Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Patentanmeldung A 210/2016 über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 17.3.2017, 1A A 210/2016 3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Der Antragsteller beantragte unter dem Titel „[...] Antischnarchballon“ die Erteilung eines Patents. Die Anmeldung enthielt keine (Patent )Ansprüche, sondern nur eine Beschreibung und einen Testbericht; der Beschreibung ist Folgendes zu entnehmen:
„ Training mit dem Ballon :
Der speziell entwickelte Ballon ermöglicht eine optimale Stimulation der gesamten Rachenraummuskulatur sowie der Atemmuskulatur und Beckenbodenmuskulatur. Das Material des Ballons gibt je nachdem, wie stark man hineinbläst einen Widerstand von 0,1 bar bis 1,2 bar, so wird jeder Bereich bestmöglich trainiert. Der Kernpunkt ist, dass der Ballon ansteigend stärker wird, umso mehr Luft hineingeblasen wird. Da alle Muskeln auf Dauer starke Reize brauchen, um optimal trainiert werden zu können, wurden drei Stufen entwickelt, wie bei einer Ampel, grün, orange und rot. Das System beginnt bei Grün und endet bei Rot. Jeder Ballon muss jeweils zwei Wochen nach Anleitung gebraucht werden, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Die Ballone haben eine eigenwillige Form und bleiben in der Elastizität und in der Trainingsnorm in der Dauer von zwei Wochen erhalten.
Funktion Schnarchen !
Durch den aerostatischen Druck wird das Gaumensegel stabilisiert, wodurch der Rachenraum oberhalb des weichen Gaumens offen gehalten wird. Das verhindert das lästige Schnarchgeräusch und beugt möglichen Atemaussetzern, der sogenannten Schlafapnoe vor. Schnarchen kann verschiedene Ursachen haben. Menschen, deren Nasenscheidewand schief ist, die Nasenpolypen oder eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung haben, an Asthma oder an einer Allergie leiden, werden die Ballone nicht helfen. Auch bei starkem Übergewicht, das einen Zwerchfellhochstand und dadurch Schnarchen verursacht, wird das Gerät nur eine kleine Linderung bringen. Ist aber das Gaumensegel, Zäpfchen das Problem, beispielsweise die Rachenmuskulatur zu schwach, dann werden sie begeistert sein. Der Ballon trainiert alle nur erdenklichen Muskeln der Rachenraummuskulatur und stabilisiert somit das Gaumensegel, beziehungsweise Zäpfchen der Rachenraummuskulatur.
Kurze Atempausen im Schlaf von weniger als 10 Sekunden und seltener als 5-mal pro Stunde kommen bei vielen Menschen vor und gelten noch nicht als krankhaft. Bemerkt der Partner aber, dass die Atemaussetzer sich häufen, wird der Betroffene durch die eigenen Grunzlaute wach, ist Vorsicht geboten. Denn während das Schnarchen lästig für die häusliche Harmonie ist, führt Schlafapnoe zu gesundheitlichen Schäden. Es kommt während des Schlafens zur Unterbrechung des Luftstroms in der Lunge und so zu einem Sauerstoffmangel im Körper. Durch den Sauerstoffmangel erschreckt der Körper und wacht auf. Der Adrenalinspiegel im Blut steigt, somit auch der Blutdruck und macht außerdem die Gefäße brüchig. Somit steigt in Verbindung mit hohem Blutdruck und brüchigen Gefäßen die Herz- und Schlaganfallgefahr. Daher sollte jeder der schnarcht auch im Anfangsstadium ein Training mit dem Ballon der eigenen Gesundheit zuliebe vornehmen.“
In insgesamt zwei Vorbescheiden teilte die Technische Abteilung dem Antragsteller mit, dass in einer Patentanmeldung alle relevanten technischen Merkmale des Anmeldungsgegenstands schriftlich darzulegen seien, dass die beiliegenden Musterballons allfällige fehlende Detailangaben nicht ersetzen können und zudem über die Druckschrift EP 0 908 197 A1 ein Set unterschiedlicher Ballons zum Training des Atemapparats bekannt sei. Offen bleibe in den Unterlagen, welches „Material des Ballons“ den angegebenen Widerstandsbereich ergebe, was genau damit gemeint sei, dass „der Ballon ansteigend stärker werde“, worin sich die drei Stufen – abgesehen von der Farbe – unterschieden, welche eigenwillige Form die Ballons hätten und welche technischen Eigenschaften sich daraus ergäben. Somit mangle es am Erfordernis des § 87a Abs 1 PatG; es sei auch nicht erkennbar, worin die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit liege.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Technische Abteilung die Anmeldung aus dem Grund des § 100 Abs 1 PatG zurück. Begründend wurde (wiederholt) angeführt, dass mangels formulierter Patentansprüche nichts darüber ausgesagt werden könne, mit welchem Material oder durch welche Formgebung die beschriebenen Eigenschaften erzielt werden sollen oder worin sich die verschiedenfarbigen Ballons genau unterscheiden. Eindeutige Angaben zu den Unterschieden der Ballons fehlten. Das gesetzliche Erfordernis, wonach die Erfindung in der Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren sei, dass sie ein Fachmann ausführen könne, sei nicht erfüllt. Durch das vorveröffentlichte Dokument EP 0 908 197 A1 sei der Anmeldungsgegenstand nicht neu und er ergebe sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag, das Patent zu erteilen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Im Rekursvortrag wiederholt der Antragsteller im Wesentlichen die (Effekt )Inhalte aus der bereits vorgelegten Beschreibung. Ergänzend führt er an, dass es sich bei den vorgelegten Ballons tatsächlich um ein Trainingssystem handle, zumal Ballons mit drei Festigkeitsstufen hergestellt werden, die durch die unterschiedlichen Widerstände beim Einblasen Steigerungsstufen beim Muskeltraining erzeugen. Die Ballons seien entweder nur einfach getaucht (grün); das seien die dünnsten Ballons und würden am Beginn des Trainings verwendet. Die gelben Ballons seien zweifach getaucht und die roten Ballons seien dreifach getaucht. Die spezielle Form der Ballons ergebe sich aus der Ballonhalslänge von 2,8 cm. Der Muskeltrainingseffekt ergebe sich insbesondere aufgrund des speziellen Kautschukmaterials der Ballons, zumal – je nachdem, wie stark man hineinblase – ein Widerstand von 0,1 bar bis 1,2 bar zu überwinden sei, sodass jeder Bereich bestmöglich und aufbauend trainiert werde. Aufgrund der speziellen Konstruktion der Ballons, insbesondere aufgrund des an einem vergleichsweise langen Ballonhals von 2,8 Zentimeter angesetzten kugelrunden Ballons mit einem Fassungsvermögen von 1,5 bis 2 Liter ergebe sich weiter der spezielle Effekt, nachdem der Ballon mit fortschreitendem Hineinblasen ansteigend stärker, sohin der Blaswiderstand immer höher werde und sich der Trainingseffekt auch aufgrund dieses Umstands signifikant verstärke. Dieser Effekt (die Ballons werden ansteigend stärker oder fester, je mehr Luft hineingeblasen werde) sei tatsächlich neu und keineswegs naheliegend.
2.1 Gemäß § 87a Abs 1 PatG ist die Erfindung in der (schriftlichen) Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass sie ein Fachmann ausführen kann. Eine Offenbarung ist vollständig, wenn der Inhalt der Anmeldung dem Fachmann eine eindeutige und konkrete Lehre zum technischen Handeln gibt. Abzustellen ist danach darauf, ob der Durchschnittsfachmann aufgrund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des von ihm zu erwartenden Informations- und Wissensstandes und des allgemeinen Fachwissens nur mit Hilfe der vom Anmelder aufgezeigten Ausführungswege die Lehre vom technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RIS-Justiz RS0119499; 4 Ob 214/04f).
2.2 Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen lassen sich folgende Ansätze technischer Merkmale entnehmen:
Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass in den Anmeldungsunterlagen zwar die gewünschten Eigenschaften der Ballons und die bei deren Anwendung zu erreichenden Effekte genannt sind, jedoch nicht die technischen Merkmale, welche zu deren Erreichen führen und zur Lösung der Aufgabe beitragen sollen. Da weder das zu verwendende Material, noch die konkrete Formgebung oder die sonstige Ausgestaltung (zB die Wandstärken) näher beschrieben sind, vermag diese Offenbarung des Antragstellers der Fachwelt keinen Weg zu weisen, wie sie planmäßig ohne unzumutbare Schwierigkeiten den angestrebten Erfolg erzielt. Das (mehrfache) Hervorstreichen von positiven Effekten des Trainings kann zum Offenbarungsgehalt nichts beitragen.
Das Nachreichen von ursprünglich nicht genannten Merkmalen, wie es der Antragsteller versucht hat, ist unzulässig, weil die ursprüngliche Offenbarung überschritten würde ( Weiser, PatG, GMG 3 § 91 PatG, 404).
Im Ergebnis hat die Technische Abteilung daher das Erfordernis des § 87a Abs 1 PatG zu Recht als nicht erfüllt beurteilt.
3. Die Patentanmeldung ist – wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist – auch durch die EP 0 908 197 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen. In dieser Druckschrift ist ein aufblasbarer Gummiballon zur Therapie von Muskelgruppen im orofacialen (Gesichts )Bereich, des Atemapparats sowie des Halte- und Stützapparats des gesamten Körpers beschrieben. Der Gegenstand ist unter anderem auch zur Prophylaxe diverser Erkrankungen im Hals-, Nasen-, Ohren-Bereich, des Atemapparats sowie des Halte- und Stützapparats geeignet ([0001] und [0002]). Es sind mindestens ein aufblasbarer Gummiballon sowie mehrere Mundstücke vorgesehen, mit denen sich unterschiedliche Schwierigkeitsgrade trainieren lassen ([0007]). Ein solches Set kann nicht nur einen einzigen, sondern auch mehrere Gummiballons enthalten, die sich in ihrer Wandstärke unterscheiden und so die Anzahl der Schwierigkeitsstufen entsprechend erhöhen ([0016]). Ein weiterer Ballon eines derartigen Sets kann zum Beispiel marmoriert sein ([0015]).
Der in der Beschreibung des Antragstellers enthaltene konkrete Ablauf des Trainings und der angegebene Erfolg ist für die Beurteilung der Neuheit oder des Naheliegens des dafür eingesetzten Gegenstands nicht ausschlaggebend; gemäß § 2 Abs 2 PatG sind chirurgische oder therapeutische Verfahren zur Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers von der Patentierbarkeit ausgenommen (vgl Weiser , PatG GMG³ § 2 Seite 110).
Der im Rekurs als neu und keineswegs naheliegend hervorgehobene Effekt, wonach die Ballons ansteigend stärker oder fester würden, umso mehr Luft hineingeblasen würde, könnte die Patentierbarkeit des Anmeldegegenstands nicht begründen.
Einerseits wird damit kein technisches Merkmal beschrieben, weil keine Aussage zur konkreten Zusammensetzung des Materials oder der konkreten Wandstärke des Ballons gemacht wird. Andererseits ist der Druck in einem Gummiballon auf eine nicht-monotone Druck-Radius-Beziehung zurückzuführen. Der Druck im Ballon ist dabei direkt abhängig von der Dicke der Gummimembran, wobei nach Erreichen eines Maximaldrucks bei einem bestimmten Verhältnis von Deformationsradius zu Referenzradius (Innendruck = Außendruck) der Druck wieder fällt (Drucksprung). Die Tatsache, dass die Druckverhältnisse in einem „normalen“ Luftballon mit dünner Membran andere sind, als in einem Luftballon mit dicker Membran, kann daher dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet werden.
Somit ist der Gegenstand der Patentanmeldung, soweit er den eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist, dem Fachmann nahegelegt und nicht neu.
Da im Rahmen der Gesetzmäßigkeitsprüfung zu beurteilen ist, ob die Anmeldung den gesetzlichen Erfordernissen entspricht und dies nach den Ergebnissen in Bezug auf die vorliegenden Unterlagen nicht der Fall ist, bedarf die Entscheidung der Technischen Abteilung keiner Korrektur.
4. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtssprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Patentrechts im Wirtschaftsleben gegeben.
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