Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr. Hornberg und Dr. B. Kunst in der Strafsache gegen ***** M***** wegen §§ 33 Abs 1, 13; 33 Abs 2 lit a und b FinStrG über die Beschwerden des Genannten gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu GZ 12 e Vr 15065/92 (neu: 12 e Vr 7190/95) und zwar 1.) vom 22. Mai 1995 auf Erlassung eines Haftbefehles (ON 33), 2.) vom 25. Juni 1995 auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 43) und 3.) vom 28. Juni 1995 auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 49) in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
I.) Die Beschwerden zu 1.) und 3.) werden zurück- gewiesen.
II.) Der zu 2.) angefochtene Beschluß wird für gesetzmäßig erkannt.
Begründung:
Gegen den 44-jährigen ***** M***** wird seit 15.12.1992 ein Verfahren wegen §§ 33 Abs 1, 13, 33 Abs 2 lit a und b FinStrG geführt, das mittlerweile mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 5.7.1995 erledigt wurde. In diesem Verfahren erließ der Vorsitzende des Schöffengerichtes am 22.5.1995 den angefochtenen Haftbefehl ON 33 gegen den Angeklagten, der zu der für 18.5.1995, 9.00 Uhr, angesetzten Hauptverhandlung nicht erschienen war, nachdem er sich um
8.52 Uhr dieses Tages durch einen Sekretär, der mitgeteilt hatte, der Angeklagte leide seit dem Vortag an Fieber, hatte entschuldigen lassen. Da eine sofortige Überprüfung der Erkrankung des Angeklagten unter Zuziehung des Amtsarztes ergeben hatte, daß an der Wohnanschrift des Genannten um 10.15 Uhr niemand angetroffen werden konnte und die Türe nicht geöffnet wurde, erließ der Vorsitzende einen Haftbefehl, dessen Erlassung gemäß § 175 Abs 1 Z 2 StPO die Staatsanwaltschaft Wien bereits in der frustrierten Verhandlung vom 18.5.1995 für den Fall beantragt hatte, daß M***** verhandlungsfähig sei. Am 30.5.1995 ersuchte der Vorsitzende das Koat 21., den Haftbefehl vorläufig nicht zu vollziehen (Seite 439, Band I). Nach Einlangen einer Bestätigung des praktischen Arztes Dr. ***** B***** vom 19.5.1995 (S 443/Bd I.), wonach ***** M***** seit 18.5.1995 in ärztlicher Behandlung stehe, an einem fieberhaften Infekt leide und bettlägerig sei bzw. bis 23.5.1995 voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen werde, sowie nach Zwischenerhebung, wonach der genannte Arzt am Verhandlungstag, einem Donnerstag, ordinationsfrei war, ersuchte der Vorsitzende um sofortigen Vollzug des Haftbefehles, dessen Tatverdacht sich laut schriftlicher Ausfertigung ON 33 auf rechtskräftige Steuerbescheide und das gerichtliche Sachverständigengutachten gründet. Den Haftgrund der Fluchtgefahr sah der Erstgericht in dem Umstand gegeben, daß sich der Angeklagte bereits gegenüber der Finanzbehörde und dem Untersuchungsrichter äußerst "ladungsunwillig" gezeigt hat, dadurch das Verfahren verschleppte und am Verhandlungstag 18.5.1995 trotz Behauptung der Verhandlungsunfähigkeit nicht zu Hause war, worauf es die Annahme stützt, er versuche sich durch Nichterscheinen zur Hauptverhandlung seiner Verantwortung zu entziehen.
Die gegen den Haftbefehl vom Verteidiger erhobene Beschwerde ist unzulässig. Im Gerichtshofverfahren ist nämlich das Rechtsmittel der Beschwerde nur dort zulässig, wo es im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Da die Strafprozeßordnung sohin die Anfechtung eines vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes erlassenen Haftbefehles nicht zuläßt und sich die in § 113 Abs 1 StPO gegebene Anfechtungsmöglichkeit eines Haftbefehles bei der Ratskammer ausschließlich auf solche Haftbefehle bezieht, die vom Untersuchungsrichter erlassen wurden, war die Beschwerde ON 40 ohne weiteres Eingehen auf ihr Vorbringen zurückzuweisen.
Zurückkehrend zum Sachverhalt bleibt festzuhalten, daß ***** M***** aufgrund des Haftbefehles am 23.6.1995 verhaftet und über ihn mit dem ebenfalls angefochtenen Beschluß des Journalrichters vom 25.6.1995 (ON 43) die Untersuchungshaft aus dem Grunde des § 180 Abs 2 Z 1 StPO verhängt wurde. Der erstgerichtliche Beschluß stützt den Tatverdacht auf Erhebungen des Finanzamtes, wonach der Angeklagte in den Jahren 1988 bis 1990 verschiedene Abgaben hinterzogen habe und den Haftgrund auf die Tatsache, daß er entgegen seinem Vorbringen, bettlägerig zu Hause gelegen zu sein, nicht daheim war, weshalb der Verdacht bestehe, er wolle sich dem Strafverfahren entziehen.
In seiner rechtzeitig erhobenen Beschwerde brachte der Angeklagte vor, er habe niemals Bettlägrigkeit, sondern nur Krankheit behauptet und dies auch durch eine ärztliche Bestätigung belegt. Zum Zeitpunkt der polizeilichen Nachschau sei er außer Haus gewesen, um diese Bestätigung zu erlangen.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu. Aus dem Akteninhalt ergibt sich dringender Tatverdacht aufgrund des mittlerweile am 5.7.1995 gefällten, wenn auch nicht rechtskräftigen Urteils, womit ***** M***** des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens der Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG sowie der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von S 800.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer sechsmonatigen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß §§ 33 Abs 5, letzter Satz, 15 FinStrG zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt wurde. Ausgehend von diesem Tatverdacht nahm aber das Erstgericht auch zu Recht den Haftgrund der Fluchtgefahr an, zumal sich aus dem Akteninhalt ergibt, daß der Untersuchungsrichter seit 7.1.1993 zahllose Versuche unternommen hatte, ***** M***** von seiner Wohn- bzw. Firmenadresse zur Vernehmung zu laden, welche aufgrund offensichtlicher Verschleppungstaktik des damaligen Beschuldigten bis zum 14.6.1993 - sohin fast ein halbes Jahr lang - erfolglos geblieben waren. Da der Angeklagte sich auch für die Hauptverhandlung vom 18.5.1995 entschuldigen ließ und die ärztliche Bestätigung (Seite 443, Band I) erst mit 19.5.1995 datiert ist, kann die Darstellung der Beschwerde, der Angeklagte sei am 18.5.1995 nicht daheim gewesen, um sich diese Bestätigung zu besorgen, nicht richtig sein. Das Erstgericht nahm daher auch im Hinblick auf die erhobene Tatsache, daß der erwähnte Arzt an Donnerstagen - also auch am 18.5.1995 - nicht ordiniert hat, den Haftgrund der Fluchtgefahr zu Recht an. Daran vermag auch der Umstand, daß die Bestätigung den Behandlungsbeginn mit 18.5.1995 bekundet und der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmittelausführung gegen den späteren Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft dazu ausführt, daß Dr. B***** zwar am 18.5.1995 keine Ordination hatte, aber privat und außerhalb der Ordination Untersuchungen vornimmt, nichts zu ändern, da diesfalls die Untersuchung in der Wohnung des Angeklagten vorgenommen worden wäre. Die Beschwerdeausführung ON 51 beschreibt außerdem solcherart nur ein grundsätzliches derartiges Verhalten des Arztes, behauptet aber selbst keine konkrete Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.5.1995 samt Feststellung einer mit Bettlägrigkeit verbundenen Erkrankung zu diesem Datum.
Letztlich war die Untersuchungshaft auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe und konnte nach ihrem Zweck auch nicht durch gelindere Mittel substituierer werden.
Da infolge mittlerweiliger Enthaftung des Beschwerdeführers unmittelbar nach Urteilsverkündung am 5.7.1995 dessen Beschwer in Ansehung des Beschlusses auf Fortsetzung der Untersuchungshaft weggefallen ist und demgemäß die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls zurückgewiesen werden mußte, war allerdings mangels einer meritorischen Entscheidung in diesem Punkte gemäß § 179 Abs 6 StPO die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses auf Verhängung der Untersuchungshaft festzustellen.
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