Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die fachkundige Laienrichterin Mag. Thoma-Fried in der Markenrechtssache der Antragstellerin H***** , vertreten durch die Schwarz Partner Patentanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegnerin M***** , vertreten durch die Polak Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unwirksamerklärung der internationalen Marke IR 998676 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 14.9.2020, Nm 13/2020 4, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die Kosten der Berufungsbeantwortung von EUR 1.539,30 binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Der Löschungsantrag wurde zuerst an die im Markenregister ersichtliche Adresse der Antragsgegnerin und Markeninhaberin „F***** 25–27, 20095 Hamburg“ versuchsweise zugestellt. Recherchen der Nichtigkeitsabteilung sowie der Umstand, dass die Markeninhaberin gegenüber der WIPO am 22.4.2020 ihre neue Anschrift mit „A***** 11“ in Hamburg angab, führten dazu, dass der Antrag mit internationalem Rückschein an diese Adresse zugestellt wurde. Der mit einer Paraphe „Q Su“ und mit einem Stempelaufdruck „26.06.20“ versehene Rückschein langte wieder zum Patentamt zurück.
2. Mit dem nun angefochtenen Beschluss wurde die Marke IR 989676 mit Wirksamkeit von 24.2.2020 für das Gebiet der Republik Österreich für unwirksam erklärt und die Antragsgegnerin zum Kostenersatz verpflichtet. Für die Zustellung dieser Entscheidung liegt ein internationaler Rückschein mit dem Datumsstempel „17.09.20“ und einer unleserlichen Paraphe vor.
3. Die Antragsgegnerin, nun anwaltlich vertreten, richtete gegen diesen Beschluss einen Wiedereinsetzungsantrag sowie in eventu eine Berufung. Die dafür vorgesehenen Fristen wurden gewahrt.
4. Die Nichtigkeitsabteilung wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab; diese Entscheidung blieb unbekämpft.
5. Nun ist über die eventualiter erhobene Berufung zu entscheiden, mit der die Antragsgegnerin ihr Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag auch zum Inhalt ihrer Berufung macht.
Die Antragstellerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
6. Die Berufung ist nicht berechtigt.
6.1. Die Antragsgegnerin trägt in ihrer Rechtsmittelschrift vor, es liege keine Säumnis vor. Der ursprüngliche Löschungsantrag sei ihr nicht zugestellt worden, denn die Adresse „A***** 11“ sei nicht die Geschäftsadresse der Antragsgegnerin, sondern dort habe ein Steuerberatungsunternehmen seinen Sitz, dessen sich die Antragsgegnerin zur Entgegennahme von Poststücken als Gehilfin bediene. Von den dort beschäftigten Personen seien nur drei berechtigt, Schriftstücke entgegenzunehmen. Keine dieser drei Personen habe das relevante Schriftstück entgegengenommen. Die auf dem Rückschein angebrachte Paraphe sei keiner der Antragsgegnerin bekannten Person und auch keiner beim Steuerberatungsunternehmen tätigen Person zuzuordnen.
6.2. Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
Dass sich die Antragsgegnerin jenes – in der Rechtsmittelschrift genannten – dritten Unternehmens bedient, um Schriftstücke entgegenzunehmen, hat sie weder der WIPO noch dem Patentamt gegenüber mitgeteilt. Die Tatsache also, dass einem dritten Unternehmen ein Schriftstück nicht zugekommen ist, das gar nicht an dieses Unternehmen gerichtet war, entwickelt somit für die hier zu beurteilende Frage der Zustellung keine Wirkung. Wer somit innerhalb dieses Unternehmens berechtigt (gewesen) wäre, Schriftstücke entgegenzunehmen, ist unerheblich.
Der Vollständigkeit halber ist auch anzumerken, dass die Antragsgegnerin im Register eine vertretungsberechtigte Person mit Aufenthaltsort in Moskau bekanntgegeben hat. Dieser Umstand kann aber auf sich beruhen, weil sich die Antragsgegnerin in ihrer Rechtsmittelschrift darauf nicht bezieht.
Der Vortrag in der Rechtsmittelschrift ist auch deswegen nicht geeignet, Zweifel an der Zustellung zu wecken, weil die Antragsgegnerin zwar vorträgt, an der Adresse „A***** 11“ keinen Geschäftssitz zu haben, aber nicht bekanntgibt, wo dieser Geschäftssitz statt dessen wäre. Dieses Vorbringen widerspricht auch dem Registerstand, wonach die Antragsgegnerin noch im April 2020 diese Adresse als ihren Sitz ausdrücklich bekannt gegeben hat. Überdies hat schon die Nichtigkeitsabteilung plausibel darauf hingewiesen, dass die Behauptung, die Antragsgegnerin habe an dieser Adresse nicht ihren Sitz, mit Skepsis zu beurteilen ist, weil sie selbst ein Schreiben des Steuerberatungsunternehmens an sich (die Antragsgegnerin) vorgelegt hat, in dem diese Adresse sehr wohl verwendet wird (./5). Hinzu kommt, dass der Vertreter der Antragsgegnerin diese Adresse auch im Rubrum der Rechtsmittelschrift verwendet.
Wegen dieser Ungereimtheiten sowie mit Blick auf die Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Ergebnis nur vorträgt, ein Unternehmen, das gar nicht Adressat des relevanten Schreibens war, habe dieses Schreiben nicht bekommen, bedarf die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung keiner Korrektur.
6.3. Der Vortrag in der Berufung, die in § 39 Abs 3 MSchG angeordnete Säumnisfolge trete nicht ein, wenn weder die Antragsgegnerin oder noch eine zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigte Person in Österreich einen Sitz habe, trifft nicht zu. Eine solche Regelung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, und es gibt dazu – entgegen der Behauptung in der Berufung – auch keine „höchstgerichtliche Rechtsprechung“.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und 50 sowie den entsprechenden Verweisungsnormen im MSchG und im PatG. Der Ansatz beim Streitwert von EUR 43.200 beträgt nur EUR 1.024,80. Da die Leistung des Vertreters der Antragstellerin nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegt (Sitz des Antragstellers im Ausland) war keine Umsatzsteuer zuzusprechen (vgl Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 3.36).
8. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 3 und 502 Abs 1 ZPO iVm § 141 Abs 2 MSchG. Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO waren nicht zu beantworten.
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