Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Predony als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Solé und Dr. Nowotny in der Firmenbuchsache der E***** AG mit dem Sitz in Wien, FN *****, über den Rekurs des Aufsichtsratsmitglieds und Vorsitzenden des Aufsichtsrats Dr. Wolf-Georg S*****, *****, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 20.3.2006, 72 Fr 2492/06v-3, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Begründung:
In dem vom Handelsgericht Wien geführten Firmenbuch ist in der FN ***** die E***** AG mit Sitz in Wien seit dem 2.3.2001 eingetragen. Der Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Der Rekurswerber Dr. Wolf-Georg S***** wurde bereits von der Gründerversammlung zum Mitglied des Aufsichtsrates bestellt und ist als Vorsitzender des Aufsichtsrates im Firmenbuch eingetragen. Abgesehen von einer am 7.3.2001 stattgefundenen Hauptversammlung, in der eine Kapitalerhöhung beschlossen wurde, sind sowohl nach dem Firmenbuchstand als auch nach dem Firmenbuchakt keine weiteren seither stattgefundenen Hauptversammlungen aktenkundig (vgl. auch § 111 Abs 5 AktG). Infolge mittlerweiliger Löschungen sind derzeit außer dem Rekurswerber keine weiteren Aufsichtsratsmitglieder und keine Vorstandsmitglieder eingetragen.
Mit Firmenbuchgesuch vom 28.2.2006 beantragte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Dr. Wolf-Georg S***** seine Löschung als Mitglied des Aufsichtsrates im Firmenbuch. Da seit der Gründung keine neue Hauptversammlung stattgefunden habe, die zu einer Neubestellung des Aufsichtsrates führen würde bzw. auch keinerlei Bilanz beschlossen bzw. eingereicht worden sei und die gesetzliche Höchstbestellungsdauer für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat fünf Jahre betrage, ausgenommen für den ersten Aufsichtsrat, beantrage er seine Löschung als Mitglied des Aufsichtsrates.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht ohne weitere Zwischenschritte diesen Antrag zurück. Gemäß § 91 AktG seien die Änderungen bei den Aufsichtsratsmitgliedern vom Vorstand zur Eintragung ins Firmenbuch anzumelden. Dem Aufsichtsrat selbst komme somit keine Antragslegitimation zu. Eine Analogie zu § 17 Abs 2 GmbHG sei auch nicht anzunehmen gewesen. Ein Verbesserungsverfahren gemäß § 17 FBG sei nicht durchzuführen gewesen, weil mangels vorhandenen Vorstandsmitgliedes der Mangel nicht verbesserungsfähig gewesen sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Aufsichtsratsmitgliedes Dr. Wolf-Georg S***** mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Erstgericht die Löschung des Rekurswerbers als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrates aufgetragen werde.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 87 Abs 4 AktG gilt die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bis zur Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch zur Beschlussfassung über die Entlastung stattfindet. Sie kann vorher von der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit widerrufen werden. Das Gesetz regelt den hier vorliegenden Fall nicht, ob bzw. wann ein Aufsichtsratsmandat eines ersten Aufsichtsrates endet, wenn überhaupt keine Hauptversammlung gemäß § 87 Abs 4 AktG einberufen bzw. abgehalten wird.
Österreichische Rechtsprechung dazu ist nicht ersichtlich. Soweit zu sehen, findet sich in der österreichischen Lehre (auch zur vergleichbaren Bestimmung des § 30b Abs 4 GmbHG) eine Äußerung nur bei Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 87 Rz 30: Werde eine Entlastung überhaupt nicht beschlossen, sei es, dass die Hauptversammlung nicht einberufen werde oder der Tagesordnungspunkt fehle, führe dies nicht zu einer beliebigen Fortführung des Aufsichtsratsamts, vielmehr erlösche es spätestens drei Monate nach einer beschlusslosen - dafür einberufenen - Hauptversammlung (vgl. § 98) oder bei gänzlichem Fehlen der Hauptversammlung nach Ablauf der acht Monate gemäß § 125 Abs 4 iVm Abs 6 AktG.
Danach wäre vorliegend das Aufsichtsratsmandat des Rekurswerbers tatsächlich erloschen.
In Deutschland ist die Frage strittig (vgl. Hüffer, AktG6 [2004] § 102 Rz 3; Semler in Münchner Kommentar zum AktG², § 102 Rz 32;
Hopt/Roth/Peddinghaus in Hopt/Wiedemann [Hrsg], AktG4, § 102 Rz 11 f;
BGH in WM 2002, 1884 = DB 2002, 1928 = BB 2002, 1822 = NZG 2002, 916).
Ob vorliegend das Aufsichtsratsmandat des Rekurswerbers erloschen ist oder nicht, kann aber dahingestellt bleiben, weil dem Rekurswerber jedenfalls die Antragslegitimation für seine eigene Löschung im Firmenbuch als Aufsichtsratsmitglied nicht zukommt. Bei juristischen Personen haben grundsätzlich die vertretungsbefugten Organe die erforderlichen Anmeldungen durchzuführen (Schenk in Straube I³ § 12 Rz 2; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 91). Nur ausnahmsweise verpflichtet das Gesetz auch andere Personen als die vertretungsbefugten Organe zur Firmenbuchanmeldung, so etwa bei der Ersteintragung der Aktiengesellschaft auch die Gründer und die Mitglieder des Aufsichtsrates (§ 28 Abs 1 AktG). Gemäß § 91 AktG hat der Vorstand jeden Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Eine Anmeldepflicht des Aufsichtsrates ist hier nicht vorgesehen.
In aller Regel sind andere als die anmeldeverpflichteten Personen nach Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich nicht anmeldeberechtigt (vgl. etwa 6 Ob 34/98p mwN ua; G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG, § 12 HGB Rz 4 mwN; Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 12 Rz 3 bis 6 mwN). Nur ausnahmsweise gewährt das Gesetz das Recht zur Firmenbuchanmeldung, ohne dies mit einer Pflicht zur Anmeldung zu verbinden, so etwa gemäß § 17 Abs 2 GmbHG idF des IRÄG 1997 (BGBl I 1997/114), wonach der zurückgetretene oder abberufene Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung seine eigene Löschung beim Firmenbuchgericht beantragen kann, aber nicht muss. Nach der Rechtsprechung des OGH darf aber die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs 2 GmbHG nicht extensiv ausgelegt werden und eignet sich auch nicht zu einer Lückenfüllung im Wege der Analogie dahin, dass nunmehr die Einschreitungsbefugnis eines noch nicht wirksam bestellten Geschäftsführers bejaht werden könnte (6 Ob 34/98p; 8 Ob 233/99v). In diesem Sinn kann aber auch eine doppelte Analogie für ein Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht bejaht werden.
Dem steht auch nicht die jüngere Rechtsprechung des erkennenden
Senates entgegen, wonach § 17 Abs 2 GmbHG im Privatstiftungsrecht und
im Aktienrecht dergestalt analog anwendbar ist, dass bei diesen
Rechtsträgern zurückgetretene oder abberufene Vorstandsmitglieder
ihre eigene Löschung im Firmenbuch beantragen können (OLG Wien 28 R
366/03d = GeS 2004, 131 [Arnold] = GeSRZ 2004, 214 [Linder] = NZ
2005, Ps 2 für die Privatstiftung; 28 R 216/04x = ecolex 2005, 700 =
AnwBl 2005/7994 = JAP 2004/2005/48 = RdW 2005/266 = NZ 2005, A2 für
die Aktiengesellschaft). In diesen Entscheidungen wurde zusammengefasst dahingehend argumentiert, die bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegebene Interessenlage sei bei der Privatstiftung und der Aktiengesellschaft völlig gleich. Eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Rechtsträger erschiene nicht gerechtfertigt und aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes sogar verfassungsrechtlich bedenklich.
Daraus kann aber nichts für die auch in § 17 Abs 2 GmbHG nicht vorgesehene Antragslegitimation eines Aufsichtsratsmitglieds abgeleitet werden.
Die gegen dieses Ergebnis im Rekurs vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen. Art 8 der Publizitätsrichtlinie (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968) ist für die Frage der Antragslegitimation für bestimmte Firmenbuchanmeldungen, somit zur Auslegung von § 17 Abs 2 GmbHG nicht aussagekräftig. Art 8 der Publizitätsrichtlinie ist vielmehr die Grundlage für § 17 Abs 3 GmbHG idF des IRÄG 1997 über die Publizitätswirkungen der Eintragung von Geschäftsführern.
Der Rekurswerber ist vielmehr auf Art 5 der Richtlinie zu verweisen, wonach jeder Mitgliedstaat bestimmt, welche Personen verpflichtet sind, die Formalitäten der Offenlegung zu erfüllen. Dieser Bestimmung entsprechend ist - wie ausgeführt - gemäß § 91 AktG ausschließlich der Vorstand zur Anmeldung von Änderungen im Aufsichtsrat verpflichtet.
Auch aus den Materialien zu § 17 Abs 2 GmbHG idF des IRÄG 1997 lassen sich Grundlagen für die vom Rekurswerber angedachte Analogie nicht finden. Zuzugeben ist dem Rekurswerber, dass nach den Materialien Zweck der Vorschrift war zu vermeiden, dass der Firmenbuchstand objektiv unrichtig ist (vgl. RV 734 BlgNR 20. GP 66 f). Dem Gesetzgeber des IRÄG 1997 kann zwar im Sinne der zitierten Entscheidungen des OLG Wien unterstellt werden, er habe die analoge Problematik der Löschung von abberufenen oder zurückgetretenen Mitgliedern des Vertretungsorgans bei anderen Rechtsträgern als der Gesellschaft mit beschränkter Haftung übersehen. Dem Gesetzgeber des IRÄG 1997 kann aber nicht unterstellt werden, er hätte auch allen anderen (auch ansonsten grundsätzlich nicht zu Firmenbuchanmeldungen berechtigten und verpflichteten) Personen wie Aufsichtsratsmitgliedern, Gesellschaftern etc. im Fall der diesbezüglichen Unrichtigkeit des Firmenbuchstandes eine Antragslegitimation zur eigenen Löschung im Firmenbuch einräumen wollen, die einschlägigen Regelungen aber vergessen. Eine planwidrige Lücke so, wie sie der Rekurswerber vertritt, liegt daher nicht vor. Das Erstgericht hat daher zutreffend den entsprechenden Antrag des Rekurswerbers zurückgewiesen.
Zur Erwirkung seiner Löschung steht dem Rekurswerber der Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes gemäß § 76 AktG zu, der dann die Löschung des Rekurswerbers als Aufsichtsratsmitglied im Firmenbuch beantragen kann. Sollte das Erstgericht der zitierten Ansicht folgen, wonach vorliegend das Aufsichtsratsmandat des Rekurswerbers erloschen wäre, käme Erwägungen in Richtung § 10 Abs 2 FBG in Betracht (vgl OLG Wien NZ 1991, 13; Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 10 FBG Rz 7; G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG, § 12 HGB Rz 5 für den Prokuristen; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG, § 10 Rz 25). Der Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet sich auf § 59 Abs 1 Z 2, § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG. Ungeachtet der Entscheidung 6 Ob 34/98p existiert, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung des OGH zur Frage der analogen Anwendung des § 17 Abs 2 GmbHG auf gewesene Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Rückverweise
Keine Verweise gefunden