Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, die Richter Mag. Oberbauer und Mag. Marchel sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Natascha Baumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Schnaitt (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* B* , geboren am **, **, vertreten durch Celar Senoner Weber Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , **, vertreten durch Mag. Maximilian Lissa ua, ebendort, wegen Feststellung und Hinterbliebenenleistung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 7.10.2024, GZ ** 15, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 15.5.2024 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses des C* B* vom 2.11.2023 als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem wesentlichen Vorbringen, die Klägerin sei die Witwe des C* B*. Dieser sei als Spediteur beschäftigt gewesen und habe beim Heben eines unerwartet schweren Möbelstückes - sohin bei seiner Arbeit - einen Kollaps mit Herzstillstand erlitten und sei verstorben.
Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren und beantragt Klagsabweisung. Sie wendet im Wesentlichen ein, das Unfallereignis sei nicht im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, sondern auf einen Anlageschaden zurückzuführen gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klagebegehren,
1. es werde festgestellt, dass der Tod des C* B* Folge eines Arbeitsunfalls vom 2.11.2023 sei;
2. die Beklagte sei schuldig, der Klägerin aufgrund des Vorfalls vom 2.11.2023 Hinterbliebenenleistungen im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab.
Es legte seiner Entscheidung im Wesentlichen nachstehenden Sachverhalt zugrunde, wobei der von der Berufungswerberin bekämpfte durch Fettdruck hervorgehoben ist:
Die Klägerin ist die Witwe des am ** geborenen C* B*. Der als Spediteur beschäftigte C* B* erlitt am 2.11.2023 beim Heben eines Möbelstücks einen Herzstillstand und verstarb. Der Verstorbene litt an Hypertonie, Hyperlipidämie und Nikotinabusus. Der Tod wurde durch Herzdilatation bei Global Herzhypertrophie verursacht. Zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 2.11.2023 bestand eine strukturelle Schädigung des Herzens, es kam nicht zu einer akuten Erkrankung, wie etwa einem Herzinfarkt. In seinem solchen Fall kann ohne jegliche Belastung, also auch bei Stress oder Aufregung, oder bei alltäglichen Belastungen wie schweres Heben beim Einkaufen, das tödliche Ereignis ausgelöst werden. Es war gleich wahrscheinlich, dass die Belastung im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit zu dem akuten Herzversagen führen würde, wie eine beliebige alltägliche Belastung.
Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst, zwar reiche es im sozialgerichtlichen Verfahren betreffend eines Arbeitsunfalls aus, dass auch dann, wenn andere Ursachen in Betracht kämen, nur festgestellt werden müsse, dass die Körperschädigung eine typische Folge eines als Unfall zu wertenden Ereignisses sei, das im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung gestanden sei. Das Ereignis am 2.11.2023 habe jedoch nach den Feststellungen nicht ursächlich mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung in Zusammenhang gebracht werden können, sondern es sei auf die Vorerkrankung des verstorbenen Mannes der Klägerin zurückzuführen. In Ermangelung eines Unfallereignisses im Sinne des § 175 ASVG bestehe auch kein Anspruch auf daraus resultierender Hinterbliebenenleistung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Anfechtungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
1. In ihrer Beweisrüge wendet sich die Klägerin gegen die bei Wiedergabe des Sachverhalts durch Fettdruck hervorgehobene Feststellung und begehrt nachstehende Ersatzfeststellung:
„Durch das Heben eines für den Verstorbenen C* B* zu schweren Möbelstücks und die solcherart traumatische Belastung wurde eine Herzdilatation bei Global Herzhypertrohpie verursacht, woran C* B* verstarb. Die Belastung durch das Möbelstück war jedenfalls eine durch seine Arbeitstätigkeit gegebene außergewöhnliche Belastung, mit welcher er in der Freizeit nicht konfrontiert gewesen wäre.“
Zwar seien aus den Befunden Vorschäden ersichtlich, unstrittig sei jedoch der Tod durch das Heben eines schweren Möbelstückes und das dadurch verursachte Herzversagen eingetreten. Demgemäß sei das Belastungstrauma durch das Heben der schweren Last kausal für die tödliche Verletzung gewesen.
Um die Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, muss der Berufungswerber nach ständiger Rechtsprechung angeben, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen gewesen wäre (RS0041835; Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 471 ZPO Rz 15 mwN).
Letzteres ist der Beweisrüge jedoch nicht zu entnehmen, vielmehr stehen die Ausführungen des Sachverständigen Prim.Dr. D* den begehrten Feststellungen entgegen. Dieser führte in seinem Gutachten ON 5 aus, es habe am 2.11.2023 keine außergewöhnliche körperliche Belastung stattgefunden. Der Tod könne nicht auf eine in diesem Zusammenhang (gemeint das Heben eines schweren Möbelstückes) stehende Belastung zurückgeführt werden (ON 5, 3).
Da es schon an Beweisergebnissen für die begehrte Ersatzfeststellung mangelt, kommt der Beweisrüge keine Berechtigung zu.
Im Übrigen ist es unstrittig, dass der Mann der Klägerin an einer Herzdilatation verstarb, und das Erstgericht traf - wenn auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - die Feststellung (RS0043534), dass das Ereignis am 2.11.2023 nicht ursächlich mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung im Zusammenhang gebracht werden kann (UA Seite 4).
Das Berufungsgericht übernimmt sohin die Feststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 ZPO).
2. In ihrer Rechtsrüge führt die Klägerin aus, für die Beurteilung der Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung vorgelegen habe, komme es nicht darauf an, ob jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis dieselbe Schädigung hätte herbeiführen können, sondern vielmehr, ob es zumindest gleich wahrscheinlich sei, dass ein solches Ereignis in naher Zukunft tatsächlich vorgekommen wäre und dieselbe Schädigung ausgelöst hätte. Dies sei für den konkreten Fall nicht festgestellt worden. Auch in der Entscheidung 7 Ob 113/19x sei zur Kausalität eines Arbeitsunfalls festgehalten worden, dass der (dort gegebene) Sturz der Klägerin anlässlich des Aussteigens aus dem Transferbus Ursache der Dissektion der Arterie carotis interna links und des nachfolgenden Infarkts und somit trotz Vorschädigungen zwischen dem Unfallereignis, der Gesundheitsschädigung und dem für den Leistungsanspruch relevanten Gesundheitsschaden ein adäquater Kausalzusammenhang zu bejahen sei. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, da der Mann der Klägerin zwar vorgeschädigt gewesen sei, dennoch die Belastung durch das Heben eines Möbelstücks ausschlaggebend für die letztlich tödliche Gesundheitsschädigung gewesen sei.
2.1. Wirkt am Eintritt des Gesundheitsschadens oder Todes des Versicherten neben der Ursache aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung auch eine Vorerkrankung (Vorschädigung) mit, so wird in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Körperschaden (Tod) nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nur dann der Unfallversicherung zugerechnet, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre (RS0084308; Rudolf Müller in Der SV-Komm, Vor §§ 174-177 ASVG Rz 49 f). Als nicht wesentlich wird eine Bedingung angesehen, wenn die Schädigung durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß hätte ausgelöst werden können (vgl RS0084318; RS0084345; Rudolf Müller , aaO). Alltäglich sind die Belastungen, die altersentsprechend üblicherweise mit gewisser Regelmäßigkeit im Leben, wenn auch nicht jeden Tag auftreten, wie etwa ein normales oder beschleunigtes Gehen, Treppensteigen, Bücken, leichtes bis mittelschweres Heben (zB eines Koffers, einer Bierkiste, einer Mineralwasserkiste udgl) oder ähnliche Kraftanstrengungen (RS0084318).
2.2. Nach den (allein relevanten [ Kodek aaO § 471 ZPO Rz 16 mzN]) Feststellungen bestand zum Zeitpunkt des Ereignisses eine strukturelle Schädigung des Herzens des Mannes der Klägerin. In einem solchen Fall kann ohne jegliche Belastung, also auch bei Stress oder Aufregung, oder bei alltäglichen Belastungen wie schweres Heben beim Einkaufen, das tödliche Ereignis ausgelöst werden. Es war gleich wahrscheinlich, dass die Belastung im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit zu dem akuten Herzversagen führen würde wie eine beliebige alltägliche Belastung (UA Seite 3).
Damit war die berufliche Tätigkeit des Mannes der Klägerin (das Heben von einem Möbelstück als Spediteur) für den Eintritt des Herzstillstandes nur eine Gelegenheitsursache, die keine Leistungspflicht der Beklagten als Unfallversicherer auslöst (RS0084345; vgl Tarmann Prentner in Sonntag , ASVG 15 § 175 ASVG Rz 5).
2.3. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung 7 Ob 113/19x betraf die Klausel in einem privaten Unfallversicherungsvertrag und ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 ASVG vorlag, nicht relevant. Auch die von der Klägerin zitierten Entscheidungen 7 Ob 103/15w sowie 7 Ob 32/17g beschäftigen sich mit Ansprüchen gegenüber einer privaten Unfallversicherung (Tod nach einem Wespenstich bzw in Zuge des Bergsteigens) und sind zur Beantwortung der Frage, ob es sich in dieser Sozialrechtssache um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 175 ASVG handelte, ebenfalls nicht geeignet.
Der unberechtigten Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.
3. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG wurden in der Berufung nicht vorgebracht und sind aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen. Die Klägerin hat daher die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
4. Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG nicht zulässig.
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