Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Nigl und Mag. Derbolav-Arztmann sowie die fachkundigen Laienrichter DI Beate Ebersdorfer und MinR Mag. Angela Weilguny in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt - Landesstelle **, **, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.9.2024, **-9, gemäß §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 ZPO in nichtöffentlicher zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend. Es genügt daher eine auf die wesentlichen Punkte beschränkte Begründung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a zweiter Satz ZPO).
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Versicherungszeiten der klagenden Partei im Zeitraum vom 1.8.2009 bis 30.4.2012 und vom 1.12.2012 bis 31.5.2024 als Schwerarbeitszeiten festzustellen,, ab.
Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Die am ** geborene Klägerin war seit Juli 2007 bis 30.4.2012 und ist seit dem 1.12.2012 bis dato als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im Landesklinikum B* im Palliativkonsiliardienst und im mobilen Palliativteam tätig). Ihre Arbeitszeit ist von 8.00 bis 16.15 Uhr. Sie ist teilzeitbeschäftigt in einem Ausmaß von 30 Wochenstunden, die sich auf gewöhnlich 4 Tage in der Woche verteilen. Sie ist verantwortlich für die Koordination des Teams und die Erstellung der Dienstpläne. Die Klägerin betreut bis zu 280 Patienten im Jahr, wovon rund 100 Personen versterben. Täglich hat die Klägerin mit 5 bis 7 Patienten Kontakt. Dieser dauert ca zwischen 40 Minuten und einer Stunde.
Je nach Bedarf wechselt ihr Arbeitsort zwischen den einzelnen Fachabteilungen und Stationen im Landesklinikum B*. Im Rahmen des mobilen Palliativteams besucht die Klägerin die zu betreuenden Patienten Zuhause oder in Pflegeheimen. Wann und wo die Klägerin tätig ist, bestimmt grundsätzlich der Bedarf an palliativer Versorgung und die dementsprechende Einteilung. Der Bedarf bzw die konkrete Anforderung an Unterstützung durch das Palliativteam geht von den Ärzten aus, von den Angehörigen selber oder den Hilfsorganisationen.
Zum Aufgabenbereich der Klägerin gehört neben der Krisenintervention, die bei der Bekanntgabe der Diagnose bzw in der Sterbephase erforderlich sind, die Begleitung der Patienten durch die Erkrankung und die Therapie. Sie ist beratend und unterstützend tätig, insbesondere in der Organisation der Hauskrankenpflege oder der Hilfsmittel, sowie bei der Linderung von Symptomen wie unter anderem Übelkeit und Erbrechen und Schmerzen. Bei Patienten, die zu Hause betreut werden, leitet die Klägerin die Angehörigen an bei der Bedienung der Schmerzpumpe und bei der Pflege der Erkrankten. Die Betreuung der Patienten beinhaltet auch unter anderem die Beratung bei ethischen Fragen, etwa in Zusammenhang mit der Beendigung von Therapien, PEG-Sonden sowie palliative Sedierung. Während der Phase der Kriseninterventionen geht es um die psychosoziale Betreuung, um die Sicherstellung der Versorgung zu Hause und um die Koordination von Hilfskräften und Ärzten.
Der Großteil der Tätigkeit der Klägerin umfasst die psychosoziale Betreuung und das führen von Gesprächen mit den Patienten und Angehörigen. Konkrete Pflegetätigkeiten am Patienten selbst fallen nur punktuell an. Die Klägerin betreut die Patienten im Schnitt über einen Zeitraum von sieben Monaten.
Die Tätigkeit der Klägerin ist aufgrund der schwierigen Lebenssituation, in der sich die Patienten befinden, sowie der hohen Sterberate, mit einer hohen psychischen Belastung verbunden.
Rechtlich führte das Erstgericht mit Hinweis auf § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV und die Rechtsprechung zusammengefasst aus, dass nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit von Menschen mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf den Tatbestand erfülle, möge sie auch oft psychisch belastend sein. Anders als bei den weiteren Tatbeständen des § 1 Abs 1 Schwerarbeitsverordnung werde bei der Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeitsverordnung auf die Intensität der psychischen Belastung abgestellt. Als Indikator für die besondere Intensität an psychischer Belastung werde der bei Durchführung der Pflege gegebene unmittelbare Kontakt mit den Patienten und deren besonders schwierige Lebenssituation (Schwerstkranke oder Schwerbehinderte) erachtet. Berufsbedingte Pflege liege nur dann vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufstätigkeit von einer dazu ausgebildeten Person unmittelbar durchgeführt werde. Die unmittelbare Pflege am Patienten müsse überwiegend erbracht werden, wobei mindestens die Hälfte der Arbeitszeit Pflege an Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand erforderlich sei.
Aus dem Verweis auf das BPGG sei ableitbar, dass unter dem Begriff der Betreuung von Pfleglingen die in § 1 Abs 1 und 2 der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz enthaltene Definition heranzuziehen sei. Nach § 1 Abs 2 Einstufungsverordnung würden als Betreuung alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen definiert, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Psychosoziale Betreuung oder Beschäftigungstherapie falle grundsätzlich nicht unter den zu berücksichtigenden Betreuungsbedarf.
Die Klägerin sei im Rahmen ihrer Tätigkeit im Palliativkonsiliardienst und im mobilen Palliativteam des Landesklinikums B* Ansprechpartnerin für Ärztinnen, Pflegepersonen und für die schwer kranken und sterbenden Menschen, sowie deren Angehörige. Der Großteil ihrer Arbeit mache die psychosoziale Betreuung der Patienten und deren Angehöriger aus. Möge diese Tätigkeit zweifellos auch psychisch belastend sein, so nehme die Klägerin konkrete, unmittelbare Pflegemaßnahmen an den Patienten nur ganz vereinzelt vor. Entsprechend der Intention des Gesetzgebers, dass nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit, mag sie auch oft psychisch belastend sein, die Voraussetzungen der Z 5 der SchwerarbeitsV erfülle, erfülle auch die Tätigkeit der Klägerin diese Voraussetzungen nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich gegen die rechtliche Subsumtion des Erstgerichts. Der Rechtsmittelwerber muss dabei von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausgehen und darlegen, warum darauf aufbauend falsche rechtliche Schlüsse gezogen wurden. Die gesetzmäßige Ausführung dieses Rechtsmittelgrundes erfordert – wie für das Revisions- (§ 506 Abs 2 ZPO) und das Rekursverfahren (§ 520 Abs 2 ZPO) ausdrücklich angeordnet – die Darlegung, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint ( A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 471 ZPO Rz 16).
Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint, insbesondere auch wenn sich die Rechtsrüge darauf beschränkt, allgemein die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen rechtlichen Beurteilung zu behaupten, ohne dies zu konkretisieren (RS0043603, insbesondere [T12]; RS0041719; vgl auch RS0043605; RS0043312). Die pauschale Behauptung, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sei unrichtig ersetzt die notwendige Auseinandersetzung mit konkreten Rechtsfragen nicht (vgl 10 Obs 237/97v; 2 Ob 96/08v; RS0043312 [T8]; RS0043603 [T4, T8, T12]). Nur wenn der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung anhand der von der Judikatur entwickelten Grundsätze ausgeführt ist, kann das Rechtsmittelgericht darauf eingehen; andernfalls ist ihm die Überprüfung der rechtlichen Beurteilung verwehrt (RS0043312; RS0041585).
Die Rechtsrüge der Berufungswerberin ist über weite Strecken plädoyerhaft, ohne auf die vom Erstgericht ausführlich und richtig dargelegte anzuwendende Rechtslage einzugehen.
2.1. Davon, dass § 1 SchwerarbeitsV auf Tätigkeiten hinzielt, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden und anders als bei den weiteren Tatbeständen des § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV (nur) bei der Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf die Intensität der psychischen Belastung abgestellt wird, geht das Erstgericht ohnedies aus. Daraus ist für die Berufungswerberin aber nichts zu gewinnen:
2.2. Zunächst ist klarzustellen, dass bei der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht auf eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit abgestellt wird, sodass Teilzeitkräfte nicht vom Anwendungsbereich dieses Tatbestands der Verordnung ausgeschlossen sind (10 ObS 23/16d). Die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin hat damit keine Auswirkungen.
Richtig ist auch, dass bei der Pflege von Schwerstkranken jedenfalls Schwerarbeit vorliegt, wenn berufsbedingte Pflege in der Hospiz- oder Palliativmedizin erbracht wird. Da diese beiden Bereiche nur beispielsweise angeführt werden, müssen auch noch andere Tätigkeiten erfasst sein, wobei nur solche in Betracht kommen, deren Belastungen mit dem besonderen Behandlungs und Pflegebedarf in der Hospiz- oder Palliativmedizin vergleichbar sind.
2.3. Um die Voraussetzung für Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zu erfüllen, muss die unmittelbare Pflege an Menschen mit besonderem Pflegebedarf zeitlich gesehen überwiegend erbracht werden oder sich das Überwiegen der im Sinn des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV qualifizierten berufsbedingten Pflege aus der Anzahl der zu pflegenden Patienten mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf in der Einrichtung (Station) ergeben (RS0131699 [T1]; RS0132681 [T1]).
Zum Erwerb von Schwerarbeitszeiten im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV ist also die überwiegende Befassung mit der unmittelbaren Pflege von Klienten erforderlich. Nach § 1 Abs 2 EinstV werden als „Betreuung“ alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen definiert, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Auch in der einen Behinderten-Fachbetreuer betreffenden Entscheidung 10 ObS 116/17g hat der OGH festgehalten, dass die unmittelbare Pflege am Patienten – zeitlich gesehen – überwiegend erbracht werden muss. Diese Ansicht wird auch im Schrifttum vertreten ( Brandstetter/Prohaska , Berufsbedingte Pflege – Schwerarbeit? ÖZPR 2016/98, 164 [165]ua).
Die Rechtsprechung geht ausgehend davon etwa dann, wenn im Einzelfall Verwaltungstätigkeiten oder Führungsaufgaben (Mitarbeitergespräche, Planungs- Organisations- und Kontrolltätigkeiten) im Vordergrund stehen oder zB nur 30 bis 50 % der Arbeit unmittelbar am Patienten erbrachte Pflegetätigkeiten umfassen, nicht vom zum Eingreifen des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV verlangten zeitlichen Überwiegen der Pflegetätigkeiten aus (10 ObS 149/12b; SSV-NF 26/86 ua). Auch psychosoziale Betreuung oder Beschäftigungstherapie fällt grundsätzlich nicht unter den zu berücksichtigenden Betreuungsbedarf (RS0132681).
2.4. In der Entscheidung 10 ObS 36/19w wurde klargestellt, dass nach der Intention des Verordnungsgebers bei der Beurteilung von Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf Regelungen des BPGG zurückgegriffen werden kann. Soweit die Berufungswerberin ausführt, dass § 4 der EinstV zum BPGG Anleitung, Beaufsichtgung und Motivation der Betreuung und Hilfe gleichsetze, ist aber darauf zu verweisen, dass es sich bei Gesprächen, die lediglich der psychischen Stabilisierung des Betroffenen, nicht jedoch (auch) der Motivation zur selbstständigen Durchführung von in §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen dienen, nicht um Motivationsgespräche iSd § 4 Abs 2 EinstV handelt (RS0114140 [T3]).
Warum davon auszugehen sein soll, dass „auch die von der klagenden Partei durchzuführende Krisenintervention und die damit verbundene Motivation einen Pflege und Betreuungsaufwand darstellt, der auch unmittelbar am Patienten erbracht wird“ legt die Berufung nicht schlüssig dar. Wie dargestellt wird vielmehr auf die unmittelbare Pflege an Menschen mit besonderem Pflegebedarf abgestellt. Nach dem unbekämpften Sachverhalt fallen konkrete Pflegetätigkeiten am Patienten selbst bei der Tätigkeit der Klägerin nur punktuell an.
Ausgehend davon begegnet dessen rechtliche Beurteilung keinen Bedenken.
Es ist nicht Sache der Rechtsprechung, eine in der Praxis allenfalls als unbefriedigend empfundene Regelung des Gesetz- bzw Verordnungsgebers zu korrigieren oder im Wege der Rechtsfortbildung Gedanken in Regelungen zu tragen, die darin nicht enthalten sind (vgl RS0008880; 10 Obs 23/16d; OLG Wien 7 Rs 45/24z ua).
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG kommt schon deshalb nicht in Frage, weil Billigkeitsgründe weder behauptet wurden noch aus dem Akt ersichtlich sind.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil vorliegend eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung stand.
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