Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Widerspruchs gegen die Marke AT310495 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Patentamts vom 18.11.2022, WM 17/2021-9, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Im Widerspruchsverfahren stehen einander – soweit im Rekursverfahren relevant – folgende Marken gegenüber:
Die Antragstellerin stützt sich auf folgende älteren UnionsMarken: 011452851 LCW (Wortbildmarke), angemeldet am 24.12.2012; 000833269 LCW (Wortmarke), angemeldet am 7.5.1998; 009080144 LC WAIKIKI (Wortbildmarke), angemeldet am 5.5.2010; 013876479 LC WAIKIKI (Wortbildmarke), angemeldet am 25.3.2015.
Die Antragsgegnerin wendete die Nichtbenutzung der älteren Marken 011452851, 009080144 und 000833269 ein. Dem folgend ging das Patentamt davon aus, dass der Widerspruch nach § 29 b Abs 3 MSchG nicht auf diese drei Marken gestützt werden kann. Im Verfahren stehen einander nur mehr die oben dargestellten Marken gegenüber.
Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, die Marken seien einander verwechselbar ähnlich, da die Zeichenfolge „LC“ der älteren Marke in die jüngere Marke „LC Home“ aufgenommen worden sei. Die zusätzliche Zeichenfolge „Home“ sei für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen beschreibend und könne die Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke nicht beseitigen. Die Bildbestandteile der älteren Marke würden keine vom Wortbestandteil wegführende Bedeutung aufweisen, sondern hätten nur eine minimale dekorative Funktion. Insgesamt werde der irrige Eindruck erweckt, dass es sich bei den zu vergleichenden Marken um dasselbe Zeichen und um Waren und Dienstleistungen aus demselben Unternehmen handle. Darüber hinaus liege Ähnlichkeit oder Identität hinsichtlich aller angegriffenen Waren und Dienstleistungen vor. Diese seien nicht gegensätzlicher Natur und würden einander sowohl nach Herkunft, stofflicher Beschaffenheit und Zusammensetzung, Verwendungszweck oder Abnehmerkreis sowie Fabrikations- und Verkaufsstätte so nahe stehen, dass die beteiligten Verkehrskreise annehmen könnten, sie stammten angesichts ihrer identen oder gleichartigen Zweckbestimmung vom selben Betrieb.
Die Antragsgegnerin brachte im Wesentlichen vor, zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Vor allem zwischen den Zeichenbestandteilen „Home“ und „WAIKIKI“ bestehe keine begriffliche Ähnlichkeit. Der Bestandteil „LC“ trete bei der jüngeren Marke in den Hintergrund. Die Waren in der Klasse 16 würden einander gewissermaßen ähneln oder sich überschneiden, sonst seien die relevanten Waren und Dienstleistungen durchgreifend verschieden. Es handle sich um andere Produktgruppen, und die Waren würden unterschiedlichen Zwecken dienen oder unterschiedliche Anbieter und Nachfrager betreffen.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch teilweise Folge und hob die Registrierung der angegriffenen Marke in Bezug auf die Waren der Klasse 20, Möbel, Tische [Möbel]; Stühle, Stühle für Wohnräume; Hocker; Esszimmerstühle; Barhocker [Möbel]; Couchtische; Nachttische; Polstermöbel; Polstersessel; Konsolentische; Sitzbänke; Sofas; zweisitzige Sofas; Loungemöbel; Sitzmöbel und Clubsessel; und die Dienstleistungen der Klasse 35, Einzelhandels-, Großhandels-, Versandhandels- und Internethandelsdienstleistungen mit Möbeln, Stühlen, Tischen, Sitzmöbeln und Sofas auf (siehe Unterstreichung in der Tabelle oben).
Die Waren Leder und Lederimitationen, Häute und Felle; Tierhäute, Lederimitationen und festes Leder der Klasse 18 der älteren Marke würden sich mit den genannten Waren der Klasse 20, für die die jüngere Marke stehe, überschneiden. Leder und Felle seien gelegentlich ein Teil der genannten Möbelstücke oder würden zu diesen in einem Ergänzungsverhältnis stehen. Auch die Vertriebswege (zB Möbelhäuser) könnten sich decken, etwa im Bezug auf Felle. In der Klasse 35 würden sich Einzelhandels-, Großhandels-, Versandhandels- und Internethandelsdienstleistungen mit Möbeln, Stühlen, Tischen, Sitzmöbeln und Sofas der jüngeren Marke mit den Dienstleistungen der älteren Marke Zusammenstellung von Leder und Lederimitationen, Häuten und Fellen, Lederimitationen, festem Leder für Dritte, um dem Verbraucher die bequeme Ansicht und den Kauf der Waren zu ermöglichen; alle genannten Dienstleistungen können bereitgestellt werden von Einzelhandelsgeschäften, Großhandelsgeschäften, durch Versandhandelskataloge oder über elektronische Medien, beispielsweise über Websites oder Fernseheinkaufsprogramme, überschneiden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Widerspruch zur Gänze abzuweisen.
Die Antragstellerin beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus dem selben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (stRSpr, etwa EuGH C-39/97, Canon Rz 29, 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ; RS0078978).
Für den Begriff der Verwechslungsgefahr gilt unionsweit ein einheitlicher Maßstab. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der ständigen der Rechtsprechung in Österreich ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die fraglichen Marken jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind und die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren und Dienstleistungen entscheidend ist (RS0117324; RS0121482; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft sowie Bekanntheitsgrad auf dem Markt und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen, Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (17 Ob 18/11p, Junkerschinken; RS0121500; RS0121482; RS0116295). Die Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Warenidentität und hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (17 Ob 36/08f; Cobra ).
Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf dem Registerstand abzustellen, als abstrakt zu prüfen. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage (RW0000786).
Zur Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Zeichen :
Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RS0117324). Zwar tritt in der Regel bei einem aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Zeichen zumindest ein Wort beherrschend hervor (RS0066779 [T12]). Für den Ähnlichkeitsvergleich sind aber die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten, und es dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt. Dabei können auch nicht schützbare oder „schwache“ Zeichenbestandteile im Einzelfall in Verbindung mit anderen Elementen den Gesamteindruck eines Zeichens beeinflussen. Dass charakteristische Merkmal eines Zeichens liegt grundsätzlich aber nicht auf einem nicht schützbaren oder nur schwachen Zeichenbestandteil; die Aufmerksamkeit des Käufers wird in solchen Fällen zwangsläufig auf die übrigen Zeichenelemente gelenkt werden (RS0066753 [insb. T4, T7]). Nicht schützbare oder schwache Teile tragen im Allgemeinen so wenig zum Gesamteindruck des Zeichens bei, dass schon relativ geringe Abweichungen in den restlichen Bestandteilen in der Regel ausreichen, um die Gefahr von Verwechslungen zu beseitigen (vgl RS0066749; 4 Ob 183/22y, ZARA HOME – AZRA HOME).
Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es Unterscheidungskräfte ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779).
Ähnlichkeiten am Wortanfang haben besonderes Gewicht (17 Ob 4/07y mwN). Stehen einander zwei Fantasiebezeichnungen gegenüber, die in dem am Wortanfang stehenden und den Gesamteindruck prägenden Zeichenbestandteil übereinstimmen, ist die Verwechslungsgefahr regelmäßig zu bejahen (RS0117609). Die Verwechslungsgefahr ist um so größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt (C-39/97, Canon Rz 18).
Nach den dargelegten Grundsätzen besteht eine Ähnlichkeit zwischen den Marken, die geeignet ist, zu einer Verwechslung beizutragen. Beide Marken beginnen mit der Fantasiebezeichnung „LC“, die bei der älteren Wortbildmarke mit „WAIKIKI“ und bei der jüngeren Wortmarke mit „Home“ kombiniert wird. In der älteren Marke weist der Wortbestandteil „WAIKIKI“ keinen erkennbaren Bezug zu den hinter der Marke stehenden Waren und Dienstleistungen auf. Er verfügt über eine gewisse Kennzeichnungskraft. Trotzdem tritt der am Anfang stehende Wortbestandteil „LC“ in den Vordergrund. „LC“ tritt auch bei der jüngeren Marke optisch und klanglich in den Vordergrund; der beschreibende Zusatz „Home“ verfügt über keine Kennzeichnungskraft. Die dominanten Markenbestandteile stimmen überein und stehen beide zu Beginn des Zeichens.
Zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen :
Waren werden insbesondere dann als vom selben Hersteller stammend angesehen werden, wenn die Waren aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise der selben Warengattung angehören und als Bestandteil eines allgemeinen Sortiments dieser Erzeugnisse angesehen werden können, die möglicherweise die selbe betriebliche Herkunft haben. Dabei ist die nahe Verwandtschaft von Waren nach ihrer Zweckbestimmung für die Ähnlichkeit wesentlicher, als die Verschiedenheit der stofflichen Zusammensetzung ( Schumacher aaO Rz 439f mwN). Auch dass Waren häufig an den selben spezialisierten Verkaufsstätten abgesetzt werden, kann eine Ähnlichkeit begründen (vgl Schumacher aaO Rz 453).
Dienstleistungen werden die angesprochenen Verkehrskreise nach der Rechtsprechung als zusammengehörig betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht, wenn die Dienstleistungen nicht völlig gegensätzlicher Natur sind und sich in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Verrichtung eng berühren. Gehören mit ähnlichen Zeichen gekennzeichnete Dienstleistungen zu einem gemeinsamen Geschäftsbereich, besteht eine enge Verbindung beim Verwendungszweck, und die fraglichen Dienstleistungen haben ergänzenden Charakter. Daraus ist dann zu schließen, dass sie ähnlich sind ( Schumacher aaO Rz 455 mwN).
Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist nach den selben Grundsätzen zu beurteilen ( Schumacher aaO Rz 456).
Da die Zeichen der Parteien eine bedeutende Ähnlichkeit aufweisen und sich nur in den nicht dominanten Bestandteilen unterscheiden, werden die angesprochenen Verkehrskreise nach den dargelegten Grundsätzen folgende Waren und Dienstleistungen der Inhaberin der älteren Marke zuordnen, sodass Verwechslungsgefahr gegeben ist:
Die ältere Marke ist für Waren der Klasse 18, ua Leder und Lederimitationen, Häute und Felle; Tierhäute, Lederimitationen, festes Leder; Waren aus Leder, Lederimitationen oder synthetische Materialien, eingetragen.
Die jüngere Marke steht ua für Waren der Klasse 20, Möbel, Tische [Möbel], Stühle, Stühle für Wohnräume, Hocker, Esszimmerstühle, Barhocker [Möbel], Couchtische, Nachttische, Polstermöbel, Polstersessel, Konsolentische, Sitzbänke, Sofas, zweisitzige Sofas, Loungemöbel, Sitzmöbel und Clubsessel. Derartige Möbel werden häufig aus Leder/Fellen oder entsprechenden Imitaten hergestellt oder zumindest versehen.
Zwischen den Waren liegt insofern eine funktionale Komplementarität vor (vgl Schumacher aaO Rz 449 mwN, vgl EuG T-169/03, bestätigt durch C-214/05 P, SISSI ROSSI ). Der durchschnittliche Käufer wird annehmen, dass Möbel, die grundsätzlich häufig mit Leder, Fellen oder entsprechenden Imitaten in Verbindung gebracht werden, von jenem Unternehmen stammen, das unter einem ähnlichen Zeichen Leder, Häute, Felle und entsprechende Imitationen anbietet.
Unter der älteren Marke werden ua die Dienstleistungen der Klasse 35, Zusammenstellung von Leder und Lederimitationen, Häuten und Fellen, Lederimitationen, festem Leder, um dem Verbraucher die bequeme Ansicht und den Kauf der Waren zu ermöglichen, angeboten.
Die unter der jüngeren Marke ua angebotenen Dienstleistungen der Klasse 35, Einzelhandels-, Großhandels-, Versandhandels- und Internethandelsdienstleistungen mit Möbeln, Stühlen, Tischen, Sitzmöbeln und Sofas gehören angesichts der oben dargestellten Ähnlichkeit der von diesen Dienstleistungen betroffenen Waren mit den Waren, die hinter den Dienstleistungen der älteren Marke stehen, einem gemeinsamen Geschäftsbereich an. Der durchschnittliche Kunde wird annehmen, dass ein Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich der Präsentation von Leder, Fellen und entsprechenden Imitationsprodukten erbringt, auch die unter einem ähnlichen Zeichen angebotenen Dienstleistungen im Bereich des Handels mit Möbeln anbietet, die häufig mit Leder, Fellen und entsprechenden Imitaten in Verbindung gebracht werden.
Da die Entscheidung keine Rechtsfrage in der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (vgl RS0111880; RS0066779), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der wie hier rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes in Wirtschaftsleben gegeben.
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