beklagte dem Kläger als geschädigten Anleger selbst deliktisch.
Auf die Frage der Ressortzuständigkeit des Beklagten kommt es nicht an. Der haftungsbegründende Vorwurf liegt nicht darin, dass er dafür zuständig gewesen wäre, für eine ordnungsgemäße Werbebroschüre zu sorgen, sondern darin, dass er nicht einschritt, nachdem er bereits positiv wusste, dass die Broschüre irreführend ist.
Es kommt auch nicht auf eine Garantenstellung an. Im konkreten Fall ist eine deliktische (Außen-)Haftung wegen eines Beitrags zu einer Schutzgesetzverletzung zu beurteilen. Auch für Handlungen, die der Emittentin zuzurechnen sind, kann ein Dritter als Beteiligter verantwortlich sein, was – nach den Grundsätzen der Zurechnung der Handlungen von Repräsentanten – die Haftung der Emmissionsbank zur Folge haben kann, ohne dass es dabei darauf ankäme, auf welcher konkreten vertraglichen Grundlage die Bank mit der Emittentin zusammengearbeitet hat (vgl 10 Ob 86/14s; RS0009173).
Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurden die Werbebroschüren von der E* gemeinsam mit der H* erstellt, mit der C* koordiniert und veröffentlicht. Auf der letzten Seite schienen Firma und Kontaktdaten der H* und der E* auf, ebenso wurde der Name des Beklagten im Text mehrfach erwähnt. Dem Beklagten waren der Inhalt und die Verwendung der Werbebroschüren bekannt. Er wusste, dass es sich bei einer Veranlagung in C*-Zertifikate um ein risikobehaftetes Investment handelte, insbesondere dass diese dem allgemeinen Kursrisiko eines Einzeltitels an der Börse unterliegen und die Möglichkeit von Kursverlusten bis hin zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals besteht.
Schon diese Mitwirkung an der Erstellung und Verbreitung der Broschüre ist ein der E* zuzurechnender Beitrag zur Irreführung von Anlegern durch die C*. Aus der Organstellung des Beklagten ergibt sich, dass seine vom Vorsatz getragene Duldung einer aktiven Beteiligung gleichzuhalten ist (vgl OLG Wien zu 5 R 76/24v).
Das Berufungsgericht hat schon in anderen Fällen aufgrund der in Punkt 3.8. PMMA ausdrücklich angeführten Zustimmungsverpflichtung der E* die Haftung des Beklagten für Anlegerschäden bejaht (vgl 33 R 127/21w; 1 R 134/23t).
Das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft haftet gemeinsam mit der juristischen Person für eine „absichtliche Schadenszufügung“ nach § 1295 Abs 2 ABGB, wenn für seine Person die erforderliche Wissens- und Willenskomponente erfüllt ist; bedingter Vorsatz genügt (OLG Wien 33 R 127/21w = RW0001014). Das Erstgericht hat die Willenskomponente jeweils mit der Formulierung ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass der Beklagte „in Kauf nahm“, Anleger würden Investitionsentscheidungen treffen, die sie bei entsprechender Information nicht getroffen hätten.
Zur Begründung der Haftung ist die Feststellung eines auf einen Schaden der Anleger durch Kursverluste gerichteten Vorsatzes nicht erforderlich (vgl OLG Wien zu 5 R 76/24v). Der Vorsatz des listig Irreführenden muss sich darauf beziehen, dass der andere Teil irrt und dass dieser Irrtum einen Einfluss auf den Willensentschluss hat (RS0014765). Der Schaden, den der Anleger durch das irrtumsbehaftet zustande gekommene Rechtsgeschäft erleidet, muss nicht vom Vorsatz umfasst sein. Im Übrigen reicht es zur Annahme eines Schadens bereits aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (RS0022537 [T12]).
3.3 In Bezug auf die Rolle der G* ist der Beklagte auf die Ausführungen zu Punkt 2.6 und auf die bezughabenden Feststellungen des Erstgerichts (insb S 7 bis 9) zu verweisen.
3.4 Normadressat der Ad-hoc-Meldepflicht ist die Emittentin (10 Ob 86/14s). Zur möglichen deliktischen Haftung Dritter ist auf obige Ausführungen zu verweisen.
Der Beklagte stimmte alle Ad-hoc-Meldungen ab und genehmigte sie. Eine solche Genehmigung qualifizierte der OGH als taugliche Beitragshandlung (10 Ob 86/14s). Dem Beklagten ist somit eine Beteiligung an der Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht vorzuwerfen.
Weil der Beklagte diese (aktiven) Beitragshandlungen in Ausübung seiner Funktion als Organ der E* setzte, sind sie dieser zuzurechnen (vgl 10 Ob 86/14s).
3.5 Entgegen der Rechtsrüge liegen auch keine sekundären Feststellungsmangel darin, dass das Erstgericht keine Feststellungen zu Vertraulichkeitsbereichen traf. Da das Wissen des Beklagten positiv feststeht, stellen sich keine Fragen der Wissenszurechnung oder des Wissenmüssens. Soweit der Beklagte in der Rechtsrüge aus dem Bestehen von Vertraulichkeitsbereichen ableiten will, dass er nicht über die entsprechenden Informationen verfügt hätte, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
4. Die Berufung ist auch im Kostenpunkt nicht erfolgreich: Es mag zwar zutreffen, dass der Zustellantrag vom 12.1.2022 (ON 47) den vormaligen Zweitbeklagten und nicht den verbliebenen (Erst-)Beklagten betraf, jedoch wurde diese Einwendung inhaltlich so (in ON 94) nicht erhoben. Es wurde lediglich behauptet, dass die korrekte Adresse bereits zuvor in der Klage hätte bekannt gegeben werden können. Eine inhaltliche Änderung der Bestreitung dieser Kostenposition ist nicht mehr möglich; sie ist auch vom Inhalt der ursprünglichen Einwendung nicht umfasst.
5. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO, jedoch waren die verzeichneten Kosten von TP 3B auf den richtigen Ansatz von EUR 1.439,10 netto und die ERV-Kosten auf EUR 2,60 (§ 23a RATG) zu reduzieren.
6. Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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