Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Derbolav als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Pimmer und Dr. Pöschl in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien
1) M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH Co KG, 2) M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH, beide M*****, beide vertreten durch Dr. Stefan Ruggenthaler u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und gefährdende Partei t***** Verlagsgesellschaft mbH, P*****, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 400.000,-), über den Rekurs der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28.11.1995, 39 Cg 133/95t-2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und der angefochtene Beschluß behoben.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt S 50.000,-; der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Mit dem vorliegenden, beim Handelsgericht Wien eingebrachten Antrag begehrten die gefährdeten Parteien zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Antragsgegnerin zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements als auf bestimmte Dauer laufend anzukündigen, wenn der Besteller nur aus einer kleinen Fußnote der Bestellkarte und/oder einen Hinweis auf die Abonnementbedingungen erfährt, daß er tatsächlich mangels rechtzeitiger Kündigung vor Ablauf dieser Dauer auf einen über die angekündigte Dauer hinausgehenden Zeitraum zum entgeltlichen Bezug des Abonnements verpflichtet wird, insbesondere ein preisgünstiges Test-Abo für acht Ausgaben der Zeitschrift tv-media um nur S 50,- anzukündigen, wenn sich der Abonnent nach den auf der Bestellkarte in einer Fußnote klein wiedergegebenen Abo-Bedingungen mit der Bestellung verpflichtet, das Abonnement mangels einer rechtzeitigen Kündigung auf unbestimmte Zeit zum jeweils gültigen Preis für Jahres-Abos, zumindest auf die Dauer eines weiteren Jahres, zu beziehen.
Im gegenständlichen Antrag brachten die gefährdeten Parteien unter anderem vor, daß die Antragsgegnerin mit dem Sitz in der politischen Gemeinde Tulln beim Landesgericht St. Pölten (ebenso wie News) im Firmenbuch registriert wäre, im Impressum von tv-media jedoch als Redaktion, Herausgeber und Verwaltungsadresse 1020 Wien, Praterstraße 31 angeführt sei. Entgegen der Eintragung im Firmenbuch sei, da im Zweifel der Ort, wo die Verwaltung geführt werde, als Sitz gelte, der Sitz der Antragsgegnerin in Wien und somit im Sprengel des angerufenen Gerichtes anzunehmen. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des OLG Wien vom 2.5.1995, 4 R 66/95.
Mit dem angefochtenen Beschluß sprach das Erstgericht seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies den Sicherungsantrag an das Landesgericht St. Pölten. Der Sitz der Antragsgegnerin, der für die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes gemäß § 75 Abs 1 JN maßgeblich sei, liege in der politischen Gemeinde Tulln, da es nur in den Fällen, in denen weder Gesetz, noch Vertrag oder Eintragung im Firmenbuch den Sitz einer juristischen Person erkennen lasse, auf die tatsächlichen Verhältnisse, nämlich darauf, wo die Verwaltung geführt werde, ankomme.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragsteller, der berechtigt ist.
Für vor Einleitung eines Rechtsstreites eingebrachte einstweilige Verfügungen wegen unlauteren Wettbewerbs ist gemäß § 387 Abs 3 EO jenes Gericht zuständig, das für den Prozeß in der Hauptsache zuständig wäre. Gemäß § 83 c Abs 1 JN ist für Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs (§ 51 Abs 2 Z 10 JN) jenes Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen liegt, bei Vorhandensein mehrerer Niederlassungen wahlweise das Gericht der Hauptniederlassung oder derjenigen Niederlassung, auf die sich die Handlung bezieht.
Primär zuständig ist somit im vorliegenden Fall jenes Gericht, in dessen Sprengel das Unternehmen der Antragsgegnerin liegt. Dabei kann jedoch unter dem "Betriebsort" nicht der firmenbuchmäßige Sitz des Unternehmens nach § 75 JN verstanden werden, sondern jener Ort, von dem das Unternehmen aus faktisch geleitet wird. Entscheidend ist der tatsächliche Mittelpunkt des Erwerbslebens des Unternehmens, nicht jedoch der Ort der den unternehmerischen Zielen dienenden Ausführungshandlungen (also z.B. der bloße Standort einer Produktion; Schoibl, Die Niederlassung im österreichischen Zivilprozeßrecht, in Schuhmacher, Gruber [HRSG], Rechtsfragen der Zweigniederlassung, S 349 iVm 356 f).
Aus dem Impressum der vorgelegten Ausgabe Nr. 1 der Zeitschrift tv-media ist die Redaktions-, Herausgeber- und Verwaltungsadresse der Antragsgegnerin mit 1020 Wien, Praterstraße 31 ersichtlich. Als Postanschrift ist ein Postfach in 1020 Wien angegeben. Auch aus dem Firmenbuchauszug ergibt sich die Geschäftsanschrift der Antragsgegnerin mit Praterstraße 31, 1020 Wien, wenn auch diese Firma ihren registrierten Sitz in der politischen Gemeinde Tulln hat.
Darüberhinaus ist dem Rekursgericht auch aus dem Verfahren 4 R 66/95 bekannt, daß die News Verlagsgesellschaft mbH Co KG sowie die News Verlagsgesellschaft mbH, beide Gesellschafterinnen der Antragsgegnerin, im Jahre 1994 - bloß auf dem Papier und aus abgabenrechtlichen Gründen - ihren firmenbuchmäßigen Sitz von Wien nach Tulln, Königstetter Straße 132 verlegt haben und daß an der Adresse in Tulln keinerlei Tätigkeit ausgeübt wurde. Auch wurden die an "News" unter der Adresse Königstetter Straße 132, 3430 Tulln adressierten Schriftstücke an die Adresse 1020 Wien, Praterstraße 31 nachgesendet. Es kann also aufgrund der Klagsbehauptungen kein Zweifel daran bestehen, daß der tatsächliche Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeiten auch der Antragsgegnerin nicht in Tulln, sondern in Wien und daher im Sprengel des angerufenen Gerichtes gelegen ist.
Das Erstgericht hat somit zu Unrecht seine örtliche Unzuständigkeit ausgesprochen und den Sicherungsantrag an das Landesgericht St. Pölten überwiesen. Die in der Folge vom unzuständigen Landesgericht St. Pölten erlassene einstweilige Verfügung ist jedoch nicht nichtig, sondern hat vielmehr aufrecht zu bleiben. Es wird daher dem Erstgericht unter Bedachtnahme auf die vom Landesgericht St. Pölten als Handelsgericht erlassene einstweilige Verfügung die Verfahrensfortsetzung obliegen (JBl 1983, 653; Heller-Berger-Stix, 2814).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 EO, 52 ZPO.
Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes hat seine Grundlage in den §§ 78, 402 EO, 526 ZPO. Weiters war gemäß §§ 78, 402 EO, 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 3 ZPO auszusprechen, daß der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zulässig ist, weil die Voraussetzungen einer Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung anstanden.
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