Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Nigl und Mag. Brandl sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Binder und Richard Dragosits in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** G***** , *****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** , *****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 25.555,74 Euro über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 22.11.2011, 22 Cga 49/11b-15, gemäß §§ 2 ASGG, 480 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.041,56 Euro (darin 340,26 Euro USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen mit Wirksamkeit ab 1.6.2007 einen Tankstellenunternehmensvertrag (Beil./A bzw. Beil./3) ab.
Vertragsgegenstand war die *****-Tankstelle in ***** bestehend aus einer Tankstelle samt Shop, Waschhalle, Freiwaschplatz, einem TS-Fahrbahndach, Neben- und Lagerräumen, Lagerbehältern und Zapfsäulen, zu deren Führung sich der Kläger verpflichtete. Im Rahmen dieser Tätigkeit oblag ihm der Verkauf von Treibstoffen im Namen und für Rechnung der beklagten Partei gegen Vergütung.
Schmierstoffe, Heizöl extraleicht und verwandte Spezialitäten (Bremsflüssigkeit, Frostschutz, Autopflegemittel, Scheibenklar, etc.) verkaufte er als Eigenhändler im eigenen Namen, auch die Tankstellennebenbetriebe wurden vom Kläger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als Pächter gegen Pachtzinszahlung geführt.
Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit mit Kündigungsmöglichkeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zu jedem Monatsende abgeschlossen, ab Beginn des vierten Vertragsjahres verlängerte sich die Kündigungsfrist auf sechs Monate. Der Kläger, im Vertrag bezeichnet als "Tankstellenunternehmer - TSU", war demnach (Pkt IV 1) nicht zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet und nicht mit der Zuführung von Kunden betraut, die Tankstelle wurde von ihm als selbständiger Unternehmer aufgrund einer eigenen Gewerbeberechtigung eigenverantwortlich betrieben. Der Verkauf von Treibstoffen erfolgte im Agenturverhältnis im Namen und für Rechnung der beklagten Partei. Festgehalten ist, dass der Kläger die Tankstelle innerhalb der zulässigen Öffnungszeiten offen halten werde (Pkt IV 2), die beklagte Partei stimme bis auf weiteres einer Einschränkung der Tankstellenöffnungszeiten auf Montag bis Samstag 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr und Sonntag und Feiertag 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr zu. Für die Einräumung der Gelegenheit, den bei Übernahme der Tankstelle bereits vorhandenen Kundenstock zu beliefern und die damit verbundenen Provisionszahlungen zu erhalten, verpflichtete sich der Kläger ein einmaliges Entgelt in Höhe von EUR 20.000,-- zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer bei Beendigung des Tankstellenvertrages zu bezahlen. Die beklagte Partei behielt sich vor, unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten jeweils zum Quartalsende den Betrieb der Tankstelle von Bedienung auf Selbstbedienung oder umgekehrt umzustellen. Bis auf Widerruf solle die Tankstelle als Bedienungstankstelle geführt werden. Der Kläger erhalte in Anrechnung auf seinen Vergütungsanspruch einen monatlichen Akontobetrag von EUR 2.000,-- zuzüglich MWSt, zahlbar jeweils bis Fünften eines jeden Monats durch Überweisung, zuviel erhaltene Akontobeträge seien binnen drei Wochen nach Vorliegen der Jahresendabrechnung an die beklagte Partei zu retournieren. Gleichzeitig mit der Tankstelle wurden auch die eingerichteten Nebenbetriebe, nämlich der Shop und der Autowaschbetrieb übergeben. Hier bestehe Betriebspflicht, der Kläger habe ein einheitliches Erscheinungsbild und ein Warenmindestangebot sicherzustellen. Unter Pkt V 2 verpflichtete sich der Kläger zur Leistung eines umsatzabhängigen Monatspachtzinses zuzüglich Mehrwertsteuer an die beklagte Partei, und zwar 10 % vom Shopumsatz, 2 % vom Umsatz von Losen (Brief-, Rubbellose und dgl.), 60 % vom Umsatz im Waschgeschäft, 5 % vom Umsatz von Tabakwaren und 60 % vom Umsatz aus dem Kaffeeautomat. Zumindest habe der Kläger jedoch jährlich für das Shopgeschäft EUR 8.960,-- und für das Waschgeschäft EUR 3.690,-- zu zahlen. Bei Beendigung des Vertrages verpflichtete sich der Kläger die Tankstelle samt Nebenbetrieben ordnungsgemäß geräumt und tadellos gereinigt an die beklagte Partei zurückzustellen, wobei sich die beklagte Partei lt. Vertrag darum bemühen werde, dass der Nachfolgetankstellenunternehmer das Warenlager zu Einstandspreisen ablöse. Änderungen dieses Vertrages seien nur in der Schriftform wirksam.
Für das Jahr 2007 ergab sich aus der Betreibung der Tankstelle durch den Kläger eine Unterdeckung von EUR 7.578,--. Für das Jahr 2008 ergab sich eine Unterdeckung von EUR 26.478,-- und für das Jahr 2009 eine Überdeckung von EUR 5.886,--.
Bereits im Laufe des Jahres 2007 stellte die beklagte Partei Überlegungen darüber an, welche ihrer weniger lukrativen Tankstellenstandorte, dazu gehörte auch die Tankstelle des Klägers, sie schließen könnte. Ende 2008, Anfang 2009 wurde für den Standort ***** ein potentieller Käufer der Liegenschaft gefunden und daher am 7.3.2009 für den geplanten Verkauf ein umwelttechnisches Gutachten über den Standort erstellt. Für die Bemessung des Kaufpreises holte die beklagte Partei ein Gutachten eines Ziviltechnikers ein, der sowohl den Wert der Liegenschaft als auch den Unternehmens(Ertrags)wert berücksichtigte.
Tatsächlich verkaufte die beklagte Partei mit Kaufvertrag Beil./1 der B***** die Liegenschaft samt Tankstelle des Klägers um netto EUR 200.000,--. Davon entfielen EUR 15.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer auf Tankanlagen, Maschinen und maschinelle Anlagen bzw. Betriebsvorrichtungen samt Inventur und Zubehör, die zu einer Betriebsanlage gehören. Die B***** verpflichtete sich für die Dauer von fünf Jahren (Beil./1, Pkt VII) ab beiderseitiger Unterfertigung des Kaufvertrages auf dem Kaufgegenstand keine Tankstelle zu errichten und zu betreiben oder durch Dritte errichten oder betreiben zu lassen und diese Verpflichtung auch auf allfällige Besitznachfolger oder sonstige Rechtsnachfolger am Kaufgegenstand zu überbinden. Der vom Kläger für die beklagte Partei aufgebaute Kundenstock der Tankstelle war für die Käuferin nicht von Interesse und fand im Kaufpreis keine Berücksichtigung.
Die beklagte Partei verpflichtete sich gegenüber der Käuferin für allfällige Kontaminationen der Liegenschaft durch den vorangegangenen Tankstellenbetrieb gewisse Haftungen zu übernehmen.
Wegen des Verkaufs der Tankstelle kündigte die beklagte Partei mit Schreiben vom 21.12.2009 den Tankstellenunternehmensvertrag des Klägers zum Stichtag 31.3.2010 und der Kläger stellte am 8.3.2010 die Tankstelle an die beklagte Partei zurück. Von 9.3.2009 bis 8.3.2010 ergab sich aus dem Verkauf von Treibstoffen eine Jahresprovision von EUR 32.579,68.
Seit der Übergabe der Liegenschaft an die Käuferin wird am früheren Standort der Tankstelle des Klägers keine Tankstelle mehr betrieben.
Die vom Kläger gepachtete Tankstelle war als *****Tankstelle betrieben worden. Dabei handelte es sich um eine Diskonttankstelle, die besonders preisbewusste Kunden ansprach.
Die Tankstelle lag an der *****, einer Ausfahrtsstraße auf dem Weg aus ***** heraus. In Sichtweite dieser Tankstelle, auf der anderen Straßenseite war und ist die freie Tankstelle des H***** L*****, die ebenfalls Diskontkunden anspricht. Die nächste A*****Tankstelle befand sich bei Vertragsauflösung (Ende März 2010) 10 km entfernt vom früheren Standort der Tankstelle des Klägers im Stadtgebiet von *****, eine andere *****-Tankstelle 40 km entfernt in *****. 3 km vom Standort entfernt gab/gibt es eine ebenfalls zum Tankstellennetz der beklagten Partei gehörige *****-Tankstelle; 10 km entfernt, in *****, eine weitere *****-Tankstelle. Bei den Marken(z.B. *****)tankstellen handelt es sich um Premiumtankstellen, die eher Kunden ansprechen, die weniger auf den Preis und mehr auf die Qualität des Treibstoffs Wert legen. Eine weitere Diskonttankstelle in der Nähe der Tankstelle des Klägers war/ist auch eine *****tankstelle in *****.
Die früheren Kunden des Klägers tanken nun bei anderen Tankstellen in der Nähe, wobei nicht festgestellt werden kann, welche Kunden wo tanken. Jene Kunden, die nun bei anderen Tankstellen der beklagten Partei (***** bzw. *****) tanken, tun dies nicht, weil sie zuvor beim Kläger getankt haben, sondern entscheiden sich nach der Lage der Tankstelle und dem Preis.
Der Kläger begehrt den aus dem Spruch ersichtlichen Ausgleichsanspruch nach Handelsvertretergesetz. Er habe als Pächter eine Tankstelle der beklagten Partei in ***** betrieben. Die beklagte Partei habe das Vertragsverhältnis am 21.12.2009 mit Ablauf des März 2010 gekündigt. Am 25.8.2010 habe der Kläger seine Ansprüche geltend gemacht. Aufgrund seiner Tätigkeit ziehe die beklagte Partei nach wie vor Vorteile aus dem Betrieb der Tankstelle, weshalb ihm ein Ausgleichsanspruch zustehe.
Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass die vormals vom Kläger betriebene Tankstelle an ein Elektronikunternehmen verkauft worden sei. An diesem Standort werde keine Tankstelle mehr betrieben, weshalb die beklagte Partei daraus auch keine Vorteile ziehe und dem Kläger kein Ausgleichsanspruch zustehe.
Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Urteil das Klagebegehren zur Gänze ab. Dabei ging es vom – unbekämpften – eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus. Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Gemäß § 24 Abs 1 HVertrG bestehe nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Anspruch auf angemessenen Ausgleichsanspruch, wenn und soweit der Handelsvertreter dem Unternehmen neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert habe und zu erwarten sei, dass der Unternehmer aus diesen Rechtsbeziehungen auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen könne. Dabei komme es zwar nicht nur auf tatsächlich erzielte, sondern auch auf potentiell erzielbare Vorteile des Geschäftsherrn aus den vom Handelsvertreter akquirierten oder erweiterten Geschäftsverbindungen an. Ein Ausgleichsanspruch bestehe aber dann nicht, wenn der Erwerber der Tankstelle auf den Kundenstamm keinen Wert lege und dies nicht in die Bemessung des Kaufpreises einfließe. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass die beklagte Partei durch die Veräußerung der Tankstelle und Einstellung des Tankstellenbetriebs für die Zukunft am früheren Standort der Tankstelle keinen Nutzen aus der Tätigkeit des Klägers erziele. Überdies sei der beklagten Partei der Nachweis gelungen, dass ihr durch die Tätigkeit des Klägers auch an anderen Standorten keine Vorteile erwachsen. Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch bestehe daher nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus den Berufungsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie der Verfahrensmängel mit dem Antrag, das Urteil in Stattgebung des Klagebegehrens dem Grunde nach abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stellt der Rechtsmittelwerber klar, dass er seinen Ausgleichsanspruch nie auf den Liegenschaftsvertrag und den damit erzielten Kaufpreis gestützt hat, sondern lediglich darauf, dass sich in der Nähe der vom Kläger betriebenen Tankstelle andere Tankstellen der beklagten Partei befinden. Der Vorteil für die beklagte Partei liege in den nachfolgenden Umsätzen mit Stammkunden des Klägers an anderen Tankstellen der beklagten Partei.
In diesem Zusammenhang zitiert der Rechtsmittelwerber die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien 2 R 127/07x.
Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers kann diese Entscheidung für den hier zu beurteilenden Fall schon deshalb nicht fruchtbar gemacht werden, weil ihr ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt. In der zitierten Entscheidung wurde ausdrücklich festgestellt, dass sich in einer Entfernung von 9,5 km eine weitere *****-Tankstelle in ***** befindet, der Kläger, der die Tankstelle seit 1983 betrieben hatte, einen gewissen Grundstock an Stammkunden erworben hatte, an Kampagnen von ***** zur Anwendung von Kartenkunden teilgenommen hat, denen bei Verwendung der Karte an *****-Tankstellen ein Preisnachlass gewährt wurde sowie dass ein Teil der Stammgäste der gegenständlichen Tankstelle nach deren Schließung die *****-Tankstelle in ***** frequentierte. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht ging daher davon aus, dass die Beklagte über an anderen Standorten betriebene Tankstellen nach wie vor Vorteile aus den vom Kläger geschaffenen Kundenbeziehungen ziehen könne.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine vereinzelt gebliebene, der sich der erkennende Senat nicht anzuschließen vermag.
Wie noch näher darzustellen sein wird, rechtfertigen die Feststellungen im hier zu beurteilenden Fall eine derartige Schlussfolgerung jedoch selbst dann nicht, wenn man der zitierten Entscheidung im Ergebnis beitreten wollte.
2. Soweit der Rechtsmittelwerber mit der Beweislast argumentiert, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 24 Abs 1 Handelsvertretergesetz (HVertrG) gebührt dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit
(1) er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,
(2) zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und
(3) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Nach ständiger Judikatur ist entscheidend für einen angemessenen Ausgleichsanspruch unter anderem, dass der Handelsvertreter neue Kunden zugeführt hat, unabhängig davon, ob dies seine ausschließliche oder vorwiegende Beschäftigung war. Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des Ausgleichs trägt der Handelsvertreter. Gelingt ihm der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, trifft ihn für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung. Den Unternehmer wiederum trifft die Behauptungslast und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden (RIS-Justiz RS0106003).
In den Entscheidungen 8 ObA 290/01g und 8 ObA 299/01f gelangte der OGH in Anlehnung an die deutsche Rechtsprechung zum Ergebnis, dass für das Zuführen neuer Kunden iSd § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG eine Mitursächlichkeit ausreiche und schon allein im Offenhalten und Betreiben einer Tankstelle eine solche Mitursächlichkeit für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehung mit einem Stammkunden zu erblicken sei (auch RIS-Justiz RS0109607; 7 Ob 122/06a).
Der Berufungssenat vertritt die Auffassung, dass die Beweiserleichterung iSd zitierten stRspr sich auf die Verdienstchancen in jenem Unternehmensteil (Betrieb) beschränkt, in dem der Kläger neue Kunden zugeführt hat. Wird daher der Betrieb – hier die Tankstelle – durch den Unternehmer selbst (oder einen anderen Pächter) weiter geführt, trifft den Unternehmer die Beweislast dafür, dass die durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Vertragsbeendigung hinaus keinen Bestand haben (RIS-Justiz RS0106003; 7 Ob 122/06a ua).
Die Beweiserleichterung des Handelsvertreters kann - jedenfalls im hier interessierenden Fall der (analogen) Anwendung des § 24 HVertrG auf Tankstellenpächter - daher nur nur für jene Tankstelle gelten, die vom jeweiligen Pächter, der den Ausgleichsanspruch begehrt, betrieben wurde. Wesentlichste Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, dass der Handelsvertreter (hier Tankstellenpächter) dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung wird der Tankstellenpächter jedoch mitursächlich für das Zuführen neuer Kunden, wenn er die Tankstelle offen hält und betreibt (8 ObA 299/01f). Geht man davon aus, dass jedem Tankstellenpächter, dessen Tankstelle vom Unternehmer geschlossen wird, schon deshalb ein Ausgleichsanspruch zusteht, weil möglicherweise Kunden zu anderen im räumlichen Nahebereich gelegenen Tankstellen desselben Unternehmers überwechseln, bestünde eine vom Handelsvertretergesetz nicht intendierte Kollision dieses Anspruchs mit Provisions- bzw allfälligen Ausgleichsansprüchen jenes Tankstellenpächters, der die Tankstelle betreibt und offen hält, zu der allenfalls Kunden der geschlossenen Tankstelle abwandern.
Diese Konstellation kann auch nicht mit einem Ausgleichsanspruch bei einer mehrgliedrigen Vertreterorganisation verglichen werden. Vielmehr ist sogar zu erwarten, dass auch bei Schließung der Tankstelle eines Konkurrenzunternehmens Tankstellenkunden – wobei hier die dem Unternehmer zuzurechnende Sogwirkung einer Marke außer Betracht zu bleiben hat – zur Tankstelle eines anderen Unternehmers wechseln. Ob im Einzelfall einem Tankstellenpächter dann, wenn die von ihm gepachtete Tankstelle geschlossen wird, ein Ausgleichsanspruch zustehen kann, wenn er eindeutig nachweist, dass bzw in welchem Umfang der Unternehmer für den er tätig war, durch die von ihm geschaffenen Geschäftsverbindungen oder zugeführten Kunden an anderen Standorten erhebliche Vorteile ziehen kann, braucht hier nicht abschließend beantwortet zu werden.
3. Nach den Feststellungen handelte es sich bei der vom Kläger gepachteten Tankstelle um eine Diskonttankstelle, die besonders preisbewusste Kunden ansprach. In Sichtweite dieser Tankstelle befindet sich eine freie Tankstelle, die ebenfalls Diskontkunden anspricht. Die nächste *****-Tankstelle befindet sich 10 km vom Standort der vormaligen Tankstelle des Klägers entfernt. 3 km von diesem Standort entfernt sowie 10 km entfernt gibt es zum Tankstellennetz der beklagten Partei gehörige *****-Tankstellen – bei denen es sich notorisch nicht um Diskonttankstellen handelt; ebenfalls im Nahebereich liegt eine *****-Diskonttankstelle.
Schon hieraus erhellt, dass die nächstgelegene Diskonttankstelle die zum Tankstellennetz der beklagten Partei gehört, wesentlich weiter entfernt ist als zwei nicht zum Tankstellennetz der Beklagten gehörige Diskonttankstellen (*****, bzw eine in Sichtweite gelegene Diskonttankstelle).
4. Im Übrigen ist es als notorisch anzusehen, dass bei Schließung einer Tankstelle Kunden notgedrungen auf andere Tankstellen ausweichen. Für welche Tankstellen sie sich entscheiden, hängt – abgesehen von der Sogwirkung einer Marke – von verschiedenen Faktoren wie Preis-Leistungsverhältnis, Lage aber auch davon ab, wie die Tankstelle auf die ausgewichen wird, betrieben wird. Fallweise ist auch wesentlich, welche Produkte in allenfalls vorhandenen Tankstellenshops verfügbar sind. Die Entscheidung der Tankkunden, zu welcher Tankstelle sie wechseln, hängt daher in aller Regel nicht davon ab, wie sie an einer nicht mehr existierenden Tankstelle betreut wurden , sondern vielmehr von den vorgenannten Faktoren. Schon aus diesem Grund ist grundsätzlich nicht zu erwarten, dass der Unternehmer aus den Geschäftsverbindungen mit Stammkunden (und nur solche sind zu berücksichtigen) einer nicht mehr existierenden Tankstelle weiterhin die nach § 24 Abs 1 Z 2 erforderlichen „erheblichen Vorteile“ ziehen kann.
Da sich der Kläger mit seinem Ausgleichsanspruch ausschließlich auf „Vorteile, die die beklagte Partei aus Abwanderung von Kunden an andere Standorte“ erzielt stützt, ist auch nicht näher darauf einzugehen, dass der Kundenstock der vom Kläger betriebenen Tankstelle für den Erwerber der Liegenschaft nicht von Interesse war (vgl OLG Wien 9 Ra 85/10a).
Insgesamt mangelt es daher (zumindest) am Tatbestandsmerkmal der Fortwirkung der vom Kläger geschaffenen Geschäftsbeziehungen.
5. Die von der Rechtsmittelwerberin in der Folge gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Weder ist das Urteil in sich widersprüchlich noch liegen überschießende Feststellungen aufgrund unrichtiger Rechtsansicht vor. Im Zusammenhang mit dem zuletzt gerügten vermeintlichen Mangel übergeht der Rechtsmittelwerber, dass sich aus § 24 Abs 1 Z 1 ausdrücklich ergibt, dass „er“ dem Unternehmer neue Kunden zugeführt haben muss und zu erwarten ist, dass der Unternehmer hieraus auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann (Z 2). Davon, dass das Erstgericht in seinem Urteil eine persönliche Bindung der Kunden an den Kläger vorausgesetzt hätte, kann aber nicht die Rede sein.
Der in allen Punkten unberechtigten Berufung ist daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 2 ASGG, 50, 41 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil soweit überblickbar der Oberste Gerichtshof zur hier entscheidenden Frage, ob der Pächter einer geschlossenen Tankstelle einen Ausgleichsanspruch geltend machen kann, wenn die Möglichkeit besteht, dass Kunden (auch) zu anderen Tankstellen desselben Unternehmens abwandern, bejahendenfalls ob in diesen Fällen die in der Judikatur zum Ausdruck kommende Beweiserleichterung für den Tankstellenpächter zum Tragen kommt, noch nicht Stellung genommen hat.
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