Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 23. Juli 2025, Hv1* – 50, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach der in Anwesenheit der Staatsanwältin Dr. Steinwender als Vertreterin des Leitenden Oberstaatsanwalts sowie des Angeklagten und dessen Verteidigers Mag. Landl durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. November 2025
I. zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. beschlossen:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Entlassung zu BE* des Landesgerichts Wels abgesehen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil das auch eine aktenkonforme Vorhaftanrechnung beinhaltet, wurde der ** geborene A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 39 (Abs 1) StGB nach dem Strafsatz des § 201 (Abs 1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus widerrief das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten im Verfahren BE* des Landesgerichts Wels gewährte bedingte Entlassung.
Nach dem Schuldspruch hat er am 21. Februar 2025 in ** B* mit Gewalt zur Duldung des Vaginal- und Analverkehrs genötigt, indem er sie gewaltsam entkleidete, sie niederdrückte, am Hals erfasste, diesen zudrückte, trotz ihrer körperlichen und verbalen Gegenwehr ihre Beine auseinander drückte und den Vaginal- sowie Analverkehr an ihr vollzog.
Gegen dieses Urteil richten sich – nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof (ON 61.2) - die wegen des Strafausspruchs vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft angemeldeten- (AS 15 in ON 49) und auch ausgeführten (ON 53, 56) Berufungen mit denen der Angeklagte eine Herabsetzung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe, die Anklagebehörde hingegen eine Anhebung des Strafmaßes anstreben. Die Beschwerde des Angeklagten wendet sich gegen den nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung.
Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Bei der Strafbemessung werteten die Erstrichter akten- und gesetzeskonform mildernd keinen Umstand, erschwerend hingegen drei einschlägige Vorstrafen sowie die Begehung einer vorsätzlichen strafbaren Handlung nach dem zehnten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB gegen eine ehemalige Lebensgefährtin. In Hinblick auf § 32 Abs 3 StGB wurden zudem das Unterbleiben der Verwendung eines Kondoms, der äußerst rasche Rückfall, die Tatbegehung bei offener Probezeit, sowie der Umstand, dass das Opfer sowohl zum Vaginal- als auch zum Analverkehr genötigt wurde, schuldaggravierend ins Kalkül gezogen. Dieser Katalog ist zu Lasten des Angeklagten dahingehend zu ergänzen, dass die Voraussetzungen beider Varianten (Abs 1 und Abs 1a) der Strafrahmenerweiterung des § 39 StGB vorliegen.
Zu Gunsten des Angeklagten ist dessen verminderte Zurechnungsfähigkeit bei der Tathandlung (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB) zu veranschlagen, ergibt sich diese doch aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Schärding vom 2. Juni 2024, wonach beim Angeklagten eine Intelligenzminderung, verbunden mit Verhaltensstörungen und einer Einschränkung im Sozialverhalten vorliegt (ON 47; vgl. auch die damit korrespondierenden Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Linz, Hv2*, AS 3 in ON 40.1). Die reklamierte Heranziehung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 11 StGB kommt hingegen nicht in Betracht, würde dies doch voraussetzen, dass die Schuldfähigkeit zur Tatzeit an der obersten Grenze einer (noch) verminderten (und nicht bereits ausgeschlossenen) Zurechnungsunfähigkeit angesiedelt war (vgl Tipold in Leukauf/Steininger,StGB4 § 34 Rz 17), wobei derartiges in Ansehung der orientierten und strukturierten Tatbegehung (vgl US 3f) sowie der erfolgten Ich-Wahrnehmungen (vgl AS 3ff in ON 49 iVm US 4, 12f) nicht angenommen werden kann. Dass – wie der Angeklagte weiters ins Treffen führt - er sich zur Tat in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung (verursacht durch Trauer) hinreißen hat lassen, sodass ihm der Milderungsgrund des zuzubilligen sei, ist nicht indiziert, sprechen die im engsten Sinne einschlägige Vorstrafe und die Intensität und Dauer des Angriffs gegen eine derartige heftige emotionale Situation und würde es außerdem bereits einer solchen am Kriterium der vom Standpunkt des maßgerechten Durchschnittsmenschen zu beurteilenden allgemeinen Begreiflichkeit mangeln (
Der Anklagebehörde ist beizupflichten, dass es im konkreten Fall sowohl aus spezialpräventiven Gründen (dies im Hinblick auf das einschlägig getrübte Vorleben und den äußerst raschen Rückfall) als auch aus generalpräventiven Erwägungen (im sensiblen Bereich sexualstrafrechtlich relevanter Handlungen sind hohe Strafen erforderlich, um potenzielle Delinquenten mit dem gleichen Charakterdefizit wirksam von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten) einer spürbaren Sanktion bedarf. Bei dem vorliegenden Strafrahmen von zwei bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe wird jedoch - ausgehend von den Strafzumessungskriterien (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) - mit dem vom Erstgericht ausgesprochenen Freiheitsentzug von zehn Jahren und sechs Monaten zum einen dem Angeklagten ein hinlängliches Zeichen gesetzt, um ihn künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten und zum anderen generalpräventiven Erwägungen genüge getan (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 § 43 Rz 18). Es besteht demnach (trotz geringfügiger Modifikation bei den Strafzumessungsgründen) weder der Bedarf einer Anhebung der ausgesprochenen Dauer der Freiheitsstrafe, noch erweist sich diese als reduktionsfähig.
Die Beschwerde hingegen dringt durch:
Gemäß § 53 Abs 1 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe, den Strafteil oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn ein Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird und der Widerruf in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Angesichts der nun verhängten Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten fehlt es (trotz der Vorstrafenbelastung und des äußerst raschen Rückfalls) an tragfähigen Sachgründen, zusätzlich auch die dem Angeklagten im Verfahren BE* des Landesgerichts Wels gewährte bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten zu widerrufen, um einen spezialprognostisch positiven Effekt zu erreichen. Dementsprechend war aus Anlass dieser Verurteilung vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen.
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